| # taz.de -- Antisemitische Straftaten in Deutschland: Der Hass ist entfesselt | |
| > Brandsätze auf eine Synagoge in Berlin, heruntergerissene Israelfahnen: | |
| > Seit den Hamas-Angriffen auf Israel steigen antisemitische Delikte rapide | |
| > an. | |
| Bild: Die Berliner Polizei sichert die jüdische Kahal Adass Jisroel-Gemeinde n… | |
| Berlin taz | Es geht um heruntergerissene Israelfahnen, um | |
| Sachbeschädigungen, Bedrohungen oder [1][volksverhetzende Parolen auf | |
| Anti-Israel-Protesten]. Seit den Terrorangriffen der Hamas auf Israel | |
| häufen sich in Deutschland antisemitische Straftaten. So zählen die | |
| Bundesländer laut einer taz-Umfrage seit dem Angriffsbeginn vor elf Tagen | |
| bereits rund 500 antiisraelische Straftaten. | |
| Erst Dienstagnacht, [2][nach den Explosionen am Al-Ahli-Krankenhaus in | |
| Gaza-Stadt], war es auch in Deutschland zu spontanen Protesten gekommen. In | |
| Berlin versammelten sich dabei mehrere Hundert Menschen vor dem | |
| Brandenburger Tor, [3][die teils antiisraelische Parolen skandierten]. Das | |
| benachbarte Holocaustmahnmal musste von Polizeikräften geschützt werden. In | |
| Neukölln kam es zu brennenden Barrikaden. Auch in Leipzig, Köln, Bochum | |
| oder Flensburg gab es Spontanproteste. | |
| In derselben Nacht erfolgte in Berlin-Mitte ein Brandanschlag auf die | |
| jüdische Kahal Adass Jisroel-Gemeinde. Dort befinden sich neben einer | |
| Synagoge auch eine jüdische Schule und Kita. Laut Polizei hatten zwei | |
| Unbekannte zwei brennende Flaschen in Richtung der Synagoge geworfen. Die | |
| Flaschen schlugen auf dem Gehweg auf und zerbrachen, das Feuer erlosch. Ein | |
| zweites kleines Feuer löschten Mitarbeiter des Objektschutzes der Gemeinde. | |
| Als die Polizei erschien, tauchte wiederum ein 30-Jähriger auf, der in | |
| Richtung Synagoge lief und israelfeindliche Parolen rief. Er wurde | |
| vorübergehend festgenommen. | |
| Gideon Joffe, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Berlin, erklärte zu dem | |
| Anschlag, „die antijüdische Gewalt auf den Straßen Berlins hat eine neue | |
| Dimension erreicht“. 85 Jahre nach der Reichspogromnacht würden wieder | |
| Synagogen in Deutschlands Hauptstadt brennen. Juden und Jüdinnen in der | |
| Stadt fühlten sich „nicht mehr sicher“, klagte Joffe. Der „massive Ansti… | |
| islamistischer Gewalt“ hierzulande seit den Hamas-Angriffen sei | |
| „erschreckend“. | |
| ## Allein in Berlin 369 antiisraelische Taten | |
| Auch der Zentralrat der Juden zeigte sich „erschüttert über diesen | |
| Terrorangriff“. Familien vor allem aus dem Umfeld der Synagoge seien | |
| schockiert und verunsichert. Der jüngst von der Hamas verkündete „Tag des | |
| Zorns“ sei nicht nur eine Phrase, sondern „psychischer Terror, der in | |
| konkrete Anschläge mündet“. | |
| Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte am Mittwoch, Anschläge gegen jüdische | |
| Einrichtungen und Ausschreitungen auf deutschen Straßen seien | |
| „[4][menschenverachtend, abscheulich und nicht zu dulden]“. Die Polizei und | |
| Versammlungsbehörden und Polizei [5][müssten hier aktiv werden und würden | |
| das auch]. Antisemitismus habe in Deutschland keinen Platz. Auch | |
| Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier betonte, Antisemitismus wolle und | |
| werde man in Deutschland „nicht dulden“. | |
| Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nannte den Brandanschlag ebenso | |
| „eine abscheuliche Tat“. Sie zeige, wie wichtig „hohe Wachsamkeit und | |
| umfassender Schutz“ seien. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) | |
| erklärte, wer jüdisches Leben angreife, sei „kein Teil von Deutschland“. … | |
| und Faeser forderten, der Rechtsstaat müsse hier „mit aller Härte | |
| vorgehen“. | |
| Tatsächlich häufen sich seit dem Beginn des Hamas-Terrors gegen Israel am | |
| 7. Oktober in Deutschland antisemitische Straftaten. So bildete in Berlin | |
| die Polizei eine eigene Arbeitsgruppe „Nahost“. Dort wurden seitdem 369 | |
| antiisraelische Straftaten gezählt. Darunter fallen 110 Sachbeschädigungen, | |
| 31 Volksverhetzungsdelikte oder vier Propagandadelikte. Im gesamten Vorjahr | |
| hatte die Polizei in Berlin 381 antisemitische Straftaten erfasst. | |
| Auch Nordrhein-Westfalen zählte seit dem 7. Oktober 73 antisemitische | |
| Straftaten. Darunter fielen vier verbrannte israelische Flaggen, 14 | |
| entwendete und 3 zerrissene. In 34 Fällen kam es zu Sachbeschädigungen, in | |
| 10 zu Diebstählen und in 7 zu Verstößen gegen das Versammlungsgesetz. | |
| Sachsen wiederum erfasste 23 Straftaten – hier vor allem auf | |
| antiisraelischen Protesten in Chemnitz, Dresden, Leipzig oder Pirna. Dazu | |
| zählten Volksverhetzungen, das Verwenden von Symbolen terroristischer | |
| Gruppen, aber auch eine gefährliche Körperverletzung. | |
| Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein meldeten antiisraelische | |
| Straftaten im „niedrigen zweistelligen Bereich“, in Brandenburg wurden 12 | |
| Delikte mit Bezug zu den Angriffen auf Israel erfasst. Niedersachsen, | |
| Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Bremen notierten „einstellige“ | |
| Deliktzahlen. Andere Länder konnten keine Zahlen vorlegen oder | |
| beantworteten die taz-Anfrage zunächst nicht. Die Länder betonten, dass die | |
| Zahlen zumeist noch weiterer Ermittlungen bedürften und sich die finale | |
| Einordnung noch ändern könne. | |
| ## BKA richtet Info-Sammelstelle ein | |
| Direkt nach Beginn der Hamas-Angriffe auf Israel hatte auch das | |
| Bundeskriminalamt eine Informationssammelstelle eingerichtet, in der | |
| antisemitische Straftaten erfasst werden. Öffentlich macht das BKA die | |
| Zahlen nicht. Diese müssten noch überprüft werden und seien kaum belastbar, | |
| heißt es in Sicherheitskreisen. So könne etwa nicht jede | |
| Widerstandshandlung auf den derzeitigen Protesten als antisemitisch | |
| gewertet werden. Ein Anstieg der Delikte sei aber „klar erkennbar“. Die | |
| Lage sei sehr dynamisch. | |
| Auch die unabhängige Recherche- und Informationsstelle Rias berichtete am | |
| Mittwoch von einem „massiven“ Anstieg von Antisemitismus seit den | |
| Hamas-Angriffen. Die Stelle zählte zwischen dem 7. und 15. Oktober 202 | |
| Vorfälle – einen Zuwachs von 240 Prozent zum Vorjahreszeitraum. In 91 | |
| Prozent der Fälle gehe es um israelbezogenen Antisemitismus, bei dem etwa | |
| der Terror gegen Juden legitimiert wurde. In 21 Fällen wurden | |
| proisraelische Kundgebungen gestört, sechsmal auch mit Angriffen. 33 Mal | |
| seien Israelflaggen beschädigt worden. 15 Vorfälle hätten sich im | |
| Wohnumfeld von Betroffenen abgespielt, etwa mit Beschmierungen von | |
| Davidsternen. Rias-Geschäftsführer Benjamin Steinitz warnte vor den Folgen: | |
| „Viele Jüdinnen und Juden schränken ihren Alltag ein, um Maßnahmen zu ihrer | |
| Sicherheit zu ergreifen.“ | |
| Faeser und ihre Länderkollegen hatten zuletzt [6][Schutzmaßnahmen für | |
| jüdische Einrichtungen hochfahren lassen]. Zudem verboten die | |
| Versammlungsbehörden in mehreren Städten antiisraelische Proteste wegen zu | |
| erwartender Straftaten. Und das BKA erreichte mit Löschersuchen an | |
| Telegram, dass der Messengerdienst eine gute Handvoll Hamas-unterstützende | |
| Kanäle in Deutschland sperrte. | |
| Faeser betonte am Mittwoch, der Schutz von jüdischen Einrichtungen habe | |
| „höchste Priorität“ und sei nochmal verstärkt worden. Scholz kündigte z… | |
| an, am Sonntag an der Eröffnung der neugebauten Synagoge in Dessau | |
| teilnehmen zu wollen. | |
| 18 Oct 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Antisemitismus-in-Deutschland/!5966810 | |
| [2] /Bundeskanzler-reist-durch-Nahost/!5967429 | |
| [3] /Pro-Palaestina-Mahnwachen-/!5967403 | |
| [4] /Bundeskanzler-reist-durch-Nahost/!5967429 | |
| [5] /Antisemitismus-in-Deutschland/!5966810 | |
| [6] /Antisemitismus-in-Deutschland/!5966810 | |
| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Antisemitismus | |
| Israel | |
| Jüdisches Leben | |
| Nancy Faeser | |
| BKA | |
| Nancy Faeser | |
| Antisemitismus | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Israel | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Israel | |
| Annalena Baerbock | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Israel | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Festnahmen in Berlin: Hamas-Männer unter Terrorverdacht | |
| Die Bundesanwaltschaft lässt vier Hamas-Mitglieder festnehmen. Sie sollen | |
| Anschläge auf jüdische Einrichtungen in Europa geplant haben. | |
| Antisemitismus und Nahost-Konflikt: Bitterer Rekord | |
| Die Meldestelle RIAS registriert einen Höchststand von antisemitischen | |
| Vorfällen in Berlin. Neu ist die Markierung von Häusern mit David-Sternen. | |
| Jüdisches Leben in Deutschland: Keine Sicherheit | |
| Brandanschläge auf Synagogen, antisemitische Parolen, großes Schweigen der | |
| vermeintlich Progressiven. Es bleibt ein Gefühl der Unsicherheit. | |
| Postkoloniale Linke und Antisemitismus: Alle auf die Straße, jetzt | |
| Auch die postkoloniale Linke muss gegen den aufflammenden Antisemitismus | |
| aufstehen – will sie sich nicht mit Rechtsextremen gemeinmachen. | |
| Nach Randale auf Pro-Palästina-Demos: „Klare Kante“ gegen Antisemitismus | |
| Es werden Konsequenzen gefordert. Auch unter muslimischen Menschen wächst | |
| die Kritik an fehlender Hamas-Distanz. | |
| Regierungserklärung von Kanzler Scholz: „Antisemitismus ist fehl am Platze“ | |
| Der Bundeskanzler kündigt ein härteres Vorgehen gegen Versammlungen mit | |
| erwartbar antisemitischen Parolen an. Es brauche nun eine klare Kante. | |
| Deutschland und der Krieg in Gaza: Ermittlungen nach Synagogen-Angriff | |
| Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin ermittelt nach dem Angriff auf eine | |
| Synagoge. Mittwochabend gab es erneut Ausschreitungen bei | |
| Pro-Palästina-Protesten. | |
| Antiisraelische Proteste in Jordanien: Für das Land der Vorfahren | |
| Nirgendwo leben mehr palästinensische Geflüchtete als in Jordanien. Die | |
| Hamas dominiert hier nicht, aber die Proteste gegen Israel nehmen zu. | |
| Versuchter Anschlag auf Synagoge: „Vor einer Woche noch unvorstellbar“ | |
| Nach einem versuchten Brandanschlag auf eine Synagoge in der Brunnenstraße | |
| in Berlin-Mitte äußern Jüdinnen und Juden Ängste vor weiteren Attacken. | |
| Pro-Palästina-Mahnwachen: Ausschreitungen in Berlin | |
| Erneut greifen Unterstützer der Palästinenser in Berlin Polizisten an. | |
| Die Union will ein Bekenntnis zu Israel zur Bedingung für Einbürgerungen | |
| machen. | |
| Antisemitismus in Deutschland: Sorge vor Flächenbrand | |
| In mehreren Städten setzen sich antiisraelische Proteste fort. Die Polizei | |
| reagiert mit Verboten. Die Linke fordert eine differenzierte Überprüfung. |