# taz.de -- Antisemitismus in Deutschland: Sorge vor Flächenbrand | |
> In mehreren Städten setzen sich antiisraelische Proteste fort. Die | |
> Polizei reagiert mit Verboten. Die Linke fordert eine differenzierte | |
> Überprüfung. | |
Bild: Pro-Palästinensischer Protest in Berlin am 15.10 | |
BERLIN taz | Schon in den kommenden Tagen sollen die antiisraelischen | |
Proteste in mehreren deutschen Städten weitergehen. Am Freitag rufen | |
[1][propalästinensische Gruppen] auch hierzulande zu einem „Generalstreik“ | |
auf. Die Polizei reagiert auf den Protest wiederholt mit Verboten. Doch | |
daran regt sich Kritik – und die Proteste finden vielerorts dennoch statt. | |
So kamen am Sonntagnachmittag in Berlin trotz Verbots rund 1.000 | |
Demonstrierende zusammen, die sich auf Seiten Palästinas stellten. Dabei | |
kam es zu [2][israelfeindlichen und Hamas-verherrlichenden Sprechchören]. | |
„Lasst die Waffen nicht fallen, lasst die Zionisten nicht laufen“ oder | |
„Intifada bis zum Sieg“, wurde auf Arabisch skandiert. Erst nach zwei | |
Stunden gelang es der Polizei, den Protest zu zerstreuen. Dabei wurden 127 | |
Demonstrierende vorläufig festgenommen, es gab 76 Strafanzeigen wegen | |
Verstößen gegen das Demonstrationsrecht. Berlins Polizeipräsidentin Barbara | |
Slowik räumte ein, dass die Polizei von der schnellen Mobilisierung | |
überrascht worden sei. Man hätte gerne „diese unerträglichen Bilder | |
verhindert“. | |
Auch in anderen Städten kam es zuletzt zu Protesten. In Düsseldorf, | |
Duisburg, Braunschweig oder Köln demonstrierten Hunderte mit teils | |
israelfeindlichen Parolen. In Köln war zuvor ein Kundgebungsverbot vom | |
Verwaltungsgericht wieder aufgehoben worden. Auch in Frankfurt/Main wurde | |
ein Demonstrationsverbot vom Verwaltungsgericht zurückgezogen, dann aber | |
vom Verwaltungsgerichtshof wieder bestätigt. Auch hier versammelten sich | |
mehrere hundert Protestierende in der Stadt verteilt. Die Polizei kesselte | |
diese teils ein. In Berlin und Dortmund wurden Davidsterne an Hauswände | |
mutmaßlicher jüdischer Bewohner:innen gesprüht. | |
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte, jeder in Deutschland | |
dürfe [3][friedlich demonstrieren]. Komme es aber zu Straftaten, sei eine | |
„rote Linie“ überschritten, dann brauche es ein „hartes polizeiliches | |
Einschreiten“, so Faeser. „Wir lassen nicht zu, dass der Terror der Hamas | |
verherrlicht und gegen Juden und den Staat Israel gehetzt wird.“ Zugleich | |
forderte Faeser muslimische Verbände auf, sich vom Hamas-Terror „glasklar“ | |
zu distanzieren. | |
Volksverhetzungsparagrafen verschärfen | |
Die Linken-Innenexpertin Martina Renner warnte dagegen davor, den Bogen zu | |
überspannen. „Solidaritätserklärungen für die palästinensische | |
Zivilbevölkerung bieten keine Grundlage für ein Verbot“, sagte sie der taz. | |
Anders sei es bei der Unterstützung von Terrororganisationen oder | |
antisemitischer Hetze. Die Versammlungen müssten stets im Einzelfall | |
geprüft werden. „Die Auseinandersetzung mit Antisemitismus wird nicht durch | |
Verbote gewonnen“, betonte Renner. „Sondern dadurch, dass überall solche | |
Äußerungen und Handlungen von allen geschlossen zurückgewiesen werden, egal | |
ob auf der Straße, in Medien oder Politik.“ | |
Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz sagte dagegen der taz, er | |
begrüße es, wenn die Behörden „ihr vollständiges Instrumentarium nutzen�… | |
um antiisraelische Demonstrationen zu unterbinden. Wo „Gräueltaten der | |
Hamas“ bejubelt und das Existenzrecht Israels infrage gestellt würden, | |
„muss dies mit aller Entschlossenheit geahndet werden“. Von Notz schloss | |
sich der Forderung von Felix Klein, Antisemitismusbeauftragtem der | |
Bundesregierung an, den Volksverhetzungsparagrafen mit Blick auf die | |
aktuellen Proteste zu verschärfen. „Wenn es hier Lücken gibt, sollten wir | |
schnell nachjustieren.“ | |
Auch Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang benannte die | |
antiisraelischen Proteste am Montag bei einer Anhörung im Bundestag als | |
„empörende Szenen“. Die Hamas verübe in Israel „unverzeihliche“ und �… | |
Terrorakte“. Auch hierzulande bestehe eine „abstrakt hohe Gefahr“ für | |
jüdische und israelische Einrichtungen und Personen. [4][Eine Gruppe wie | |
Samidoun], die solche Proteste befeuert und die das Bundesinnenministerium | |
nun verboten sehen will, habe man schon länger im Blick, erklärte | |
Haldenwang. Man arbeite „mit allen zur Verfügung stehenden Kapazitäten“, … | |
die Verbote „schnellstmöglich“ umsetzen zu können. Kanzler Scholz hatte | |
vergangene Woche ein Betätigungsverbot von Samidoun und der Hamas in | |
Deutschland angekündigt. Den genauen Zeitpunkt ließ er offen. | |
Haldenwang erklärte, dass auch weitere Gruppen im Visier stünden. Er | |
benannte diese nicht namentlich, gemeint sein dürften aber Gruppen wie | |
„Palästina spricht“. Samidoun dagegen kündigte bereits an, ein Verbot | |
rechtlich anfechten und „standhaft bleiben“ zu wollen. | |
Auch BND-Präsident Bruno Kahl warnte am Montag vor den Folgen des Kriegs in | |
Israel. Noch seien diese nicht absehbar. Aber: „Sollte die Lage weiter | |
eskalieren, droht ein Flächenbrand mit Auswirkungen, die weit über den | |
Nahen und Mittleren Osten hinausreichen werden.“ Der BND versucht derzeit | |
etwa aufzuklären, welche Schritte die Hamas unternimmt und wo sich | |
entführte Geiseln befinden könnten. | |
16 Oct 2023 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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