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# taz.de -- Muslime in Nahost-Krise: Wie predigt der Imam für Frieden?
> Verurteilen die islamischen Verbände in Deutschland den Terror der Hamas
> scharf genug? Kritiker sagen: Nein. Die Politik hat Klärungsbedarf.
Bild: Unter deutschen Dächern: Kuppel der Al-Muhajirin-Moschee in Bonn
Berlin taz | „Als Muslime verurteilen wir alle terroristischen Handlungen,
unabhängig davon, von wem sie ausgehen und gegen wen sie gerichtet sind“,
hieß es in der [1][Freitagspredigt] der Türkisch-Islamischen Union der
Anstalt für Religion (Ditib), die in der vergangenen Woche in fast 1.000
deutschen Moscheegemeinden verlesen wurde. Die Predigt ging aber auch auf
„jegliche Art von Besatzungsversuchen“ und „Embargos, die den Zugang zu d…
Grundnahrungsmitteln verhindern und einschränken“, ein – ein klarer Verweis
auf die Situation in Gaza.
Die Ditib ist der größte Islamverband hierzulande und eng mit dem
türkischen Staat verflochten. Ähnlich wie er positionieren sich auch die
anderen [2][großen Islamverbände] in Deutschland.
Am Dienstag wurden deren Vertreter ins Bundesinnenministerium nach Berlin
zitiert, um sich über „die aktuelle Lage in Deutschland nach den
Terroranschlägen der Hamas in Israel“ auszutauschen, wie es aus dem
Ministerium vage hieß. Ressortchefin [3][Nancy Faeser] (SPD) selbst nahm an
dem Termin nicht teil, erklärte aber vorab: „Die allermeisten Muslime in
Deutschland lehnen den Terror der Hamas entschieden ab. Mit ihnen müssen
wir das Gespräch suchen.“ Sie erwarte von allen islamischen Verbänden „ei…
glasklare Verurteilung des Terrors der Hamas“.
## Sprechen Muslime auch von „Terror“?
Zwar haben sich mehrere islamische und türkische Organisationen in
Deutschland in den vergangenen Tagen mit Jüdinnen und Juden solidarisiert
und zu Frieden aufgerufen. „Wir verurteilen auf das Schärfste die jüngsten
Terrorakte im Nahen Osten und sind bestürzt über die Gewalt
verherrlichenden Äußerungen und Gesten in Berlin“, hieß es etwa in einer am
vergangenen Donnerstag veröffentlichten Erklärung, die von 18 Berliner
Imamen unterzeichnet wurde. Die Verhöhnung der Opfer von Terror und Mord
seien „inakzeptabel und religiös nicht begründbar.“
Auch säkulare Organisationen wie die Türkischen Gemeinde in Deutschland
(TGD) fanden klare Worte. „Bleiben Sie besonnen! Halten Sie sich von der
Manipulation der Hamas fern, diese schadet den Muslimen in aller Welt!“,
appelierte etwa deren Bundesvorsitzender Gökay Sofuoglu an muslimische
Deutsche.
Der „Koordinationsrat der Muslime“ verurteilte sogar nur einen Tag nach dem
Großangriff der Hamas deren „Gewalt gegen Zivilisten“. Dem Verband gehören
alle großen Islamverbände an und damit die Mehrheit der über 2.600
Moscheegemeinden in Deutschland. Kritik entzündete sich allerdings daran,
dass in dieser ersten Erklärung das Wort „Terror“ fehlte. Das stieß
Politikern wie Jens Spahn (CDU) und Cem Özdemir (Grüne) übel auf.
„Als wir die Erklärung vor zehn Tagen formuliert haben, verfügten wir noch
nicht über das Wissen von heute über das ganze Ausmaß der Gewalt“, sagte
Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime (ZMD) am Dienstag gegenüber der taz
entschuldigend. Der Angriff sei „eindeutig als Terror zu bezeichnen“.
Mazyek warnte aber auch vor einer weiteren Eskalation: Die [4][Zahl der
Toten in Gaza] steige gerade unaufhörlich.
## Hetze bei Pro-Palästina-Demos
Zusätzliche Brisanz erhielt das Treffen am Dienstag durch zahlreiche
propalästinensische Demonstrationen in den vergangenen Tagen, bei denen
einige Teilnehmer den Terrorangriff der islamistischen Hamas relativierten
oder bejubelten. [5][In Berlin wurde die Polizei am Sonntag von einer
Pro-Palästina-Demo überrumpelt], zu der statt der angekündigten 50 über
1.000 Menschen kamen. Die Polizei setzte Reizgas und Schlagstöcke ein, um
sie aufzulösen.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan,
mahnte an, man müsse jedoch differenzieren: „Man kann nicht alle Menschen,
die sich legitime Sorgen machen um die Situation in Palästina, in einen
Topf werfen mit Menschen, die wirklich menschenverachtende Aussagen
bejubeln oder sie selbst tätigen“, sagte die SPD-Politikerin am Dienstag
gegenüber dem TV-Sender RTL.
Der Zentralrat der Muslime war am Dienstag als einziger der großen
Islamverbände nicht ins Bundesinnenministerium eingeladen worden. „Ich
haben das bedauernd zu Kenntnis genommen“, sagt Aiman Mazyek. Es sei
notwendig, dass gerade jetzt alle an einem Strang zögen, um den
gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern. „Da geht gerade viel kaputt.“
## Krisengespräch in Düsseldorf
Bereits am Montag hatten sich die vier wichtigen islamischen Verbände in
Nordrhein-Westfalen in der Düsseldorfer Staatskanzlei mit deren Chef
Nathanael Liminski (CDU) getroffen. Bei diesem Treffen war der Zentralrat
dabei- „Wir werden nicht zulassen, dass die terroristischen Angriffe der
Hamas auf unseren Straßen bejubelt oder auch nur relativiert werden“, hieß
es anschließend in einer gemeinsam Erklärung. Jegliche Form von
Antisemitismus habe in Nordrhein-Westfalen „keinen Platz“. In
Nordrhein-Westfalen leben rund ein Drittel aller Muslime in Deutschland.
Ein weiteres Krisengespräch gab es am Dienstag im Bundestag. Dorthin hatten
die religionspolitischen Sprecher*innen und Berichterstatter*innen
von SPD, FDP, Union, Grünen und Linkspartei die Islamverbände der Deutschen
Islamkonferenz zu einem kurzfristig eingeladen.“ Alle anwesenden Verbände
waren sich einig, dass die Gräueltaten der Hamas gegen die israelische
Bevölkerung uneingeschränkt zu verurteilen und die Geiseln von der Hamas
unverzüglich freizulassen sind“, erklärte Lamya Kaddor, die
religionspolitische Sprecherin der Grünen, anschließend. Man werde nicht
zulassen, dass „terroristische Angriffe der Hamas auf unseren Straßen
bejubelt oder relativiert werden“.
17 Oct 2023
## LINKS
[1] /Muslime-in-Deutschland/!5962318
[2] /Deutsche-Islamkonferenz/!5902134
[3] /Auftakt-der-Deutschen-Islamkonferenz/!5896905
[4] /Humanitaere-Lage-in-Gaza/!5963593
[5] /Israelfeindlichkeit-in-Berlin/!5963439
## AUTOREN
Daniel Bax
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