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# taz.de -- CDU-Verkehrspolitik in Berlin: Von Verkehrswende zu Autokonstante
> Die Berliner CDU will das Mobilitätsgesetz ändern. Sie will den Vorrang
> fürs Auto erhalten und weniger Platz für Rad- und Fußverkehr.
Bild: Bei der CDU haben die siebziger Jahre angerufen: Sie wollen die Autostadt…
Berlin taz | Während Berlins Autofahrer*innen pro Jahr
[1][durchschnittlich 71 Stunden im Stau] stehen, plant die CDU weitere
Geländegewinne für den motorisierten Individualverkehr auf Berlins
Betonpisten. Man könnte sagen: Die Union setzt den Koalitionsvertrag mit
der SPD um, dennoch empören sich insbesondere viele radaffine
Protagonist*innen über die jüngst bekannt gewordenen Pläne der
CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus.
Deren Änderungsentwurf für das Mobilitätsgesetz nämlich zeigt, wie sich die
Union die Wende von der Verkehrswende konkret vorstellt: Schmalere Radwege,
Vorbehalte gegen Spielstraßen, und der Vorrang für Fußgänger*innen und
Radfahrende soll abgeschafft werden. Zuerst berichtete der [2][RBB über den
Entwurf], der auch der taz vorliegt und sich zusammenfassen lässt mit:
All-in fürs Auto. Im alten Mobilitätsgesetz war die Rede vom Vorrang des
Radverkehrs gegenüber dem Auto. Im CDU-Änderungsentwurf heißt es nun, dass
Radnetz, ÖPNV, Fuß- und Wirtschaftsverkehr sich nicht gegenseitig
verdrängen sollten. Konkret dürfte das heißen: Hier bleibt alles so, wie es
ist.
Hinzu kommen schmalere Wege für alles außer für Autos: Im Mobilitätsgesetz
der rot-rot-grünen Koalition sollte auf allen Radwegen noch genug Platz
sein, damit sich Radelnde überholen können. Bisher sollte etwa ein
[3][Radweg an Hauptstraßen 2 bis 2,50 Meter umfassen], damit auch
Lastenräder überholbar sind. Damit ist wohl Schluss: Neues Mindestmaß für
gemeinsame Rad- und Fußwege sollen 2,50 Meter sein. Ein Einrichtungsradweg
soll künftig zwischen 2 und 1,50 Meter breit sein, ein Radfahrstreifen 1,85
Meter. Möglicherweise steigende Radnutzung im Zuge einer Verkehrswende soll
nicht mehr zu berücksichtigen sein, heißt es. Und wenn man schon den
Rotstift zur Hand hat: Auch personell soll abgespeckt werden. Die CDU sieht
künftig weniger Stellen für Radverkehrsplanung vor – nur noch eine statt
zwei Vollzeitstellen pro Bezirk.
Unangenehm wird für viele auch folgende Passage sein: Galt bisher für
Fußgänger*innen „Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr“, ist
es damit vorbei. Fußgänger-Vorrang soll unter Vorbehalt von „Anforderungen
und Bedürfnissen anderer Verkehrsteilnehmer“ gestellt werden. Spielstraßen
für Kinder können aus Sicht der CDU anscheinend auch gleich mit weg – statt
ausdrücklich Förderung der Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung steht im
CDU-Entwurf, dass die Einrichtungen „geprüft“ werden sollen. Eine Passage
zum Zurückdrängen von Autoverkehr in den Kiezen ist im CDU-Entwurf gänzlich
gestrichen.
## Strittige Personalie in Verkehrsverwaltung
Die CDU will am Dienstag in ihrer Fraktionssitzung über den Entwurf beraten
und ihn möglicherweise beschließen. Spannend wird, wie die SPD auf den
Vorstoß reagiert. Der verkehrspolitische Sprecher der CDU, Johannes Kraft,
erging sich gegenüber dem RBB in Euphemismen: „Wir wollen für alle
Verkehrsteilnehmer Leistungsfähigkeit, Sicherheit und Angebot neu
definieren“, behauptete er – es gehe um pragmatische Lösungen und schnelle
Umsetzung.
Für mehr Aufregung insbesondere in der grünen Opposition sorgte unterdessen
eine Personalie in der Verkehrsverwaltung von Manja Schreiner (CDU). Dort
soll [4][nach Informationen des Newsletters Table Media] aus Senatskreisen
offenbar Stephanie von Ahlefeldt die neue Berliner Verkehrspolitik
gestalten. Die 54-Jährige war unter Peter Altmaier (CDU) für die
Energiewende verantwortlich – unter ihrer Leitung haben es etwa zentrale
Forderungen [5][von Windkraftgegner*innen ins Klimapaket] geschafft,
wie Grüne und Klimabewegung kritisierten, sie galt als [6][„verlängerter
Arm der Energiewendegegner“].
Die Ausschreibung der übergeordneten Leitung der Berliner Verkehrspolitik
stammte noch aus Zeiten der grünen Senatorin Bettina Jarasch. Und auch
Änderungen in der Stellenanzeige werfen Fragen auf, so wurde der
Ausschreibungstext angepasst. Eine „unabdingbare“ Voraussetzung, die
Ahlefeldt nicht erfüllte, wurde gestrichen: „einschlägige langjährige
Berufs- und Leitungserfahrungen im Bereich Verkehr, insbesondere in der
Verkehrspolitik und Verkehrsentwicklungsplanung und Mobilität sowie
Erfahrungen im Umgang mit Verkehrsträgern“. Neu reingekommen ist dafür eine
auf die Spitzenbeamtin maßgeschneiderte Bedingung: „Leitungserfahrungen im
Bereich verkehrlicher, digitaler und/oder leitungsgebundener
Infrastrukturen.“
Grünen-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Werner Graf, ist offensichtlich
deutlich verärgert über die Personalie und nannte von Ahlefeldt „Dark
Voldemort der Energiewende“, die nun auf die Berliner Verkehrspolitik
losgelassen werden solle. Die Stellenbesetzung habe „mehr als ein
Geschmäckle“, so Graf. „Es steht der Verdacht im Raum, dass hier nicht nach
Qualifikation, sondern nach Ideologie entschieden und eine
CDU-Parteifreundin versorgt werden sollte“. Zusammen mit dem Entwurf der
CDU-Fraktion für die Zukunft von Berlins Verkehrspolitik würde es
jedenfalls gut ins Gesamtbild passen.
17 Sep 2023
## LINKS
[1] https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2023/01/berlin-stau-verkehr-zeitverlu…
[2] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2023/09/berlin-cdu-manja-schreiner-mob…
[3] https://www.tagesspiegel.de/berlin/kritik-an-berliner-radwegplanung-wegner-…
[4] https://table.media/berlin/analyse/berliner-verkehrssenat-eine-personalents…
[5] https://www.zeit.de/2021/21/energiewende-lobbyismus-klimakrise-cdu-joachim-…
[6] /Neuer-Kurs-im-Wirtschaftsministerium/!5638499
## AUTOREN
Gareth Joswig
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