| # taz.de -- Sommerserie „Wie riecht Berlin“ (8): Es stinkt nach Sommer | |
| > Je heißer es ist, desto schlimmer wird der Gang zur Biotonne. Warum | |
| > riecht ausgerechnet die Natur in der sommerlichen Stadt so fürchterlich? | |
| Bild: Wimmelbild mit Maden | |
| BERLIN taz | Wer im Sommer im Dunstkreis einer Kehrmaschine landet, den | |
| kann schon schon mal der Würgereiz packen. Metallisch riecht es, | |
| gleichzeitig nach einer warmen Fäule. Und wabert da nicht ein Hauch von | |
| Scheiße mit hinein? Besser nicht so genau hinriechen … Die Straße sieht | |
| sauber und feucht aus, wie frisch gewischt. Doch das täuscht: Der dunkle | |
| Streifen auf dem Asphalt, den die Kehrbesen hinterlassen, ist eine in den | |
| Straßenbelag hineingeriebene Mischung aus zerbröselten Lindenblättern, | |
| verwelktem Gras und modrig-fauligem Wasser, die nun langsam in den von der | |
| Sonne erhitzen Asphalt hineintrocknet – und dabei bestialisch stinkt. | |
| Kann man einer Kehrmaschine noch entkommen, ist das bei der Biomülltonne | |
| nicht so leicht. Die Berliner Stadtreinigung (BSR) empfiehlt, den in der | |
| Küche gesammelten Biomüll alle paar Tage zu leeren. Doch dazu bräuchte es | |
| idealerweise drei Hände: Eine zum Aufhalten des Deckels, eine zum Entleeren | |
| des Behälters und eine dritte, um sich die Nase zuzuhalten. Denn je heißer | |
| es wird, desto stechender wird der Gestank, der einem süßlich-scharf | |
| entgegenwabert – während am Tonnenrand die Maden wimmeln. | |
| Im besten Fall ruft der Geruch am Mülleimer Erinnerungen an den Urlaub in | |
| einer Stadt am Mittelmeer in Erinnerung. Denn nicht nur das Eis und die | |
| Pizza schmecken besser, wenn es so richtig heiß ist. Auch der Müll stinkt | |
| leider doller. | |
| Die BSR widmet dem Gestank aus der Tonne eine Rubrik auf ihrer Webseite. | |
| Und es zeigt sich: Hier kann die taz mal ganz handfest Abhilfe schaffen. | |
| Denn gegen unangenehme Gerüche und auch Ungeziefer hilft: Zeitungspapier. | |
| Trenner*innen können damit sowohl [1][die große Tonne als auch ihren | |
| Sammelbehälter auslegen], und sogar den in ihrer Küche anfallenden Biomüll | |
| in Zeitungsseiten einwickeln – laut BSR empfiehlt sich das gerade für | |
| feuchte Bestandteile. Außerdem rät die BSR, die Biotonne an einem | |
| schattigen Platz aufzustellen. | |
| ## Erwünschte Verrottung | |
| „Was in der Tonne und auf der Straße passiert, ist eigentlich erwünscht“, | |
| sagt Andrea Hedrich, „aber es passiert zu früh“ – nämlich noch in den | |
| Wohngebieten. Als ehrenamtliche Abfallberaterin vermittelt Hedrich in | |
| Workshops, wie man Wertstoffe sammelt, Müll trennt und Abfall vermeidet – | |
| und wie das die Umwelt schont. „Es stinkt, weil der Biomüll oder die | |
| Blätter und anderen Pflanzenreste auf der Straße verrotten“, sagt sie. | |
| „„Alles Organische verrottet, wenn es abstirbt, und Fäulnisbakterien sorgen | |
| dann für unangenehme Gerüche.“ Im Sommer geht das schneller als im Winter. | |
| Und dabei entstehen stinkende Gase. | |
| Diese Gase macht sich die BSR zunutze: Ein Teil dessen, was die | |
| Berliner*innen in die Biotonne schmeißen – jährlich fast 70.000 t – | |
| landet direkt in ihrer Biogasanlage in Ruhleben. Dort wird der Biomüll | |
| vergoren, und dabei entsteht Biogas, das nach seiner Aufbereitung zu 98 | |
| Prozent aus Methan besteht und Erdgas ähnelt. Die BSR betankt damit ihre | |
| Müllfahrzeuge. | |
| Aus ihrer Sicht eine perfekte Kreislaufwirtschaft: 2,5 Millionen Liter | |
| Diesel müsste die Stadtreinigung sonst jedes Jahr einkaufen. Und rund 9.000 | |
| Tonnen Kohlendioxid werden so eingespart, [2][heißt es auf der | |
| BSR-Webseite]. Das Vergären zu Biogas sei im Übrigen klimafreundlicher als | |
| die Kompostierung, bei der mehr klimabelastendes Methan und Lachgas in die | |
| Atmosphäre entwichen. | |
| „Biomüll und Kehrgut stinken, wenn sie nass sind. Je trockener die | |
| Biomasse, desto weniger riecht es“, sagt Hedrich und erklärt, dass sie | |
| selbst den Biomüll trocknen lässt. Denn die Mikroorganismen, die die | |
| Pflanzen abbauen, brauchen Sauerstoff. Zu viel Wasser und zu wenig | |
| Sauerstoff führen dagegen zur Faullung. Dabei entstehen – neben dem | |
| geruchslosen Methan – Ammoniak, das oft nach Urin riecht, und Schwefelgase | |
| mit dem typischen Geruch verfaulter Eier. | |
| ## Am besten trocken lagern | |
| „Auch Mülltüten fördern den Gestank“, weiß Hedrich. „Da kommt keine L… | |
| den Abfall dran und es entsteht ebenfalls Wärme.“ Plastik-Mülltüten, auch | |
| vermeintlich „biologisch abbaubare“ Plastiktüten, gehörten nicht in den | |
| Biomüll, erklärt sie. Diese müssten händisch von der BSR aussortiert | |
| werden, da sie die Maschinen stören und teils sogar zum Stillstand | |
| brächten. Auch würden sie nicht wirklich verrotten. Hedrich empfiehlt | |
| daher, Biomüll täglich rauszubringen und möglichst luftig aufzubewahren – | |
| etwa in der Biosammeltonne der BSR, deren seitliche Ausstanzungen einen | |
| gewissen Luftaustausch zulassen. „Es wäre außerdem gut, wenn die BSR die | |
| Tonnen öfter leeren würden“, sagt Hedrich. | |
| Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) kritisiert, dass immer noch viel | |
| zu viel Biogut im Restmüll landet. „70 Prozent des Gewichts gehört da | |
| eigentlich gar nicht rein, und 40 Prozent wären eigentlich Biogut“, sagt | |
| Tobias Quast-Malur, Referent für Abfall- und Ressourcenpolitik beim | |
| BUND-Landesverband. „Mit den feuchten Lebensmittelresten, die in den grauen | |
| und schwarzen Tonnen landen, könnte Berlin eine zweite Biogas-Anlage | |
| betreiben.“ Eine Forderung, die der BUND schon seit Langem erhebt. | |
| Quast-Malur kritisiert auch, dass die BSR beim Abtransport den kürzesten | |
| Weg wählt – was bedeutet, dass sie den Bioabfall im Westen meist nach | |
| Ruhleben bringt, im Osten aber eher ins brandenburgische Rüdersdorf. Dort | |
| steht eine weitere Anlage der BSR, in der vor allem kompostiert wird. | |
| „Dabei geht das Methan wieder direkt in die Atmosphäre. Dabei könnten | |
| [3][die feuchten Anteile auch vergoren werden]“, sagt er. Eigentlich habe | |
| die BSR sich schon lange verpflichtet, alle Bioabfälle komplett zu | |
| vergären. „Aus den verbleibenden Resten entsteht am Ende übrigens immer | |
| noch Kompost“, sagt Quast-Malur. | |
| ## Mehr Kommunikation mit Mieter*innen | |
| Beraterin Andrea Hedrich findet, die BSR müsse mehr aufklären. „Berlin will | |
| Zero-Waste-Stadt werden, aber dafür bräuchte es mehr Kommunikation, wie | |
| Müll vermieden werden kann“, sagt sie. Die BSR richtet sich ihrer Ansicht | |
| nach viel zu wenig an die Mieter*innen, die viel Spielraum für einen | |
| schonenden Umgang mit Ressourcen hätten. „Für die BSR sind die | |
| Hauseigentümer und die Hausverwaltungen die Kund*innen“, sagt sie. „Aber | |
| das sind nicht diejenigen, die den Müll erzeugen oder trennen.“ In ihren | |
| Workshops erlebe sie immer wieder, wie engagiert die Teilnehmer*innen | |
| seien, wenn sie mehr über die Hintergründe erfahren. | |
| Die BSR wiederum sagt, sie versuche durch Information in den sozialen | |
| Medien, Kampagnen, Flyer, die Website und Umweltbildung, die Mengen in der | |
| Biotonne zu steigern. „Unsere Kommunikation zum Thema Biogut zielt darauf | |
| ab, die Biotonne zum Gesprächsthema in der breiten Öffentlichkeit zu machen | |
| und dadurch mehr Bürgerinnen und Bürger zu einer besseren Getrenntsammlung | |
| zu motivieren“, sagt ein Sprecher auf Nachfrage der taz. Besonders viel | |
| Potenzial liege noch im Innenstadtbereich. | |
| Man habe im Rahmen eines Pilotprojekts mit einer Wohnungsbaugenossenschaft | |
| bereits einen „Wertstoffscanner“ getestet – „um zu untersuchen, wie sau… | |
| der Bioabfall getrennt wird“, erzählt der Sprecher. Diese Messtechnik | |
| untersucht den Inhalt der Schüttwanne eines Abfallsammelfahrzeugs. In der | |
| halbjährigen Untersuchung, die bis März 2023 in einigen Wohnanlagen lief, | |
| hätten die Mieter*innen auch Infoschreiben erhalten. „Die Ergebnisse | |
| werden aktuell ausgewertet“, so der BSR-Sprecher. | |
| Der BUND fordert, dass Mieter*innen durch intelligente Abfallsysteme | |
| belohnt werden, wenn sie gut trennen und möglichst wenig in der | |
| Restmülltonne landet. Berlin soll Zero-Waste-Stadt werden, entsprechend | |
| sagt auch die BSR, das Ziel sei „Nullverschwendung“, für das sie sich etwa | |
| mit der Zero-Waste-Agentur, Kiez-Sperrmülltagen und Verschenkemärkten | |
| einsetzten. Denn natürlich geht es am Ende vor allem darum, den Müll von | |
| Anfang an zu vermeiden. Nicht nur wegen des Gestanks. | |
| 12 Sep 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.bsr.de/bioabfall-20009.php#tab_26621 | |
| [2] https://www.bsr.de/biogasanlage-22250.php | |
| [3] https://www.bund-berlin.de/themen/klima-ressourcen/abfall/bioabfaelle/ | |
| ## AUTOREN | |
| Uta Schleiermacher | |
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