| # taz.de -- Positiv bleiben: Juhu, das Patriarchat ist am Ende | |
| > Manchmal erscheint alles hoffnungslos. Doch es gibt jeden Tag Gründe, | |
| > aufs Neue zu entscheiden, optimistisch zu bleiben. | |
| Bild: Optimistisch bleiben: Ob ein Fisch anbeißt oder die Welt besser wird | |
| Es gab dieses kleine Rinnsal bei uns in Gonsenheim, den Gonsbach. Als ich | |
| sieben Jahre alt war und mich mit einem Köcher bewaffnet auf den Weg | |
| dorthin machte, lachten mich alle aus. Meine Eltern glaubten nicht im Traum | |
| daran, dass they siebenjährige Maurice dort einen Fisch fangen könnte. Auch | |
| die Anwohner*innen vor Ort kommentierten mein geplantes Abenteuer | |
| lächelnd: „Da gibt’s kei’ Fisch.“ | |
| Da stand ich nun, mit meinem Köcher und einer kleinen Wasserschale in der | |
| Hand, auf der Suche nach meinem ersten kleinen Haustier. Ich hatte Glück. | |
| Und ich werde den staunenden Blick eines Bachanwohners nie vergessen, als | |
| ich ihm triumphierend meinen kleinen neuen Begleiter zeigte. | |
| Ich bin Optimist*in. Und ich sage das nicht nur so, ich meine das wirklich. | |
| Ich war es schon immer irgendwie. Nur gerade frage ich mich manchmal: Mit | |
| welchem Recht? Wir verfehlen wahrscheinlich das 1,5-Grad-Ziel. In unserer | |
| Gesellschaft brechen die Dämme nach rechtsaußen, Antisemitismus wird zur | |
| Jugendsünde erklärt und ich spüre, wie der Hass auf queere Menschen jedes | |
| Jahr wächst. Diese Welt bietet keinen Grund, optimistisch zu sein, oder? | |
| Schlimmer noch: Ist Optimismus nicht irgendwie verhöhnend gegenüber dieser | |
| brutalen Realität? Ist es Realitätsverweigerung oder ist es Arroganz? | |
| Woher mein Optimismus kommt, weiß ich nicht. Und er macht auch mal Pausen. | |
| Ich weiß noch, wie wütend ich war, als die Bundesregierung ankündigte, die | |
| Sektorziele [1][beim Klimaschutz abzuschaffen], um sich nicht mit dem | |
| eigenen Scheitern auseinanderzusetzen. Kurz schien es, als wäre auch mir | |
| der Optimismus abhandengekommen. Oft dachte ich, das ist vielleicht meine | |
| Bewältigungsstrategie, um nicht aufzugeben. Aber dann denke ich darüber | |
| nach und merke: Ich glaube wirklich an ein gutes Ende. | |
| ## Auf lange Sicht wurde die Welt immer besser | |
| Ich glaube, dass es einen [2][Wendepunkt in der Klimadebatte] geben wird. | |
| Keinen plötzlichen, keinen, der alle Probleme auf einmal löst, aber doch | |
| einen, den man hinterher als solchen erkennen wird. Ich glaube, dass die | |
| Gesellschaft irgendwann nicht mehr nach rechts rucken wird, dass Menschen | |
| aufhören werden, schlecht zueinander zu sein. | |
| Ich glaube, dass [3][die Kämpfe gegen queere Menschen] und ihre Existenz | |
| ein letztes Aufbäumen des Patriarchats sind. Dass queere Menschen deshalb | |
| so bedroht werden, weil es für das Patriarchat zum ersten Mal richtig ernst | |
| wird. | |
| Solange wir wie ein paar verwirrte Paradiesvögel gesehen wurden, die | |
| maximal in der Kunst und Kulturszene auffielen, hat sich dieses System nie | |
| bedroht gefühlt. Aber jetzt, [4][da eine Generation Z] heranwächst, die | |
| emanzipatorische Fragen neu aufrollt und sie gemeinsam mit queeren Menschen | |
| formuliert, wird es ernst. | |
| Wenn ich das so aufschreibe, fällt mir auf, dass man das als Verharmlosung | |
| dieser Kämpfe sehen könnte. So, als wäre das alles halb so wild, weil am | |
| Ende ja alles gut wird. Aber das will ich nicht sagen, im Gegenteil: Es ist | |
| schrecklich. Aber ich bin eben Optimist*in. Und wenn man es statistisch | |
| betrachtet, habe ich dafür gute Gründe. | |
| Denn die Welt wurde bis jetzt auf lange Sicht immer besser. Klar, mit | |
| großen Rückschlägen, aber es ging doch kontinuierlich bergauf. Und | |
| irgendwas in mir glaubt, dass diese Kontinuität anhalten wird. Ich weiß, | |
| dafür muss man vieles ignorieren, was im Hier und Jetzt stattfindet. Aber | |
| ich glaube, es ist richtig. Weil ohne Optimismus würde ich für nichts mehr | |
| kämpfen wollen. Gut, dass ich da also tatsächlich dran glaube. | |
| 10 Sep 2023 | |
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| Maurice Conrad | |
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