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# taz.de -- Sommerserie „Wie riecht Berlin“ (6): Cool bleiben in der Hasenh…
> Die Hasenheide soll klimaresilient umgebaut werden, auch mit Wasser aus
> dem Columbiabad. Womöglich riecht es dann nach Chlor statt Heu und Staub.
Bild: Mäßig grün in der Hasenheide
Berlin taz | Wer durch die Hasenheide flaniert, dem begegnet eine Vielzahl
an Gerüchen: Neben dem Gestank von Müll, stellenweise auch von Kot und Urin
sowie den typischen Ausdünstungen der [1][Tiere im Streichelzoo] gibt es
auch ansprechende Gerüche: An den abgezäunten Bereichen, die seit dem
Frühjahr an vielen Stellen in Neuköllns Volkspark zu finden sind und wo die
Wiesen auch im Hochsommer noch saftig grün sind, riecht es angenehm nach
Gras. Ein Geruch, der umso intensiver wird, je mehr die Bereiche gewässert
werden. Nicht zu verwechseln mit dem Gras-Aroma, das einem von den Menschen
auf den Parkbänken oder Picknickdecken entgegenwabert.
Verlässt man die geschützten Bereiche, vorbei an den Baumgruppen, die einen
unerwarteten Waldgeruch verströmen, hin zu den großen Liegewiesen, ist es
vielerorts eher der Geruch nach Heu und Staub, der einem in die Nase
steigt. Kein Wunder, der 50 Hektar große Park wird von den Berliner*innen
gerne und häufig genutzt. Ob tagsüber zum Entspannen, Joggen oder
Gassigehen oder [2][nachts zum Feiern] – die Hasenheide kommt eigentlich
nie zur Ruhe.
Auch der Klimawandel hinterlässt seine Spuren: Die Sonne brennt im Sommer
erbarmungslos auf die Wiesen, die trockenen und verdichteten Böden können
den Starkregen kaum aufnehmen, weshalb das kostbare Nass ungenutzt in die
Kanalisation abfließt. Den vielen Stress sieht man dem Park auch an: Am
augenfälligsten sind die im Hochsommer oftmals eher steppenartigen gelben
Rasenflächen. Weniger sichtbar sind die Schäden, die die Hitze an den
Bäumen verursacht: Mehr als 400 Bäume und damit 10 Prozent des gesamten
Bestands mussten in den vergangenen drei Jahren gefällt werden.
„An gelbe Wiesen werden wir uns gewöhnen müssen. Nicht jedoch daran, dass
uns die Bäume hier wegsterben“, sagt Bezirksstadtrat Jochen Biedermann. Es
ist Vormittag, noch ist die mittägliche Hitze nur zu erahnen. Der
Grünen-Politiker steht im Schatten und betrachtet zufrieden die grüne Wiese
hinter der Absperrung. Eine Frau kommt hinter dem Zaun hervor und gibt
Auskunft über den aktuellen Stand: „Die Feuchtigkeitssensoren sind fast so
weit“, sagt sie. Biedermann nickt zufrieden. „Das ist Pionierarbeit, die
wir hier machen“, sagt er stolz.
„Umbau [3][Klimaresiliente Hasenheide]“ steht auf einem Schild am Bauzaun.
Fünf Millionen Euro Fördermittel aus dem Bundesprogramm „Anpassung urbaner
Räume an den Klimawandel“ stehen bis 2025 zur Verfügung, um den Park fit zu
machen für die veränderten klimatischen Verhältnisse. Was genau mit dem
Geld geschehen soll, wird seit diesem Frühjahr hinter dem Bauzaun erprobt.
## Resilienter Rasen
„Wir testen hier verschiedene Rasenmischungen, die gut mit Trockenheit
auskommen oder trittresistent sind“, erklärt Biedermann. Mit Klee werde
zudem versucht, den Boden zu lockern, und auch neue schattenspendende Bäume
wurden gepflanzt. Verschiedene Arten von Buchen, Eichen und Linden,
heimische und nichtheimische – Hauptsache, sie sind widerstandsfähig. Rund
30 Stück wurden bislang gepflanzt, insgesamt sollen es rund 600 werden.
„Wenn man jetzt nichts tut, wird es den Park in 50, 60 Jahren so nicht mehr
geben“, sagt Andreas Kurths. Der Landschaftsarchitekt hat den Pflege- und
Entwicklungsplan für die klimaresiliente Hasenheide entwickelt, der in
dieser Form einzigartig ist. „Konzepte für klimaresiliente Parks gibt es so
noch nicht, wenn, dann [4][eher für Wälder]“, sagt Kurths. Auch weil
Maßnahmen aus anderen, traditionell heißeren Ländern nicht einfach so
übertragbar seien, da es dort ganz andere Baum-, Pflanzen- und Tierarten
gebe.
Es ist also sozusagen Neuland, was da in der Hasenheide passiert. Eine
Arbeit, die sich erst in ferner Zukunft auszahlen wird. „Effektiv erkennbar
werden die Maßnahmen erst in 30 bis 50 Jahren sein“, sagt der Umweltplaner.
Bis dahin will [5][Berlin längst klimaneutral] sein. An den heutigen
Anblick müssten sich die Berliner*innen allerdings so oder so gewöhnen.
„Wenn wir den Status quo erhalten können, ist das schon ein Erfolg.“
Umgesetzt wird der Entwicklungsplan von dem Landschaftsarchitekturbüro
Planstatt Senner, das ein Konzept dafür entwickelt hat. „Wir wollen das
Selbstheilungspotenzial des Parks fördern“, sagt Gründer Johann Senner.
„Der Hasenheide geht es wirklich schlecht.“ Mit den bisherigen Ergebnissen
der Testphase ist er allerdings zufrieden. „Alle Bäume sind bisher
angewachsen, das ist sehr gut.“ Auch die exakte Zusammensetzung des
Lehmgemischs, mit dem das Regenwasser in der Erde gehalten werden soll, ist
mittlerweile gefunden.
## Wasser von außen
Überhaupt ist das mit der Bewässerung so eine Sache. „Der Park wird Wasser
von außen brauchen“, sagt Senner mit Blick auf die immer häufigeren Dürren.
In Zeiten von Klimakrise und Wassermangel könne die Lösung jedoch nicht in
der Nutzung von kostbarem Trinkwasser liegen. Also hatten die
Landschaftsarchitekten eine Idee, die so genial wie einfach ist: Warum
nicht das Wasser aus dem nahe gelegenen Columbiabad nehmen? „Jedes Frühjahr
werden alle Becken des Freibads abgelassen – also genau dann, wenn die
Bäume viel Wasser brauchen.“
Ganze fünf Millionen Liter Wasser werden laut Sprecherin der Berliner Bäder
Betriebe im Frühling, bevor die Becken für die neue Saison vorbereitet
werden, aus dem Sommerbad Neukölln abgelassen. Chlor sei dann zwar keines
mehr drin, aber sauber sei das Wasser dann eben auch nicht. Die
Bäderbetriebe würden dieses Wasser oftmals als Abwasser entsorgen – außer
im Sommerbad Olympiastadion, wo es in ein nahe gelegenes Gewässer geleitet
werde.
Warum das überschüssige Wasser also nicht in die Hasenheide leiten, wo es
dringend gebraucht wird? Zumal auch während der Saison regelmäßig Wasser
aus dem Freibad abgelassen wird, um es auszutauschen. „Im Tagesverlauf wird
permanent Frischwasser zugeführt und gechlortes, verunreinigtes Wasser
entnommen“, so die Sprecherin. Dass dieses Wasser gechlort ist, ist laut
Landschaftsarchitekt Johann Senner kein Problem. „Das Chlor verflüchtigt
sich relativ schnell“, sagt er.
Riecht es in der Hasenheide also bald nach Chlor statt nach Heu? Gespräche
mit den Bäderbetrieben und den Landschaftsarchitekten gab es bereits im
vergangenen Jahr, laut Senner haben sich alle Beteiligten offen für den
Vorschlag gezeigt. Auch, dass das Regenwasser von den umliegenden Dächern
in die Hasenheide geleitet wird, sei an sich kein Problem. „Das kann man
sofort machen, da muss man nur eine Leitung legen. Innerhalb von einem Jahr
könnte das funktionieren.“
Könnte. Wenn es da nicht die Bürokratie gebe. Stadtrat Biedermann lächelt
gequält. „Anfangs denkt man, es kann ja nicht so schwer sein, einen Baum zu
pflanzen oder Wasser in den Park zu leiten. Und dann ist es oft doch sehr
kompliziert.“ Wenn Wasser den Besitzer wechselt, gebe es viele rechtliche
Hürden. Außerdem müssten am Ort der Versickerung viele Voraussetzungen
erfüllt werden wie Schadstofffreiheit und Eignung des Untergrunds. Dafür
müssten Gutachten erstellt und viele Gespräche geführt werden. Passiert ist
hier allerdings bislang noch nichts. „Ich rechne nicht damit, dass das bis
2025 passiert“, sagt Biedermann.
## Hohe Kosten
Danach gibt es vom Bund jedoch kein Geld mehr. Und die Zuwendungen vom
Berliner Senat allein werden für den Umbau des Parks nicht reichen. 300.000
Euro pro Jahr bekommt Neukölln für die Hasenheide. Ein Drittel davon geht
allein für die Müllentsorgung drauf. „Der Parkumbau wird in drei Jahren
nicht zu Ende sein“, prophezeit Stadtrat Biedermann. Um weitermachen zu
können, brauche es „eine relevante Mittelaufstockung“.
Laut Landschaftsarchitekt Johann Senner wäre das gut investiertes Geld.
Schließlich dienen innerstädtische Grünflächen der Lebensqualität der
Menschen und dem Klimaschutz. Sie stärken die Artenvielfalt, bieten
Lärmschutz, filtern Ruß und Staub aus der Luft und kühlen die Temperaturen
in der versiegelten Stadt. Zumal von den Erfahrungen in Neukölln später
auch andere Parks profitieren können. „Die Hasenheide macht’s vor“, sagt
Senner, dessen Büro auch den Volkspark Mariendorf und die Schlossanlage
Charlottenburg betreut.
Damit auch andere Parks zu grünen Lungen werden, die dem Klimawandel
trotzen, müssen die im Kleinen gesammelten Erfahrungen erst einmal in der
gesamten Hasenheide umgesetzt werden. „Es geht jetzt in großen Schritten
voran“, sagt Senner. Ab Herbst soll es großflächige Absperrungen geben, um
die Pflanzungen auszuweiten. „Dafür brauchen wir die Akzeptanz der Nutzer“,
sagt Bezirksstadtrat Biedermann. Mit [6][Führungen für Besucher*innen]
und Informationsschildern klappe dies bislang ganz gut.
Ob die Zäune auch stehen bleiben, wenn sehr viel weniger Platz zum Abhängen
zur Verfügung stehen wird, steht auf einem anderen Blatt. Auf dem Weg zum
Ausgang Richtung Hermannplatz tummeln sich schon am frühen Nachmittag
zahlreiche Menschen auf den Wiesen. Dort angekommen steigt einem der
Gestank von Autoabgasen in die Nase. Daran wird allerdings auch der
klimaresiliente Umbau von Parks nichts ändern.
30 Aug 2023
## LINKS
[1] /Berliner-Hasenheide/!5531059
[2] /Party-muss-Muell-muss-nicht/!5699194
[3] /Klimaresilienter-Volkspark-Hasenheide/!5886522
[4] /Klimafolgen-fuer-die-Berliner-Waelder/!5893848
[5] https://www.berlin.de/sen/uvk/klimaschutz/klimaschutzpolitik-in-berlin/ziel…
[6] /Konflikte-um-Parknutzung/!5867193
## AUTOREN
Marie Frank
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