# taz.de -- Musiker Baaba Maal über Gewalt in Afrika: „Nicht fatalistisch se… | |
> Der senegalesische Musiker Baaba Maal über seine Rolle als UN-Botschafter | |
> gegen Wüstenbildung, Musik für „Black Panther“ und den Weg zum Sample. | |
Bild: Baaba Maal tritt mit Band im Londoner Barbican Centre auf, Mai 2023 | |
taz: Baaba Maal, wir befinden uns beim FEMUA-Festival im ivorischen | |
Abidjan. Ihren Auftritt beim Festival haben Sie mit einer emotionalen | |
Ansage begonnen, es war ein Plädoyer für Afrika. Sie haben gefordert, die | |
Jugend des Kontinents solle ihre Zukunft selbst gestalten, statt sich auf | |
die gefährliche Reise nach Europa zu begeben. Werden Sie denn auch von der | |
Jugend gehört? | |
Baaba Maal: Es gibt keine Alternative dazu, dass Eltern und andere | |
Autoritäten das Gespräch mit jungen afrikanischen Leuten suchen: Wie sie | |
ihr Leben leben wollen, wo sie ihre Zukunft sehen. Allein, damit sie nicht | |
alles glauben, was auf der Straße geredet wird. Im Fernsehen und in den | |
sozialen Medien sieht das Alltagsleben in Europa stets glanzvoll aus, aber | |
die Realität für Migrant:Innen ist doch eine andere. | |
Was sind die Aufgaben und Risiken? | |
Hier in Afrika leben wir auf einem riesigen Kontinent, der reich an | |
natürlichen Ressourcen ist und zudem eine sehr junge Bevölkerung hat. Es | |
gibt viele Gründe zu glauben, dass die Zukunft bei uns in Afrika liegt. | |
Wenn sie Selbstbewusstsein und eine Perspektive haben, entwickeln viele | |
jungen Leute gar nicht erst den Wunsch, aus Afrika wegzugehen. Zugleich | |
stehen wir vor großen Problemen, etwa in der Sahelzone. Was dort gerade an | |
Gewalt stattfindet, ist leider beispielhaft für viele Regionen in Afrika. | |
Auch der fortschreitende Klimawandel und die Erderwärmung tragen dazu bei, | |
dass immer mehr Menschen ihre Heimat nicht nur in Afrika verlassen. Sie | |
wurden unlängst zum UN-Goodwill-Botschafter gegen Wüstenbildung ernannt. | |
Wie setzen Sie diese Aufgabe konkret um? | |
Ich wurde zusammen mit der Musikerin Inna Modja aus Mali zum UN-Botschafter | |
ernannt. Sie war in dem Dokumentarfilm „The Great Green Wall“ durch die | |
Region gereist, entlang an einem Bewaldungsprojekt, das der Versteppung | |
Einhalt gebieten soll. Modja gibt im Film Einblick in die Lebensrealität | |
von Frauen, die besonders darunter leiden, dass auch die Region Westafrika | |
zunehmend von Gewalt geprägt ist. | |
Wieso kommt es zu mehr Gewalt? | |
Missverständnisse zwischen Bevölkerungsgruppen gab es früher in dieser Form | |
nicht. Der Terrorismus wird dadurch befördert, dass Menschen ihre | |
Lebensgrundlage verlieren und sich von Extremisten anwerben lassen. | |
Schlichtweg, damit jemand sie bezahlt – eine Alternative dazu, sich auf | |
nach Europa zu machen. Wir dürfen aber nicht fatalistisch auf die Situation | |
blicken und das einfach geschehen lassen. Als Goodwill-Botschafter sehe ich | |
es als meine Aufgabe, Austausch zu initiieren und Menschen dazu zu | |
motivieren, Antworten auf den Klimawandel zu suchen. | |
Als Musiker waren Sie an den Soundtracks zu „Black Panther“ (2018) und der | |
Fortsetzung [1][„Black Panther: Wakanda Forever“] (2022) beteiligt, der | |
Verfilmung des Marvel-Superhelden-Comics als großes Spektakel. Wie kam es | |
überhaupt zu der Zusammenarbeit mit Hollywood? | |
Ludwig Göransson, der schwedische Komponist der Soundtracks, ist bei seiner | |
Recherche auf mich gekommen. Ich habe ihn daraufhin in mein kleines Studio | |
in meiner senegalesischen Heimatstadt Podor eingeladen und mit | |
Musiker:innen aus verschiedenen Ecken Afrikas bekannt gemacht. Auf zwei | |
der Songs habe ich auch selbst gesungen. | |
Wie finden Sie die beiden Black-Panther-Filme? | |
An den beiden Filmen gefällt mir, dass sie eine utopische | |
Geschichtsschreibung versuchen. Und dass moderne Technologien genutzt | |
werden, um neues Leben zu schaffen. Die Comics beruhen ja auf afrikanischen | |
Märchen. In den Filmen sind sowohl die Kostüme als auch das ganze Design | |
ziemlich authentisch. Ich hoffe, dass die Produktion auch einen Anstoß | |
gibt, in hiesige Filmprojekte zu investieren und jungen Leuten | |
entsprechende Fähigkeiten zu vermitteln. | |
Ihr aktuelles Soloalbum, „Being“, ist vor wenigen Wochen erschienen, nach | |
einer siebenjährigen Veröffentlichungspause. Die Musik klingt sehr modern, | |
manchmal fast wie Elektronikpop. 2020 haben Sie in einem Interview mit dem | |
New Yorker Metropolitan Museum of Art über die rituelle Bedeutung | |
afrikanischer Instrumente gesprochen. Etwa, dass die Kora, die | |
westafrikanische Stegharfe, dem Menschen näher sei, weil sie aus tierischen | |
Materialien hergestellt sei – anders als etwa Instrumente aus Holz. Wie | |
passen die elektronischen Klänge in dieses Konzept? | |
Wir alle stehen auf einem Fundament, das vor uns da war. Deshalb sollte man | |
Geschichte und den Geist der Dinge genau kennen. [2][Rituelles spielt eine | |
zentrale Rolle in der afrikanischen Musik]. Gleichzeitig bin ich mir | |
bewusst, dass ich, wenn ich die Ohren junger Menschen oder auch die | |
Lauscher eines westlichen Publikums erreichen will, an deren | |
Hörgewohnheiten andocken muss. Deshalb arbeite ich verstärkt mit | |
Elektronik. Produziert wurde „Being“, wie auch schon das Vorgängeralbum, | |
von dem Beatbastler und Rapper Johan Hugo Karlberg. Noch eine | |
Zusammenarbeit mit einem schwedischen Musiker! Irgendwie scheine ich gerade | |
einen besonderen Draht nach Skandinavien zu haben. Mein Ausgangspunkt | |
bleibt aber traditionelle Folkmusik. Bei meinen Konzerten wird es dann auch | |
mit echten Perkussionsinstrumenten umgesetzt. | |
Das FEMUA-Festival hat eine ausgeprägte soziale Komponente. Sie selbst | |
veranstalten seit fast 20 Jahren ebenfalls ein Festival im Senegal, „Blues | |
du Fleuve“ in Ihrer Heimatstadt Podor. Wie darf man sich die nächste | |
Ausgabe vorstellen, die vom 7. bis zum 9. Dezember 2023 über die Bühne | |
geht? | |
[3][FEMUA ist eine großartige Sache] und für den Festivalinitiator A’salfo | |
von der Band Magic System eine Möglichkeit, seiner Community etwas | |
zurückzugeben. Darum geht es mir mit „Blues du Fleuve“ auch. Es ist nicht | |
nur die Chance, Musik aus der Sahelregion vorzustellen, sondern auch, sich | |
mit den Besucher:Innen auszutauschen, über Themen wie Migration und | |
Umweltschutz. Und dabei vor Ort Konkretes auszuprobieren, etwa | |
Recyclingkonzepte. Im vergangenen Winter fand die erste Ausgabe nach der | |
Pandemie statt. Die Menschen in Podor konnten kaum erwarten, dass wieder | |
Musik live auf der Bühne gespielt wird. Das Festival ist auch ein | |
ökonomischer Faktor für Stadt und Region. | |
27 Jul 2023 | |
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## AUTOREN | |
Stephanie Grimm | |
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