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# taz.de -- Zeichen-Workshops und arabische Musik: Der Vibe einer WG-Party um 1…
> In einer so großen Stadt wie Berlin muss man doch irgendwas machen, oder?
> Erzählungen aus einem Wochenende mit viel Musik und Malerei.
Bild: Selbstverständlich hat sich jeder ein Instrument genommen und gejammt
Irgendwo in Oberschöneweide saß ich am Sonntag, mit einem Stift und Papier
in der Hand. Mein Kopf pochte noch vom Vorabend. Ich war zum Geburtstag
[1][eines algerischen Oud-Hersteller] eingeladen gewesen. Fast alle Gäste
waren Musiker, und selbstverständlich hatte sich jeder ein Instrument, das
Mohamed gerade so herumliegen hatte, genommen und gejammt. Oud, diverse
Trommeln, Tamburin, einer hatte sogar ein Kanun mitgebracht. Und so hatten
sie stundenlang auf Arabisch musiziert. Nonstop.
Eigentlich hätte ich gedacht, ich wache am Sonntag auf und spreche nach
diesem Abend fließend Arabisch, anstatt einen Kater zu haben. Hin und
wieder waren wir eine rauchen gegangen, neben uns war das Lido, es fand ein
Punk-Konzert statt. Es hätte von Mohameds Laden unterschiedlicher nicht
sein können.
Zwischendurch wurden Instrumente ausgetauscht, jeder hatte sich
rangetastet, jeder durfte mal. Auch ich hatte irgendwann den Saz, den
Mohamed an der Wand hängen hatte, genommen. Ich hatte mir genug Mut
angesoffen und spielte die paar Stücke, die ich auf dem Saz kann. Ob ich
die Stimmung ruiniert habe? Ich glaube nicht, hoffe ich zumindest.
## Zeichne so gut du kannst
Am Sonntag saß ich dann mit einem Konterbier im Funkhaus Berlin. Über
Instagram hatte ich von einem Zeichen-Workshop gelesen. [2][Drink & Draw],
hatte sich interessant angehört, jedoch musste ich mich stark überwinden
hinzugehen. Es war zum Glück entspannt. Es hatte den Vibe einer WG-Party um
19 Uhr, Leute saßen, tranken und zeichneten.
„Da kannst du Stift und Papier holen, gleich werden wir uns auch
gegenseitig zeichnen, wenn du Lust hast.“ Bajar, einer der Betreiber,
weihte mich ein. Er war barfuß. Ich weiß nicht, wieso, aber irgendwie nervt
es mich, wenn Menschen barfuß herumlaufen, ich habe immer so ein
irrationales Gefühl, dass sie das nur machen, um mich zu provozieren. Aber
Bajar wirkte sehr gelassen. (Vielleicht weil er keine Schuhe anhatte?)
Die erste Person ging auf die Bühne, machte eine Pose, und die Leute
begannen zu zeichnen. Wenn ich eine Person schlimmer beleidigen könnte als
mit Worten, dann wäre es, wenn ich versuchte, diese zu zeichnen, aber ich
wollte auch nicht auffallen, und irgendwas musste ich machen. „Scheiße, die
sind ja alle gut!“ Ging es mir durch den Kopf, als ich die Skizzen der
anderen sah.
Ich beneide Menschen, die gut zeichnen können. Meine Freunde sagen immer zu
mir: „Das kommt mit der Zeit, du musst üben, blablabla …“ Sie haben ja
recht, es kostet viel Arbeit, das zu erlernen, aber manchmal rede ich mir
lieber ein, dass das einfach ein Talent ist, das man entweder hat oder
nicht, und ich eben nicht. Es ist angenehmer, daran zu denken, dass man
etwas nie erlernen kann, als es zu versuchen und zu scheitern. Oder
vielleicht rede ich mir das auch nur ein, um nachts ruhiger schlafen zu
können. Wer weiß.
Ich begann, irgendwelche Formen zu zeichnen, die nur im entferntesten Sinne
an die posierende Person erinnern. Wenn ich einen auf abstrakt mache, dann
sehen die Leute vielleicht nicht, dass ich einfach nicht zeichnen kann.
Bajar ging als Nächstes mit einer predatoresken Verkleidung auf die Bühne.
Diesmal versuchte ich ihn, so geht es ging, zu zeichnen. Schnell drehte ich
mein Blatt um, es sah aus, als wäre es von einem Vierjährigen gekritzelt.
Mein Selbstbewusstsein war im Keller, vielleicht ist Zeichnen nichts für
mich.
Auf dem Heimweg dachte ich, dass so ein Social Workshop eigentlich doch
ziemlich cool ist. Ich schaute auf meinem Handy nach, ob es mehr solcher
Sachen gibt. Berlin gibt mir manchmal FOMOs, man bekommt schnell das
Gefühl, dass es überall etwas zu tun gibt, das ist wahrscheinlich auch das
Besondere.
2 Aug 2023
## LINKS
[1] /Orientalische-Instrumente-in-Kreuzberg/!5946078
[2] https://www.drinkanddrawberlin.com/
## AUTOREN
Ogulcan Korkmaz
## TAGS
Ausgehen und Rumstehen
Fear of Missing Out
Folkmusik
Ausgehen und Rumstehen
Kolumne Geraschel
Autobiographischer Comic
elektronische Musik
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