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# taz.de -- Geflüchtete in Libyen: Frei nach Monaten Zwangsarbeit
> Der UNHCR hatte nach Protesten in Libyen festgenomme Geflüchtete als
> schutzbedürftig eingestuft, doch unterstützte sie nicht. Nun sind sie
> frei.
Bild: Protest als Hilferuf: Im Oktober 2021 zogen Geflüchtete vor das UNHCR-B�…
Berlin taz | Nach monatelangen Protesten hat die libysche Regierung am
Dienstag begonnen, rund 225 Geflüchtete aus dem Lager Ain-Zara im Westen
Libyens freizulassen. Die Menschen waren im Januar 2022 festgenommen
worden. Sie hatten zuvor drei Monate lang vor der Zentrale des
UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in der Hauptstadt Tripolis gegen die
Internierung von Geflüchteten protestiert. Am Dienstagvormittag durften sie
das Lager Ain-Zara nach und nach verlassen. Vertreter des UNHCR brachten
sie mit Bussen in eine Aufnahmeeinrichtung.
„Ihnen wurden Jahre ihres Lebens gestohlen“, klagte der Sprecher der Gruppe
Refugees in Libya, David Yambio, gegenüber der taz. Die aus Sudan,
Äthiopien und Eritrea stammenden Menschen seien allesamt vom UNHCR als
„Persons of Concern“, als schutzbedürftig eingestuft worden. Trotzdem waren
sie zunächst im besonders berüchtigten, mittlerweile geschlossenen Lager Al
Mabani interniert worden. Von dort konnten sie nach einer Revolte fliehen –
nur, um bald darauf erneut gefangen genommen zu werden. „Das war eine
Strafe für ihren [1][Protest vor dem UNHCR-Büro]“, sagt Yambio. „Es gab
keine Gerichtsverhandlung, keine Anklage, nichts. Die Menschen wurden
einfach weggesperrt.“
In den vergangenen 17 Monaten im Lager Ain-Zara hätten sie Zwangsarbeit
leisten müssen, berichtet Yambio, der über die ganze Zeit per Whatsapp mit
den Inhaftierten Kontakt hielt. „Arbeiten von früh bis spät in großer Hitze
beim Bau öffentlicher Einrichtungen, zu wenig Wasser, Nahrung,
Freiheitsentzug, Gewalt – das ist moderne Sklaverei und psychische und
physische Folter“, so Yambio. Der UNHCR habe die Verantwortung für diese
Menschen – aber sei dieser nicht nachgekommen. Der UNHCR ließ eine Anfrage
der taz dazu unbeantwortet.
Die Gruppe Refugees in Libya hatte seit den Verhaftungen mit weiter
protestiert – im Dezember mit einem [2][Aktionstag vor der UNHCR-Zentrale
in Genf] und im Juni mit [3][Aktionstagen in Brüssel].
Anfang Juni erhängte sich der 19-jährige Sudanese Mohamed Mahmoud Abdulaziz
in dem Lager. Nach monatelangen Protesten erklärte sich die libysche
Regierung sich am 2. Juli bereit, die Menschen gehen zu lassen. Am Sonntag
habe der UNHCR zugestimmt, den Freigelassenen Unterstützung zu gewähren,
berichtet Yambio.
## Mehr Flüchtlinge aus dem Sudan
„Das kann aber erst der Anfang sein“, sagt er. In den [4][14 offiziellen
Internierungslagern der libyschen Migrationsbehörde] DCIM werden insgesamt
rund 20.000 Menschen festgehalten. Die Gruppe Refugees in Libya schätzt,
dass es eine etwa ebenso große Zahl an Gefangenen in inoffiziellen Lagern
gibt, die von mafiösen Milizen in Libyen betrieben werden.
In dem vom Bürgerkrieg gezeichneten Land sind derzeit offiziell rund 45.000
Flüchtlinge registriert. Allerdings dürfte die tatsächliche Zahl weit höher
liegen. Die mit Abstand größte Gruppe stammt aus dem Sudan. Nachdem dort im
April Kämpfe zwischen dem Staatschef Abdelfattah al-Burhan und dem
Milizen-Chef Daglo Hametti ausgebrochen waren, flohen vermehrt Menschen in
das nordwestliche Nachbarland.
Wer von dort nicht den Weg über das Meer nach Europa gehen will, dem bieten
die UN Rückflüge in das jeweilige Herkunftsland an, von der EU finanziert.
Menschen, die wegen eines Kriegs oder drohender Folter nicht in ihr
Herkunftsland zurückgebracht werden können, fliegt der UNHCR – in sehr
begrenztem Maße – nach Ruanda und Niger. Dort sollen sie bleiben, bis ein
Aufnahmeland gefunden ist. Der letzte dieser Flüge mit 130 Menschen
startete im Juni.
## Tote im Mittelmeer
Die Gruppe Refugees in Libya fordert, die UN solle auch die nun entlassenen
Geflüchteten an einen sicheren Ort bringen. „Wir wissen, dass die
Möglichkeiten der UN dafür sehr begrenzt sind, weil es kaum Aufnahmeplätze
gibt. Aber es ist ihre Verantwortung, dafür eine Lösung zu finden“, sagt
Yambio.
Jene, die den Weg über das Meer wählen, werden vielfach von der libyschen
[5][Küstenwache auf offener See abgefangen], zurück nach Libyen geschleppt
und dort erneut interniert. In diesem Jahr betraf das bisher rund 7.400
Menschen. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) beklagte am
Dienstag einen „alarmierenden Anstieg“ der tödlich verlaufenden
Bootstragödien im Mittelmeer. Im ersten Halbjahr 2023 seien auf der
zentralen Mittelmeerroute bereits mehr Menschen ums Leben gekommen als in
jedem vollen Jahr zwischen 2018 und 2022, sagte die Sprecherin der
UN-Organisation, Safa Msehli, dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Genf.
Laut Msehli starben mehr als 1.700 Menschen seit Januar auf der zentralen
Route über das Mittelmeer. Die meisten von ihnen seien ertrunken. Von
Januar bis einschließlich Mai 2023 kamen in Italien rund 22.500 Menschen
an, die in Libyen in See gestochen waren.
12 Jul 2023
## LINKS
[1] /Gefluechtete-in-Libyen/!5805521
[2] /Fluechtlinge-protestieren-gegen-UNHCR/!5902274
[3] /Proteste-in-Bruessel-gegen-EU-Asylpolitik/!5943957
[4] /Fluechtlinge-protestieren-gegen-UNHCR/!5902274
[5] /Die-EU-muss-in-Libyen-aktiv-werden/!5782587
## AUTOREN
Christian Jakob
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Krieg in Sudan
Libyen
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Menschenrechte
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Migration
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Mittelmeer
Abdul Hamid Dbaiba
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