# taz.de -- Flüchtlinge protestieren gegen UNHCR: „UNHCR kämpft nicht für … | |
> Vor dem Sitz des Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Genf kritisieren | |
> Flüchtlinge dessen Politik gegenüber Libyen. Sie fühlen sich | |
> alleingelassen. | |
Bild: Ein Boot der libyschen Küstenwache bringt Migrant:innen nach Libyen zur�… | |
BERLIN taz | Das UN-Flüchtlingswerk UNHCR versteht sich als Anwalt für die | |
Rechte der Schutzsuchenden auf der Welt. Doch diesem Anspruch wird die | |
Organisation nicht gerecht – das werfen ihr Flüchtlinge und | |
Aktivist:innen der Kampagne „Unfair – The UN Refusal Agency“ vor. Unter | |
diesem Motto demonstieren sie an diesem Wochenende zum Tag der | |
Menschenrechte am UN-Hauptsitz in Genf. | |
Bei Schnee und Minusgraden hatten sie eine Mahnwache auf der Avenue de | |
France, direkt vor dem Eingang der UNHCR-Zentrale errichtet. Das UNHCR habe | |
sich „entschieden, auf der Seite der Regierungen zu stehen“, sagte der | |
Sprecher David Yambio, ein aus Libyen angereister Flüchtling aus Süd-Sudan, | |
statt diese mit der Entrechtung der Flüchtlinge zu konfrontieren. | |
„Viele haben sich in Libyen vor zehn Jahren registriert und warten immer | |
noch,“ sagte David Yambio. Die Papiere, die das UNHCR ausstelle, seien | |
wertlos, „weil das UNHCR nicht für uns kämpft und nicht die verteidigt, die | |
es verteidigen muss.“ Die Agentur kritisiere die Regierungen Libyens und | |
der EU nicht dafür, dass diese gemeinsam Menschen auf dem Mittelmeer | |
aufhalten und zurück in die libyschen Lager verfrachten. „Das UNHCR bekommt | |
Geld von der EU und spielt mit unseren Leben.“ | |
Libyen zählt zu den Ländern, in denen Geflüchtete [1][in besonders extremer | |
Weise entrechtet] werden. Viele verbringen lange Zeit in | |
Internierungslagern, die deutsche Diplomaten vor Jahren „KZ-ähnlich“ | |
nannten. Auch, wer aus diesen Lagern heraus kommt, hat mit äußerst | |
schwierigen Bedingungen zu kämpfen. Eine der wenigen Institutionen, die | |
überhaupt im Land präsent sind und helfen könnten, ist das UNHCR. | |
Vor einem Jahr hatten deshalb [2][Tausende Geflüchtete] über 100 Tage vor | |
dem UNHCR-Büro in Tripolis demonstriert. Sie forderten unter anderem die | |
Evakuierung aller Geflüchteten in sichere Länder. Hintergrund ist, dass das | |
UNHCR nur Flüchtlinge aus einer Handvoll Herkunftsländer in ein | |
Evakuierungsprogramm aufnimmt, über das eine begrenzte Zahl Internierter | |
das Land verlassen kann – sofern sich aufnahmebereite Länder finden. | |
Die Flüchtlinge nehmen es dem UNHCR übel, dass dieses die Aktion in | |
Tripolis kritisiert hatte, statt die Menschen in Schutz zu nehmen. Die | |
Polizei löste die Sitzblockade schließlich mit Gewalt auf, hunderte | |
Demonstrierende wurden am 10. Januar inhaftiert. | |
Das UNHCR werde „immer mehr Teil der Eindämmungs- und Managementpolitik der | |
Staaten“, sein Mandat, eine starke Stimme für Flüchtlinge zu sein, werde | |
„verwässert“, heißt es im Aufruf der Kampagne. Der Grenzschutzpolitik der | |
Staaten des globalen Nordens liefere die Organisation „ein Feigenblatt“. So | |
sei die UN-Organisation zwar weiterhin der „international anerkannteste“ | |
Akteur, doch die Stimmen von Flüchtlingen werden „ignoriert, oder ihr | |
Protest zum Schweigen gebracht oder unsichtbar gemacht“. | |
Ein Sprecher des UNHCR sagte am Freitag gegenüber der taz, die Organisation | |
sei „solidarisch mit allen Schutzsuchenden, die in Libyen unter | |
schrecklichen Bedingungen leben und dort Menschenrechtsverletzungen | |
ausgesetzt sind.“ | |
Die Lage in Libyen sei indes schwierig, das Umfeld „sehr restriktiv“, die | |
Handlungsmöglichkeiten stark eingeschränkt. Gleichwohl habe man seit Anfang | |
2021 „unter schwierigsten operativen Bedingungen“ die Freilassung von etwa | |
1.030 inhaftierten Schutzsuchenden erreicht und 3.450 gefährdete | |
Flüchtlinge evakuiert. | |
Zudem habe das UNHCR wiederholt darauf hingewiesen, dass Libyen kein | |
sicherer Ort für Flüchtlinge und Asylsuchende sei und appellierte an die | |
internationale Gemeinschaft, durch Resettlement, Familiennachzug und andere | |
Wege „mehr Möglichkeiten für in Libyen aufhältige gefährdete Flüchtlinge… | |
zu schaffen. Darauf sei die Organisation angewiesen, um mehr Menschen an | |
Orte außerhalb Libyens in Sicherheit bringen zu können. | |
9 Dec 2022 | |
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## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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