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# taz.de -- Geflüchtete in Libyen vertrieben: Miliz gegen Migrant*innen
> In Libyens Hauptstadt Tripolis haben Bewaffnete ein provisorisches
> Flüchtlingscamp geräumt. Manche vermuten: Den Milizenführern geht es um
> Geld.
Bild: Afrikanische Migrant:innen werden registriert
Tunis taz | Zufrieden soll Mohammed al-Khoja ausgesehen haben, als er am
Mittwochmorgen mit seinen Kollegen des „Direktorats zum Kampf gegen
Illegale Migration“ (DCIM) die Straßen rund um das UNHCR-Hauptquartier im
Stadtteil Ain Zara von Libyens Hauptstadt Tripolis inspizierte. Wo am
Sonntag noch Menschen auf Wolldecken und in Zelten nahe dem Gebäude
kampierten – aus Protest, aber auch, weil sie sich dort sicherer fühlten –
liegen in Ain Zara jetzt nur noch verbrannte Stofffetzen auf der Straße. In
der Nacht von Sonntag auf Montag wurden 600 Migrant*innen und
Geflüchtete in Pick-ups und Busse gesteckt und auf verschiedene libysche
Haftanstalten und bewachte Lagerhallen verteilt.
Der ehemalige Milizenführer Khoja war am 23. Dezember zum Leiter der
libyschen Behörde DCIM befördert worden. Die ist verantwortlich für die
Internierungslager, in denen viele Migrant*innen aus Subsaharaafrika
einsitzen müssen. Zuvor leitete er das berüchtigte Gefängnis Trik Al Sikka,
dessen [1][Betreibern immer wieder inhumane Bedingungen und Folter
vorgeworfen wurden].
Auf [2][Videoaufnahmen der Miliz Fursan Janzour, die auf Twitter
kursieren], sind Dutzende uniformierte Männer zu sehen, die in Ain Zara um
zwei Uhr morgens auf Zelte und fliehende Menschen einschlagen. Zuvor hatten
die vermummten Bewaffneten mit gepanzerten Fahrzeugen und Pick-ups die im
Süden von Tripolis gelegene Gegend abgesperrt. Fursan Janzour ist dem
Innenministerium unterstellt.
Nach der Zwangsvertreibung dunkelhäutiger Menschen aus dem Stadtteil
Gargaresh im Oktober letzten Jahres ist mit Ain Zara nun der letzte
Zufluchtsort von Migrant*innen und Geflüchteten in Tripolis
verschwunden. Augenzeugen berichten von mehreren Toten; Mohammed al-Khoja
sprach gegenüber libyschen Journalist*innen dagegen von einer
gelungenen Aktion gegen Drogendealer und Menschenhändler. Ein Team von
Ärzte ohne Grenzen (MSF) behandelte am Dienstagmorgen Stichverletzungen und
gebrochene Beine.
## Schmuggler sind ein Teil des Problems
Caroline Gluck vom UNHCR-Flüchtlingshilfswerk verurteilte die gewaltsame
Aktion der libyschen Regierung. Augenzeugen berichteten aber gegenüber der
taz, dass die UNHCR-Mitarbeiter*innen den Menschen in Ain Zara nicht zur
Hilfe gekommen seien. Gluck bestätigte die Berichte von libyschen
Menschenrechtsaktivisten, dass Menschenhändler aus den Reihen der
Migrant*innen sie immer wieder davon abgehalten hatten, Verletzten,
Schwangeren oder Kindern zu helfen. UNHCR-Mitarbeitende konnten ihr
Hauptquartier wegen Drohungen der ebenfalls aus Subsahara stammenden Männer
seit Anfang Januar nicht mehr betreten.
„Sie wollen nicht, dass ihre Kund*innen Details über [3][das
Schmuggelnetzwerk ausplaudern, das von Lagos oder Karthum bis Sizilien]
mit lokalen Milizen, Banken und Bootsbesitzern bestens vernetzt ist“,
vermutet ein Aktivist aus Tripolis, der lieber anonym bleiben möchte. Sogar
seine privat finanzierten Hilfslieferungen an die nachts Frierenden musste
er aus Angst um sein Leben einstellen. Migrant*innen, mit denen die taz
sprach, vermuten hinter der Räumung ein simples Geschäft der Milizenführer
– einer von ihnen ist Mohammed al-Khoja. Sie berichten: Für umgerechnet 400
bis 500 Euro würden die Wächter die Verhafteten wieder freilassen.
12 Jan 2022
## LINKS
[1] https://twitter.com/mannocchia/status/1186317039222317056?s=20
[2] https://twitter.com/RefugeesinLibya/status/1480926005988663297?s=20
[3] /Migration-nach-Italien/!5804661
## AUTOREN
Mirco Keilberth
## TAGS
Geflüchtete
Libyen
UNHCR
Milizen
Tripolis
Schwerpunkt Flucht
Abdul Hamid Dbaiba
Abdul Hamid Dbaiba
Libyen
Seenotrettung
Schwerpunkt Libyenkrieg
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