# taz.de -- Bericht der Atomenergiebehörde IAEA: Strahlend ab in den Pazifik | |
> 1,3 Millionen Tonnen Fukushima-Kühlwasser könnten ins Meer geleitet | |
> werden. Die Internationale Atomenergiebehörde unterstützt das. | |
Bild: Die Küste von Fukushima: Hier baut Tepco einen Tunnel zur Ableitung des … | |
Tokio taz | Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien hat grünes | |
Licht für die Verklappung von gefiltertem Kühlwasser aus dem AKW Fukushima | |
gegeben. Damit erhält Japans Regierung ein wichtiges Argument, um die für | |
den Sommer geplante Einleitung des Wassers ins Meer – ungeachtet der | |
Bedenken von Fischern, Umweltschützern und Anrainerstaaten – umzusetzen. | |
IAEA-Chef Rafael Grossi übergab den Abschlussbericht seiner Behörde am | |
Dienstag an Japans Regierungschef Fumio Kishida. Darin heißt es, das | |
Konzept und die Maßnahmen von Japan stünden im Einklang mit den | |
einschlägigen internationalen Sicherheitsstandards. Der Bericht sei jedoch | |
weder als Empfehlung noch als Unterstützung zu verstehen. Das Papier | |
basiert auf einer zweijährigen Untersuchung mit mehreren Missionen zu den | |
Atomruinen. | |
Die kontrollierte, schrittweise Ableitung des behandelten Wassers ins Meer, | |
wie sie derzeit vom japanischen Energiekonzern Tepco geplant und bewertet | |
wird, würde „vernachlässigbare“ Auswirkungen auf die Umwelt haben, erklä… | |
Grossi in Tokio und nannte Meerwasser, Fische und Sedimente. Die IAEO wird | |
am Mittwoch ein Büro in Fukushima eröffnen, um den Prozess der Einleitung | |
„auf Jahrzehnte hinaus“ permanent zu überwachen. Dabei will Grossi mit | |
lokalen Verantwortlichen und Fischereivertretern sprechen. | |
## Radioaktives Tritium sei unbedenklich | |
Seit dem Super-GAU im März 2011 durch ein Erdbeben und einen Tsunami müssen | |
die durch Kernschmelzen zerstörten drei Reaktoren mit Wasser gekühlt | |
werden, das dabei radioaktiv kontaminiert wird. Zugleich sickern ständig | |
Grund- und Regenwasser in die Reaktorkeller ein. Dieses Wasser wird | |
gefiltert und in inzwischen über 1.000 Tanks gespeichert. Die aktuelle | |
Menge von 1,3 Millionen Tonnen entspricht dem Inhalt von 500 | |
Olympiaschwimmbecken. | |
Laut Tepco gibt es jedoch spätestens im Juni 2024 keinen Platz für neue | |
Tanks mehr. Dann könnte die Stilllegung der Reaktoren nicht weitergehen. | |
Daher verlegte Tepco ein Rohr von 1 Kilometer Länge, das auf dem | |
Meeresboden von dem AKW senkrecht wegführt. Über dieses Rohr soll im | |
Verlauf der nächsten Jahrzehnte das gelagerte Kühlwasser verdünnt mit | |
Meerwasser in den Pazifik gepumpt werden. | |
Die Reinigungsanlage von Toshiba, bekannt unter ihrer Abkürzung ALPS, | |
filtert 62 radioaktive Isotope fast vollständig aus dem Kühlwasser heraus, | |
nicht jedoch das strahlende Tritium. Nach Ansicht der IAEA ist Tritium in | |
geringen Mengen für Mensch und Umwelt unschädlich. Die japanische Regierung | |
betont immer wieder, dass die Einleitung von tritiumhaltigem Wasser eine | |
Standardpraxis von Atomanlagen in anderen Ländern sei. Japan wolle 22 | |
Billionen Becquerel jährlich in den Pazifik leiten, erklärte die Regierung, | |
während das AKW Hongyanhe in China 87 Billionen und das AKW Kori in | |
Südkorea 91 Billionen Becquerel an Tritium jährlich ins Meer pumpen würden. | |
## China und Südkorea haben Zweifel | |
Doch die Fischer von Fukushima leisten weiter Widerstand gegen den Plan, | |
weil sie einen Rufschaden für ihren Fang erwarten. Auch das Angebot | |
großzügiger Staatshilfe für potenzielle Umsatzeinbußen konnte ihre Meinung | |
bisher nicht ändern. Der Chef der Partei Komei, ein Koalitionspartner von | |
Kishida, sprach sich gegen einen Beginn der Verklappung im Sommer aus. | |
Tepco sollte die Schwimmsaison im Sommer vermeiden, um „keine negativen | |
Gerüchte zu verursachen“, sagte Parteichef Natsuo Yamaguchi. | |
China akzeptiert Japans Argumentation ebenfalls nicht. Der chinesische | |
Botschafter in Japan, Wu Jianghao, erklärte am Dienstag, es gebe keinen | |
Präzedenzfall für die Meereseinleitung von Abwasser nach einem Atomunfall. | |
Das Wasser sei nicht mit normalem Kühlwasser vergleichbar: „Japan sagt, | |
dass alle Kernkraftwerke auf der ganzen Welt Abwasser einleiten, aber | |
dieses Wasser ist nicht mit einem geschmolzenen Reaktorkern in Berührung | |
gekommen“, erklärte Wu. Laut der chinesischen Botschaft ist die IAEA als | |
Förderer der friedlichen Nutzung der Atomkraft nicht das optimale Gremium, | |
um die Auswirkungen der Einleitung zu beurteilen. Japan müsste sich an | |
seine völkerrechtlichen Verpflichtungen halten und sollte andere Optionen | |
wie die unterirdische Einlagerung oder die Verdampfung erwägen. | |
Japans Entsorgungspläne beunruhigen auch das Nachbarland Südkorea. Die | |
Regierung in Seoul hält als Druckmittel an dem Importverbot für | |
Fischprodukte aus Japan fest. Laut einer Umfrage lehnen 84 Prozent der | |
Südkoreaner die Verklappung ab. In vielen Geschäften ist Meersalz | |
ausverkauft, weil Verbraucher eine zukünftige Kontaminierung durch das | |
japanische Tritium befürchten. Auch eine Gruppe von 18 Inselstaaten im | |
Pazifik forderte Japan inzwischen auf, eine andere Lösung zu finden. | |
IAEA-Chef Grossi erklärte, er habe die Bedenken der Nachbarländer | |
„erkannt“. Grossi reist am Freitag nach Seoul weiter, um Fragen zu dem | |
IAEA-Bericht zu beantworten. Überzeugungsarbeit für Japans Vorhaben wolle | |
er aber nicht leisten. | |
4 Jul 2023 | |
## AUTOREN | |
Martin Fritz | |
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