# taz.de -- Letzter Tag der deutschen Atom-Ära: „Schwarzer Tag für Deutschl… | |
> Am Samstag werden die letzten drei Atomkraftwerke abgeschaltet. Die einen | |
> feiern, während Union und manche Wissenschaftler den Ausstieg | |
> kritisieren. | |
Bild: Unwiederbringlich abgeschaltetes AKW: Sprengung des Kühlturms in Biblis … | |
BERLIN dpa/taz | Für sie ist der Samstag ein Feiertag: Zahlreiche | |
Anti-Atomkraftbürgerinitiativen bereiten sich auf die bevorstehende | |
Abschaltung der letzten drei deutschen Atomkraftwerke vor. In der Nähe des | |
AKW Emsland im niedersächsischen Lingen wollen etwa das Bündnis | |
Atomkraftgegner_innen im Emsland (AgiEL) und der Bundesverband | |
Bürgerinitiativen Umweltschutz demonstrieren. | |
Sie haben lange für den Atomausstieg gekämpft. Wunschlos glücklich sind sie | |
aber nicht: [1][Die örtliche Brennelementefabrik würden sie auch gern | |
stillgelegt sehen.] Diese darf trotz Atomausstieg weiterlaufen und AKW in | |
anderen Ländern beliefern. | |
Neben dem AKW Emsland stehen die Anlagen Neckarwestheim 2 in | |
Baden-Württemberg sowie Isar 2 in Bayern vor dem Aus. Derweil ist die | |
Stimmung in Deutschland gemischt. Eine Mehrheit der Deutschen steht dem am | |
Samstag geplanten Atomausstieg laut Umfragen kritisch gegenüber. Mit 59 | |
Prozent hält mehr als die Hälfte die Entscheidung der Politik für falsch, | |
lediglich rund ein Drittel für richtig, wie die Befragung | |
[2][Deutschlandtrend] für das ARD-“Morgenmagazin“ ergab. | |
Kurz nach der Atom-Katastrophe im japanischen Fukushima im Jahr 2011 war es | |
ungefähr andersherum gewesen. Damals hatte der Deutschlandtrend eine | |
Mehrheit von 53 Prozent für einen raschen Atomausstieg ergeben, bei 43 | |
Prozent dagegen. Das ZDF-Politbarometer kam damals sogar auf 60 Prozent für | |
einen schnellstmöglichen Atomausstieg. | |
## Junge Menschen sind für den Atomausstieg | |
Unter den jungen Menschen, nämlich in der Gruppe der 18- bis 34-Jährigen, | |
gibt es auch heute noch überwiegende Zustimmung für den Atomausstieg. Mit | |
den Problemen, die auf diese Generation noch zukommen, begründet auch | |
Bundesumweltministerin Steffi Lemke, warum sie den Schritt für richtig | |
hält. | |
„Vor uns liegen nun einerseits Jahrzehnte voller Herausforderungen, bis wir | |
die atomaren Hinterlassenschaften sicher und verantwortbar beseitigt | |
haben“, sagte die Grünen-Politikerin. Nach wie vor gibt es keinen Standort | |
für ein Endlager, in dem hochradioaktiver Atommüll gelagert werden kann. | |
Die bisherigen Endlager für leicht und mittel radioaktiven Atommüll | |
[3][sind marode]. 2027 soll ein neues in Betrieb gehen. „Der Atomausstieg | |
macht unser Land sicherer, die Risiken der Atomkraft sind letztlich | |
unbeherrschbar“, resümierte Lemke. | |
Das sieht CDU-Chef Friedrich Merz anders. Er nannte den Samstag gegenüber | |
dem Sender NDR Info einen „schwarzen Tag für Deutschland“. Auch der | |
CSU-Vorsitzende Markus Söder übte erneut scharfe Kritik. „Das ist ein ganz | |
trauriges Kapitel deutscher Energiepolitik“, sagte er in der Sendung | |
Frühstart von RTL/ntv. | |
Söder argumentierte damit, Deutschland solle auf eine Diversifizierung der | |
Energieversorgung setzen, um auf Energiekrisen besser reagieren zu können. | |
Außerdem seien AKW klimafreundlich. | |
## Wissenschaftler:innen schreiben offenen Brief | |
So argumentieren auch einige Wissenschaftler:innen in einem | |
[4][offenen Brief] an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), den sie auf der | |
Website der Organisation Replanet DACH veröffentlichten. Mit dabei sind | |
etwa der US-amerikanische Klimaforscher James Hansen, der deutsche | |
Physik-Nobelpreisträger Klaus von Kitzing. Die Gruppe fordert den | |
Weiterbetrieb der AKW aus Klima-Gründen. | |
Dabei überschätze sie aber den CO2-Einspareffekt, den die drei Anlagen | |
hätten, [5][kritisierte etwa der Klimapolitikwissenschaftler Niklas Höhne | |
auf Twitter]. Der methodische Fehler: Die Vertreter:innen des offenen | |
Briefs würden davon ausgehen, dass die AKW ausschließlich die | |
klimaschädlichen Kohlekraftwerke ersetzen würden – und nicht etwa auch | |
klimafreundlichen Windstrom. | |
Im vergangenen Jahr stammte fast die Hälfte des in Deutschland produzierten | |
Stroms aus erneuerbaren Quellen. Es könnte jedoch mehr sein. Wenn die | |
Stromnetze überlastet sind, [6][müssen immer wieder Windräder und teils | |
auch Solaranlagen abgestellt werden]. Kohle- und Atomkraftwerke können | |
nicht so schnell runter- und hochgefahren werden und sind deshalb weniger | |
flexibel einsetzbar. | |
Eine am Freitag vorgestellte [7][Studie] des Analyse-Instituts Enervis im | |
Auftrag des Umweltverbands Greenpeace und des Ökostromunternehmens | |
Greenpeace Energy legt auch nahe, dass der positive Klimaeffekt der drei | |
AKW eher marginal ist. Die Analyst:innen haben untersucht, wie es sich | |
ausgewirkt hat, dass die Anlagen erst jetzt vom Netz gehen anstatt wie | |
ursprünglich angedacht Ende 2022. | |
Das Ergebnis: Die Laufzeitverlängerung führte zu einer Einsparung von 1,5 | |
Millionen Tonnen CO2. Zum Vergleich: Das entspricht 0,2 Prozent der | |
deutschen Emissionen aus dem vergangenen Jahr. Auch für die | |
Versorgungssicherheit seien die AKW während ihres Streckbetriebs zu keinem | |
Zeitpunkt entscheidend gewesen. | |
14 Apr 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Deutsche-Brennstaebe-fuer-russische-AKW/!5928104 | |
[2] https://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend/ | |
[3] /Atommuelllager-saeuft-ab/!5914980 | |
[4] https://replanet-dach.eu/offener-brief-akw/ | |
[5] https://twitter.com/niklashoehne/status/1646776253242830849 | |
[6] /Zu-langsamer-Ausbau-der-Stromnetze/!5902431 | |
[7] https://www.greenpeace.de/klimaschutz/energiewende/atomausstieg/streckbetri… | |
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