# taz.de -- Zu langsamer Ausbau der Stromnetze: 800 Millionen Euro Entschädigu… | |
> 4 Prozent des Ökostroms gehen verloren, weil der Netzausbau zu langsam | |
> ist. Die Anlagebetreiber bekommen trotzdem Geld. | |
Bild: Wird auch nur peu à peu fertig: Westküstenleitung, hier bei Klixbüll | |
FREIBURG taz | 5,4 Milliarden Kilowattstunden Strom aus erneuerbaren | |
Quellen gingen im ersten Halbjahr 2022 in Deutschland verloren, [1][weil | |
die Netze nicht ausreichten], um die Energie abzuführen. Das entspricht | |
etwa 4 Prozent der in diesem Zeitraum erzeugten Menge Wind- und | |
Sonnenenergie. Im vergangenen Jahr konnten insgesamt 5,8 Milliarden | |
Kilowattstunden wegen dieser Netzengpässe nicht erzeugt werden. Das geht | |
aus Zahlen der Bundesnetzagentur hervor. | |
Die größten Strommengen gehen immer wieder verloren, weil Windkraftanlagen | |
gedrosselt oder aus dem Wind genommen werden müssen. Im vergangenen Jahr | |
entfielen 59 Prozent der nicht erzeugten Kilowattstunden auf die Windkraft | |
an Land, 36 Prozent auf die Windkraft auf See. | |
Mit 4 Prozent war der Anteil von Photovoltaik an den Verlusten in der | |
Jahresbilanz 2021 relativ gering. Trotzdem sorgen die großen | |
Freilandanlagen dafür, dass im Sommerhalbjahr auch der Solarstrom immer | |
öfter von sogenannten Abregelungen betroffen ist. Im sonnenreichen zweiten | |
Quartal 2022 hatte die Photovoltaik immerhin 12 Prozent Anteil an den nicht | |
erzeugten Kilowattstunden. | |
Setzt man die verlorenen Kilowattstunden in Relation zu den Mengen, die mit | |
der jeweiligen Technik erzeugt werden, zeigt sich noch deutlicher: Vor | |
allem die Offshore-Windkraft ist betroffen. Sie verlor in den ersten beiden | |
Quartalen dieses Jahres aufgrund von Netzrestriktionen zeitweise mehr als | |
ein Sechstel ihrer möglichen Produktionsmenge. Die Onshore-Windkraft liegt | |
deutlich niedriger im mittleren einstelligen Prozentbereich, die | |
Photovoltaik bei rund einem Prozent. | |
## Engpässe und fehlende Kapazitäten | |
Rund 73 Prozent der Verluste traten im vergangenen Jahr durch Engpässe im | |
Übertragungsnetz auf, der Rest entfiel auf fehlende Kapazitäten im | |
Verteilnetz. Die meiste Energie ging in Niedersachsen verloren, wo 45 | |
Prozent der Verluste auftraten. Schleswig-Holstein folgte mit 32 Prozent | |
auf Platz 2, wie die Bundesnetzagentur in ihrem Jahresbericht aufzeigt. | |
2021 fielen Kosten von fast 1,5 Milliarden Euro an, weil die | |
Übertragungsnetzbetreiber Netzengpässe durch Maßnahmen wie vor allem den | |
sogenannten Redispatch ausgleichen mussten. In diesem Fall werden auf | |
Anweisung der Übertragungsnetzbetreiber – also abseits des Marktgeschehens | |
– Kraftwerke vor dem Netzengpass gedrosselt und danach wieder hochgefahren. | |
Auch die Kosten für solche Eingriffe steigen stetig mit dem Ausbau der | |
Erneuerbaren. | |
Im laufenden Jahr liegen die Kosten für dieses Management der Netzengpässe | |
bereits jetzt auf Rekordniveau. Allein im ersten Quartal kosteten die | |
Eingriffe der Übertragungsnetzbetreiber 1,4 Milliarden Euro. Das hat | |
mehrere Gründe: Dazu gehören die hohe Windeinspeisung im Februar, aber auch | |
das [2][zeitweilige Niedrigwasser des Rheins, weil dadurch der | |
Kohletransport beeinträchtigt] wurde und mehrere Kraftwerke in | |
Süddeutschland nur eingeschränkt betriebsbereit waren. | |
Zusätzliche Kosten fallen an, weil Anlagenbetreiber auch Kilowattstunden | |
aus Sonne und Wind vergütet bekommen, die sie aufgrund von Netzengpässen | |
nicht erzeugen konnten – rund 807 Millionen Euro Entschädigung wurden 2021 | |
dafür fällig. Auch diese Beträge werden über die Netzentgelte finanziert | |
und damit von allen Stromkunden getragen. | |
„Es ist grotesk, dass wir über die [3][Gefahr von Blackouts] diskutieren | |
und gleichzeitig Strom im Wert von über 800 Millionen Euro jährlich | |
weggeschmissen wird“, sagte Dietmar Bartsch, Chef der Bundestagsfraktion | |
der Linken. Der Wirtschaftsminister müsse endlich den Netzausbau | |
voranbringen. | |
12 Dec 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Umsetzbarkeit-der-Energiewende-Plaene/!5863843 | |
[2] /Niedrigwasser-am-Rhein/!5877777 | |
[3] /Berliner-Stromnetz-in-der-Gasmangellage/!5896173 | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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