| # taz.de -- Berliner Stromnetz in der Gasmangellage: Rettungswesten im Netz | |
| > Das Berliner Stromnetz ist sicher – jedenfalls ziemlich sicher. Und laut | |
| > seinem Geschäftsführer auch für den Fall der Fälle gewappnet. | |
| Bild: Sicherung raus, Kerzen an: So ein Blackout kann ja auch mal ganz gemütli… | |
| Berlin taz | Die gute alte Sicherung, die man aus dem Kasten dreht, wenn | |
| sie durchgebrannt ist – die Jüngeren kennen sie gar nicht mehr, sondern nur | |
| den geduldigen Kippschalter, den man einfach wieder umlegen kann. Die | |
| allermeisten aber dürften noch nie eine Sicherung in der Hand gehalten | |
| haben, wie sie Erik Landeck, Geschäftsführer der Berliner Stromnetz GmbH, | |
| auf einem Pressetermin am Freitag herumreicht: ein mehrere Kilo schweres | |
| dunkles Glasrohr mit metallischen Enden. Solche Sicherungen schützen die | |
| Transformatoren in den rund 10.000 „Netzstationen“, die ganz Berlin mit | |
| Mittelspannung versorgen. | |
| Vor allem um diese Transformatoren geht es Landeck, der mit Wirtschafts- | |
| und Energiesenator Stephan Schwarz auftritt, um einige zurzeit verbreitete | |
| Sorgen zu zerstreuen: [1][Was, wenn das Gas so knapp wird, dass plötzlich | |
| alle mit Strom heizen?] Den Heizlüfter anschalten, den sie frisch im | |
| Baumarkt erstanden haben, oder der seit vielen Jahren im Keller verstaubt? | |
| Es ist das Schreckgespenst aller Stromnetzbetreiber, denn dann droht der | |
| Blackout – ein Wort, das Schwarz nach eigenem Bekunden nur widerwillig in | |
| den Mund nimmt, weil es nur falsche Sorgen schüre. | |
| Denn, so der parteilose Schwarz, der für die SPD die Senatsverwaltung am | |
| Rathaus Schöneberg führt, eine Gasnotlage in diesem Winter sei ein | |
| „superunwahrscheinliches Szenario“: Die Speicher sind voll, die ersten | |
| Flüssiggasterminals fertig, und lange Frostperioden sehen die Meteorologen | |
| auch nicht kommen. Weil aber zumindest deren Prognosen mit Vorsicht zu | |
| genießen sind, hat Schwarz vorsorglich einen Krisenstab eingerichtet, und | |
| die erst seit Kurzem wieder landeseigene Stromnetz GmbH checkt derzeit ihre | |
| „Betriebsmittel“ durch, wie Kabel, Muffen, Trafos und Co. im Fachjargon | |
| heißen. | |
| Man habe verschiedene Szenarien durchgespielt, so Netzchef Landeck, und | |
| dabei herausgefunden, dass insbesondere die Netzstationen mit ihren | |
| Transformatoren gefährdet seien: Würde sich die durchschnittliche maximale | |
| Leistung in Berlin von rund 2,3 Millionen Kilowatt durch massives Heizen | |
| mit Strom plötzlich verdoppeln oder verdreifachen, liefen die nämlich heiß. | |
| Wobei nicht alle Sicherungen haben, die für eine automatisch Trennung vom | |
| Netz sorgen – das geschieht dann händisch (aber per Fernsteuerung). | |
| Landeck legt großen Wert darauf, dass das Abschalten im Fall der Fälle | |
| unbedingt sein muss: Andernfalls nämlich ginge die Technik früher oder | |
| später kaputt, „und das können wir uns auch als Gesellschaft gar nicht | |
| leisten“. Denn auf die Lieferung eines neuen Großtrafos warte man heute | |
| schon 20 Monate. | |
| ## Besser mal ein paar dunkle Stunden | |
| Da ist es besser, in ein paar hundert Haushalten gehen für ein paar Stunden | |
| die Lichter aus. Nach dem Wiederanschalten könne sich das Spiel zwar noch | |
| ein paar mal wiederholen, so Landeck, aber er vertraue auf die Kreativität | |
| der BerlinerInnen und ihre Fähigkeit zur Selbstorganisation: „Da werden | |
| sich Hausgemeinschaften absprechen, um den gleichzeitigen Stromverbrauch zu | |
| reduzieren, ob per Whatsapp-Gruppe oder per Anschlag im Treppenhaus.“ | |
| Rund 100 Transformatoren habe man schon als Ersatz auf Lager, so der | |
| Stromnetz-Chef, und auch bei allen anderen „Betriebsmitteln“ habe man | |
| aufgestockt. Berlin sei für den Fall der Fälle „schlichtweg gut | |
| vorbereitet“ – und gleichzeitig spreche nichts dafür, dass dieser eintrete. | |
| „Aber es ist wie auf einem Schiff: Da wären Sie auch irritiert, wenn es | |
| keine Rettungswesten gäbe und der Kapitän Ihnen versicherte, es sei bei ihm | |
| doch noch nie jemand ertrunken.“ | |
| Dass die BerlinerInnen den Ernst der Lage ohnehin erkennen, schließt | |
| Landeck aus einer ziemlich überraschenden Zahl: Im September sei der | |
| berlinweite Stromverbrauch im Vergleich zum Vorjahresmonat um 5 Prozent, im | |
| Oktober sogar um 8 Prozent gesunken. Das sind gewaltige Mengen – aber wer | |
| genau spart hier mit welchem Verhalten? Da muss der Herr des Netzes passen: | |
| „Ich weiß es schlicht nicht. Sie können da nur in Ihrem Bekanntenkreis | |
| herumfragen.“ Was wann durchs Netz fließt, weiß ein Betreiber – aber nich… | |
| wer warum welches Gerät ausschaltet. | |
| 18 Nov 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Claudius Prößer | |
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