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# taz.de -- Zukunft des Reisens: Ein Tag als Dreiradkapitänin
> Ein dreirädriges Lastenrad, das gleichzeitig Elektroboot und
> Mini-Campervan ist. Kann das gut gehen? Unsere Autorin hat es
> ausprobiert.
Bild: Macht keinen Dreck, aber Ebbe auf dem Konto: das Betriton
Es gibt Erfindungen, die alles wollen, dann aber doch eine große
Enttäuschung sind. Urinellas zum Beispiel. Mit der [1][trichterförmigen
Urinierhilfe] aus Silikon oder Pappe sollen auch Frauen im Stehen an den
erstbesten Bauzaun pinkeln können. Für mehr Gleichberechtigung beim
Urinieren soll das sorgen – schöne Idee. Aber am Ende hat man ein
vollgepinkeltes Gummiding in der Hand und fragt sich, warum man sich nicht
doch einfach hinter einen Busch gehockt hat. Die E-Zigarette ist auch so
eine Erfindung. Sie soll genau so viel Spaß machen wie Rauchen, ohne
ungesund zu sein. So richtig [2][stimmt beides nicht].
Und jetzt das: Ein Lastenfahrrad, das gleichzeitig Campingmobil und
Elektroboot ist. Der [3][bessere Campingvan quasi], ohne Abgase, ohne
Staus, ohne Parkplatzsuche, weil man auch auf dem Wasser ankern kann, wenn
man möchte. Als erprobte Campingvanurlauberin kenne ich das schlechte
Gewissen, wenn die dunkelgrauen Abgase beim dritten Versuch, den alten
Mercedesbus zu starten, über den Parkplatz ziehen. [4][Das Betriton] macht
keinen Dreck.
Lässt sich damit also der Campingurlaub revolutionieren? Oder ist das
Dreirad dann doch nur die Urinella unter den Fortbewegungsmitteln?
Aigars Lauzis ist mit zwei Kollegen angereist, um seine Erfindung am
Berliner Wannsee zu präsentieren. Der Lette hat seinen Beruf als
Landschaftsarchitekt aufgegeben, um das schwimmende Lastenrad zu
entwickeln. In seinem Job sei es letztendlich immer darum gegangen, noch
mehr Flächen mit Beton zuzuschütten. Darauf habe er keine Lust mehr gehabt,
Fahrradfahren sei hingegen eine Leidenschaft.
Über das Trittbrett klettere ich auf den Sitz, wie eine Schnecke mit ihrem
Haus setze ich mich auf der Straße in Bewegung. Der Elektroantrieb nimmt
mir die Anstrengung ab, aber es wackelt, weil die Pedale unterhalb des
Lenkers montiert sind. Mit jedem Tritt zieht es den Lenker ein Stück nach
links oder rechts. Das Betriton könne nicht umkippen, sagt Lauzis mehrfach.
Ich bin mir da nicht so sicher.
## Im Stehen oben rausgucken, wie bei einem Cabrio
Dann tauschen wir, Lauzis will mir zeigen, wie schnell sein Dreirad
wirklich fahren kann. Mit 25 Kilometern pro Stunde brettert er die Straße
entlang, und ich fühle mich in der Kabine hinten erstaunlich sicher. Weil
das Dach zurückgeklappt ist, kann ich im Stehen oben rausgucken, wie bei
einem Cabrio. Ich stelle mir vor, wie cool es sein muss, mit diesem Gefährt
in den Kindergarten gebracht zu werden, alle wären neidisch. Dann fällt mir
ein, dass ich nie wieder Kindergartenkind sein werde.
Aber Camperin schon. Lauzis rollt eine auf den Innenraum der Kabine
zugeschnittene Matte aus, etwas dicker als eine Yogamatte. In der 2,10
Meter langen Kabine kann ich mich problemlos ausstrecken. Zu zweit wird es
in der Breite aber eng. Man muss die Person schon sehr mögen, mit der man
sich hier schlafen legt.
## Zwei Klicks und plötzlich sitzt man im Boot
Der eigentliche Clou des Gefährts ist, dass man es zum E-Boot
umfunktionieren kann. Wenn einen die Mücken an Land zerstechen, kann man
aufs Wasser flüchten. Aigars Lauzis schiebt das Rad so weit ins Wasser, bis
es schwimmt. Er und seine Kollegen klappen die Räder hoch, mit zwei Klicks
montieren sie stabilisierende Kissen unter den Rückrädern. Ich wate ein
paar Schritte ins Wasser, klettere in die Kabine und sitze plötzlich in
einem Boot.
Auch ohne Bootsführerschein darf ich das Betriton raus auf den See lenken.
Das kleine Lenkrad erinnert mich an Autoscooter fahren. Ähnlich wendig wie
die bunten Autos auf dem Rummel ist das Fahrzeug auf dem Wasser. Ich drehe
eine Kurve nach links, nach rechts, beschleunige. Die acht Kilometer pro
Stunde kommen mir vor wie 80. 25 Kilometer könnte ich auf dem Wasser mit
einer Akkuladung zurücklegen, an Land wären es bis zu 150 Kilometer.
Nach Südfrankreich komme ich mit diesem Camper also kaum in zwei Wochen
Sommerferien, überschlage ich grob. Die Vorstellung, bald mit vielen
anderen Dreirädern auf einem See zu dümpeln, wird für mich aber vor allem
durch etwas anderes unrealistisch: Knapp 20.000 Euro netto kostet das
Betriton. Mit Steuern sogar rund 24.000 Euro. Das sind fünf
Langweilerlastenräder oder [5][ähnlich viele gebrauchte Campervans]. Ein
kleines Motorboot gibt es gebraucht auch für wenige tausend Euro. Müssen
diese Funktionen wirklich kombiniert werden?
## Vielfältigkeit versus Komfort
Bei 3-in-1-Artikeln wurde ich schon immer skeptisch. Der Göffel zum
Beispiel vereint Löffel, Gabel und Messer in einem Besteckteil. Durch das
Wenden von Gabel zu Löffel landet das Essen allerdings nicht nur im Mund,
sondern auch an den Fingern. Und mit der gezackten Gabelkante schneidet es
sich nicht besonders gut. Mit dem Betriton ist das ähnlich: Durch seine
Vielfältigkeit büßt es an Komfort ein.
Trotzdem haben über 170 Leute das amphibische Lastenrad vorbestellt,
erzählt Aigars Lauzis. Ein paar fahrradbegeisterte Campingfreaks mit Geld
scheint es also zu geben. In Arbon am Schweizer Ufer des Bodensees kann man
das Betriton bald auch für ein paar Tage mieten. Dort haben Lauzis und
seine Kollegen gerade die ersten Räder abgeliefert. Ich werde mit dem Van
vorbei am Bodensee und weiter Richtung Süden fahren.
25 Jun 2023
## LINKS
[1] /Ein-Urinal-fuer-Frauen/!5844482
[2] /E-Zigarette-Tabakerhitzer-und-Co/!5622788
[3] /Leben-im-Wohnwagen/!5773006
[4] https://betriton.com/
[5] /Reisen-mit-Camper/!5881704
## AUTOREN
Sophie Fichtner
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