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# taz.de -- Ungewöhnlich große Luxusyachten: Ein Außenborder ist nicht genug
> Motoryachten werden immer größer und immer teurer, doch die meiste Zeit
> liegen sie eh am Steg. Gekauft werden sie vor allem von älteren Herren.
Bild: Motoryachten in einem Hamburger Bootsclub
Es gibt ja Szenekenner, die sagen, [1][Motorboote] seien „[2][schwimmende
Residenzen] mit gelegentlich wahrgenommener Ablege-Option“. Da ist was
dran, es erklärt auch ein bisschen, warum die Schiffe immer größer werden.
Und da reden wir jetzt noch nicht von den Superyachten der Superreichen.
Denken Sie an all die vorzugsweise älteren Paare, die man hierzulande in
den Häfen sieht, mit Kaffee und Buch in der Hand, auf einem Sitzkissen, die
das Wochenende auf ihrem Schiff verbringen, das oft schon ein paar
Jahrzehnte alt ist. Bei schönem Wetter sind sie oben an Deck, unten gibt es
einen Salon mit Esstisch und kleiner Küche, im Vorschiff ein Doppelbett,
dazwischen ein Klo, vielleicht sogar eine Nasszelle.
Sie haben dann eben keine Datscha am Stadtrand, wo sie jetzt Unkraut zupfen
und womöglich sogar Gemüse anbauen müssten. Dafür schaukelt das Boot
angenehm vor sich hin, man ist am Wasser, also glücklicher als zu Hause auf
dem urbanen Sofa. Nachmittags fährt man vielleicht mal raus, für eine
Stunde oder zwei, oder liegt mal irgendwo anders vor Anker und angelt.
Während der Pandemie boomte der Gebrauchtbootmarkt, da wurde alles
verkauft, was noch schwamm, selbst Schiffe, die schon lange an Land
standen. Man konnte ja nicht weg, raus wollte man aber trotzdem,
heimatnaher Urlaub war wieder en vogue. Da half ein Boot. Und bis zu einer
Leistung von 15 PS darf man Motorboote sogar ohne Führerschein fahren.
## Länge läuft gut
Und jetzt? Mit dem Krieg in der Ukraine kam die Inflation, und die
Liegeplätze sind auch knapp geworden. Kleinere Motorboote verkaufen sich
nicht mehr so gut, vor allem solche, die weniger als 30 Fuß, also rund neun
Meter, lang sind und damit per se noch als klein gelten.
Was mehr als 200.000 Euro kostet, läuft dagegen gut: „Motorboote über 40
Fuß, also zwölf Meter, liefern die beste Performance“, schreibt der
[3][Bundesverband Wassersportwirtschaft] im neuesten Konjunkturreport. Wer
soziale Abstiegsängste hat, länger darüber nachdenkt, was alles wie viel
teurer geworden ist und was ihn die neue Wärmepumpe wohl kostet, kauft sich
jetzt halt kein Boot mehr. Und die anderen leisten sich gleich was
Größeres. „Menschen, die über ein höheres Barvermögen verfügen, gehen
offensichtlich der Entwertung durch die Inflation aus dem Weg und
investieren in ‚Schöne Dinge‘“, sagt der Branchenverband.
Der typische Motorbootbesitzer ist ein weißer Mann, 52 Jahre alt,
verheiratet, Akademiker und Chef von irgendwas, also Geschäftsführer,
leitender Angestellter oder Freiberufler. Dementsprechend hat er im
Mittelwert auch ein frei verfügbares Monatseinkommen von 2.640 Euro und
damit fast 500 Euro mehr als der Durchschnitt in der Tasche. Das jedenfalls
ist das Ergebnis der jüngsten Ausgabe von Europas größter Marktstudie, für
die fast [4][2.500 Leser:innen] des Branchenmagazins Boote befragt
wurden.
Rund zwei Drittel davon sind Eigner eines Bootes und ein Drittel hat für
ein neues Schiff immerhin mehr als 100.000 Euro ausgegeben. Auch Gebrauchte
dürfen deutlich mehr Geld kosten als früher: Wollten 2018 bei der gleichen
Studie die Befragten noch etwa 70.000 Euro für ein gebrauchtes Motorboot
ausgeben, so waren es 2022 schon über 90.000 Euro. Und auch hier zeigt
sich: Länge läuft. Die Zahl derer, die ein Schiff von mehr als zehn Metern
haben, nimmt in den letzten Jahren zu.
Was die [5][Bootstypen] angeht, so wird es schnell ein bisschen
unübersichtlich. Angefangen hat ja vieles mit den „Runabouts“ in den
fünfziger und sechziger Jahren, offene Sportboote aus Mahagoni mit einem
tief blubbernden Innenborder, mit viel Chrom, Panoramascheibe und
Cabrioverdeck, mit weißen Ledersesseln, einer Liegefläche und schlank
auslaufendem Heck. Stammten sie von der italienischen Riva-Werft, waren sie
der Liebling des Jetsets jener Zeit – Sean Connery, Brigitte Bardot und
Sophia Loren besaßen so ein Boot.
Heute gibt es beispielsweise „Bowrider“ ohne Kajüte, dafür mit einer
Liegefläche vorne. Bleibt man im Klischee, kann der Eigner damit am
Wochenende also erst die Freundin und die Kumpels, später auch die Kinder
ausfahren. Es gibt aber auch Boote mit Schlupfkabine ohne Stehhöhe und zwei
Schlafplätzen im Vorschiff („Cuddy Cabin“), es gibt Yachten, die eine Art
Aussichtsplattform mit zweiten Steuerstand haben („Flybridge“), es gibt
komfortbefreite, laute Rennboote als Porsche-Ersatz, die „Powerboats“
heißen, und „Weekender“, bei denen Schlafkojen, Toilette oder Bad, Kocher,
Spüle und Kühlschrank zum Standard gehören. Und so weiter.
## Schlauchboote sind beliebt, Megayachten auch
Steigender Beliebtheit erfreuen sich gerade RIBs, also „Rigid Inflatable
Boats“, Schlauchboote mit Feststoffrumpf, die früher eher Arbeitsboote und
Stiefkinder waren, jedoch mit ihrem Außenborder übers Wasser hüpfen können.
[6][Megayachten] fangen heutzutage erst so ab 60 Metern an und sind sehr
luxuriös ausgestattet. Sie brauchen aber auch allerlei [7][professionelles
Personal], das bisweilen eher ausgebeutet wird. Unter einer Million Euro
pro Meter geht hier in der Anschaffung gar nichts. Von den [8][zehn größten
Megayachten] der Welt – sie sind mindestens 146 Meter lang – wurden
übrigens sechs bei der Lürssen-Werft gebaut, am Rande des
ursozialdemokratischen Bremen.
Schlendert man über die [9][Boot] in Düsseldorf, die weltgrößte Bootmesse,
so sieht man zwei große – gegenläufige – Trends, besonders, was die Motor…
angeht: Inzwischen bietet fast jeder große Hersteller auch Elektromodelle
an, allerlei Werften wollen in ein paar Jahren nur noch Elektroboote bauen.
Die [10][Internationale Seeschifffahrtsorganisation] hat das Ziel
ausgegeben, die Treibhausgasemissionen des Seeverkehrs bis 2050 um 50
Prozent zu reduzieren, verglichen mit 2008. Hinzu kommt, dass Motorboote
auf den meisten Binnenseen verboten sind – für Elektroboote gelten
bisweilen andere Regeln.
Trotz aller betonten Nachhaltigkeit gibt es aber auch immer mehr immer
größere Schiffe mit immer stärkeren Motoren: Zwölf Zylinder in einem
Außenborder sind heute kein Problem mehr und 600 PS auch nicht. Der
Hersteller Mercury hat vor einer Weile einen vorgestellt. Warum? Der Markt,
Sie wissen schon: „Die Boote werden immer größer und die
Leistungserwartungen steigen“, sagt der Hersteller und dass die Nachfrage
„sehr stark“ sei. Was so ein Motor an Sprit verbraucht? Dazu schweigt der
Hersteller diskret.
Der Verbrauch wird auf Booten meist in Stunden und nicht in Kilometern oder
Seemeilen gemessen. Und für eine Stunde Fahrt rechnet man, grob gesagt, pro
PS mit einem Verbrauch von 0,21 Litern bei einem Diesel und 0,29 Litern
bei einem Benziner. Das wären bei 600 PS und Vollgas über 170 Liter in der
Stunde. Ein 20 Tonnen schweres, 13 Meter langes Fahrtenboot kann man bei
einem gemütlichen Reisetempo von etwa zehn Stundenkilometern aber mit etwa
acht Litern die Stunde bewegen.
Über haben muss man das Geld allerdings schon. Im Allgemeinen muss man
damit rechnen, dass die laufenden Kosten eines Bootes bei zehn Prozent des
Neupreises liegen, also: pro Jahr. Man kann aber schon sparen. Wenn man
sein Unterwasserschiff selbst schleift und streicht.
2 Jul 2023
## LINKS
[1] /Venezianische-Bootskultur-im-Film/!5876680
[2] https://www.boat24.com/de/blog/unterhaltskosten-motoryacht/
[3] https://www.bvww.org/wassersport-liegt-voll-im-trend
[4] https://www.boote-magazin.de/magazine/boote-magazine/das-neue-boote-magazin…
[5] https://www.boote-magazin.de/boote/motorboote/gebrauchtbootkauf-typenkunde-…
[6] https://www.blaetter.de/ausgabe/2023/april/zerstoererischer-reichtum?utm_so…
[7] https://www.freitag.de/autoren/the-guardian/der-reiche-mann-und-das-meer
[8] https://www.superyachts.com/top-100/largest
[9] https://www.boot.de/
[10] https://www.bmuv.de/themen/luft-laerm-mobilitaet/verkehr/seeverkehr
## AUTOREN
Jan Zier
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