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# taz.de -- Staatssekretär über Abkommen mit Kenia: „Wir wollen Wertschöpf…
> Kenia und die EU beschließen ein gemeinsames Handelsabkommen. Vor allem
> die Klimaschutzziele seien vorbildlich, sagt Staatssekretär Jochen
> Flasbarth.
Bild: Anfang Juni besuchte Kanzler Scholz in Kenia die größte Geothermie-Anla…
taz: Herr Flasbarth, Sie haben im Entwicklungsministerium das
[1][Handelsabkommen der EU (EPA)] mit Kenia mitverhandelt. Sind Sie
zufrieden mit dem Ergebnis?
Jochen Flasbarth: Ich finde das Abkommen wirklich gut. Es baut im
Wesentlichen auf dem Handelsabkommen auf, das wir 2014 zwischen der EU und
der Ostafrikanischen Gemeinschaft, verhandelt haben. Das hatte damals nur
Kenia unterzeichnet und ratifiziert, die anderen Mitgliedstaaten nicht.
Dadurch konnte es nicht in Kraft treten. Die EU hat mit Kenia bilateral
weiterverhandelt und ein sehr starkes Nachhaltigkeitskapitel ergänzt. Das
hat Kenia auch akzeptiert. Die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens ist
sogar zu einem wesentlichen Teil des Abkommens erklärt worden – gravierende
Verletzungen können zur Kündigung des Abkommens führen.
Sanktionen bei Verstößen gegen Regelungen zur Nachhaltigkeit wollte der
kenianische Präsident William Ruto allerdings nicht akzeptieren.
Richtig. Eigentlich haben wir uns in der Bundesregierung darauf
verständigt, in künftige EU-Handelsabkommen Regelungen aufzunehmen, um
beispielsweise Zollpräferenzen zurücknehmen zu können bei Nichteinhaltung
des Pariser Klimaabkommens oder der ILO-Kernarbeitsnormen. Das hat
Präsident Ruto klar abgelehnt – und ich muss sagen, ich kann das aus
kenianischer Sicht sogar verstehen. Kenia sagt, einerseits lobt ihr uns für
den Klimaschutz und wir nehmen diese Ziele mit ins Abkommen, andererseits
wollt ihr schon genau festlegen, wie wir bestraft werden, wenn wir uns
nicht daran halten. Sie fühlen ihre Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit
infrage gestellt. Kenia ist zudem auch ein spezieller Fall. Bei
Handelsabkommen mit anderen Partnern – da guckt natürlich jede und jeder
auf das [2][EU-Mercosur-Abkommen] – werden wir besonders mit Blick auf den
Waldschutz andere Maßstäbe anlegen müssen.
Warum ist Kenia ein anderer Fall?
Wegen der langen Vorgeschichte und des Versprechens, das wir gegenüber
Kenia einlösen. Formal ist das Abkommen von EU und Kenia ja schon seit 2016
unterzeichnet. Kenia wendet es jetzt bilateral an. Zudem gibt es inhaltlich
keine Anzeichen dafür, dass Kenia in Konflikt mit dem Pariser Klimaabkommen
oder den ILO-Kernarbeitsnormen kommen könnte. Im Klimaschutz ist Kenia
einer unserer vorbildlichsten Partner. Im Vergleich zu Deutschland ist das
Land wesentlich weiter, wenn es etwa um erneuerbare Energien geht, die dort
90 Prozent des Energiemix ausmachen. Es gibt keinen Ansatzpunkt,
misstrauisch zu sein, dass ausgerechnet ein solcher Champion hier in
Konflikt gerät.
Zum Thema Klimawandel: Dieses Abkommen fördert den Export. Kenias größte
Industrie exportiert Schnittblumen. Es ist eine Industrie, die extrem viel
Wasser braucht, Flächen nutzt. Die Schnittblumen werden nach Europa
transportiert. Ist das nachhaltig?
Die Treibhausgasemissionen in Kenia sind natürlich um Größenordnungen
geringer als unsere. 2030 werden wir nicht annähernd so weit sein, wie
Kenia es ist. Die Schnittblumenindustrie ist ein wichtiger Teil der
kenianischen Wirtschaft, aber es ist nicht die Wachstumsbranche der
Zukunft. Präsident Ruto will die kenianische Wirtschaft industrialisieren,
die Produktion von grünem Wasserstoff vorantreiben und die grüne
Düngemittelproduktion ausbauen. Das sind Kenias Zukunftsmärkte. Was die
Schnittblumen angeht: Als ich vor zehn Jahren am Lake Naivasha war, konnte
man sehen, wie der Wasserspiegel an dem See drastisch heruntergegangen ist
…
… um den Lake Naivasha ist ein großer Teil Kenias Schnittblumenindustrie
angesiedelt.
Jetzt haben wir aber das Problem, dass der Wasserspiegel im Lake Naivasha
ansteigt und es deshalb Umsiedlungen geben muss. Wir müssen schauen, wie
das Wassermanagement organisiert wird und ob es insgesamt gut eingebettet
ist in eine nachhaltige Entwicklung. Bleibt die Treibhausemission des
Flugverkehrs. Dafür gilt, dass der Flugverkehr ohnehin
treibhausgasneutral umgebaut werden muss.
Eine große Sorge bei Freihandelsabkommen mit der EU ist, dass kleine
Unternehmen, Kleinbäuer*innen mit Importen aus der EU nicht mithalten
können, weil die günstiger verkauft werden können.
Früher habe ich selbst auf die Exportsubventionen der EU geschimpft, mit
denen wir in Afrika die Argarmärkte kaputt gemacht haben. Das stimmt heute
nicht mehr. Gleichwohl gibt es nicht genug Nahrungsproduktion vor Ort.
Deswegen fördert das BMZ Kleinbauern und Kooperativen und speziell den
Zugang von Frauen zu Landrechten. All diese Instrumente entwickeln wir
weiter. Aber es wird nicht reichen, um die nötige Zahl von Jobs für eine
schnell wachsende junge Bevölkerung zu schaffen. Das Handelsabkommen wird
weitere wirtschaftliche Aktivitäten in Kenia hervorbringen. Präsident Ruto
hat gefragt, warum wir nur Wasserstoff haben wollen, um unsere
Stahlindustrie zu dekarbonisieren, Kenia könnte ja auch den Stahl selbst
produzieren und exportieren. Seitens des BMZ wollen wir möglichst viel
Wertschöpfung vor Ort schaffen.
Präsident Ruto, der sich auch vor dem internationalen Strafgerichtshof
verantworten musste, wird von Aktivist*innen und Journalist*innen
für ein repressives Klima kritisiert. Haben Sie darüber gesprochen?
Wir haben darüber gesprochen, [3][als Präsident Ruto in Berlin war], und
bekräftigt, dass Einschränkungen der Zivilgesellschaft für uns nicht
akzeptabel sind. Er bestreitet natürlich solche Einschränkungen. Aber auch
von Menschenrechtlern, mit denen ich in Kenia gesprochen habe, kam nicht
die Kritik, dass sie nicht agieren können. Ich will das aber gar nicht
kleinreden, wir müssen aufmerksam sein. Gleichwohl ist Kenia eines der
Länder, die zumindest von ihrer Grundkonstitution demokratische Werte
vertreten.
Kritisiert wird auch, dass dieses Abkommen die Ostafrikanische Gemeinschaft
und das Projekt der Afrikanischen Freihandelszone untergräbt.
Das sehe ich nicht so. Wir sind großer Unterstützer der Afrikanischen
Freihandelszone und wir fördern sie über unsere Unterstützung für die
Afrikanische Union (AU) und das Sekretariat der Freihandelszone in Accra.
Ich habe in Addis Abeba mit der AU-Kommission darüber gesprochen, dass wir
hier künftig noch mehr unterstützen wollen. Denn ohne den
innerafrikanischen Freihandel wird es nicht gelingen, dass der Kontinent
ausreichend wächst, um die erforderlichen 25 Millionen Jobs jedes Jahr für
die junge Bevölkerung zu schaffen. Die Länder der East African Community
sind eingeladen, dem Abkommen mit Kenia beizutreten.
19 Jun 2023
## LINKS
[1] /Handelsexperte-ueber-EU-Afrika-Beziehung/!5919386
[2] /Von-der-Leyen-in-Suedamerika/!5940685
[3] /Besuch-von-Kenias-Praesident-in-Berlin/!5921726
## AUTOREN
Leila van Rinsum
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