| # taz.de -- Mutter-Musiker Max Müller über Soloalbum: „Lieber was Nettes si… | |
| > Der Berliner Mutter-Sänger Max Müller über die wunderschöne Donau, | |
| > privilegiertes Motzen und weshalb ihm die Musik von Herbert Grönemeyer | |
| > Stress bereitet. | |
| Bild: Schert sich ums Niveau: Max Müller vor einigen Jahren bei einem Konzert … | |
| taz: Herr Müller, die 32 Stücke auf „Was weiß ich“ klingen sehr | |
| skizzenhaft, gerade die Instrumentals. Sie haben die Songs allein in einem | |
| Studio aufgenommen. | |
| Max Müller: Ich hab die Musik komplett zu Hause aufgenommen. Sie ist am | |
| Rechner entstanden, ich war nicht in einem Studio. | |
| Auf dem Cover ist aber „Gotenstudio“ als Aufnahmeort angegeben. | |
| Ja, da wohn ich. Das ist die Berliner Straße, in der ich lebe. | |
| Verstehe. Auf „Was weiß ich“ sind musikalische Einflüsse zu hören, die m… | |
| von Ihnen, ob solo oder mit Ihrer Band Mutter, noch nicht kennt. Man ahnt | |
| die Krautrockband Neu! zum Beispiel, ja sogar Disco. Sind Sie mit einer | |
| konzeptuellen Idee an Ihr neues Album rangegangen? | |
| Das Konzept ist, dass es eigentlich kein Konzept gibt. Mit der Band ist das | |
| auch nicht sehr anders. Wenn ich die Sachen im Alleingang realisiere, bin | |
| ich natürlich noch freier. „Das klingt schön“, „Das gefällt mir“ rei… | |
| als erste Urteile, und von da aus bearbeite ich die Skizzen dann weiter. | |
| Dass die Stücke so kurz geraten sind, ist aber schon Absicht. Das wollte | |
| ich so. | |
| Ist ein Soloalbum eine Möglichkeit, Musik zu machen, die mit Ihrer Band so | |
| nicht möglich ist? | |
| [1][Ich komponier die Stücke eh alle selbst, auch die für Mutter]. Und wir | |
| haben mit der Band ja auch schon alles gemacht. Ich finde eigentlich, dass | |
| bei jedem Musikstil etwas dabei ist. Es gibt nichts, was ich komplett | |
| schrecklich finde. Deshalb ist auf dem neuen Album musikalisch auch so viel | |
| durcheinander. Aber es ist trotzdem rund, weil es halt von mir ist. | |
| Der Begriff, der mir zu Ihrer Musik spontan einfällt, ist „Eigensinn“. Aber | |
| Verweigerung interessiert Sie gar nicht, oder? | |
| Nein. Wir waren mit Mutter immer offen. Keiner von uns würde Musik machen, | |
| wenn wir uns ständig irgendwas oder irgendwem verweigern müssten. Wozu? | |
| Macht keinen Sinn für mich! Mir macht das ja total Spaß. Viele andere | |
| Sachen langweilen mich halt, die sind mir zu simpel. | |
| Wenn jemand sperrige oder eben eigensinnige Musik macht, entsteht schnell | |
| der Verdacht, er würde das große Publikum fernhalten wollen. | |
| Im Gegenteil. [2][Ich will ja, dass alle Menschen zu mir kommen und sich | |
| das anhören.] Umgekehrt finde ich andere Musik sperrig, die von Herbert | |
| Grönemeyer zum Beispiel. Mit der hab ich echt Schwierigkeiten. | |
| Grönemeyers Musik erzeugt beim Hören massiven Stress, das kann ich | |
| bestätigen. | |
| Aber es ist mir auch wurscht, ich bin einfach nur immer wieder überrascht, | |
| in was für einem Universum ich lebe und in was für einem Universum andere | |
| leben. Mich verblüfft, dass man die Musik von Herbert Grönemeyer zum | |
| Beispiel als total locker empfinden kann. [3][Das tut mir sehr leid, aber | |
| da komm ich einfach nicht dahinter.] | |
| Ihr neues Album „Was weiß ich“ beginnt im Auftaktsong mit einem Wunsch: �… | |
| könnte alles schön sein / Wenn die Leute nicht mehr schimpfen würden“. Gab | |
| es irgendwann einmal das Bedürfnis, so etwas wie einen Protestsong zu | |
| schreiben? | |
| Dieses ständige Gemotze über Sachlagen, die ich vielleicht auch nicht toll | |
| finde, aber die irgendwie halt dazugehören … Ich hab schon mit meiner | |
| Punkband in Wolfsburg Anfang der achtziger Jahre versucht, andere Texte zu | |
| machen. Nicht immer gegen Bullen und so was. Wenn man über Dinge länger | |
| nachdenkt, sind die oft auch gar nicht mehr so schrecklich. | |
| Warum ist das so? | |
| Wir meckern drüber, weil wir hier in einem ziemlichen Luxus leben. Vieles | |
| ist auch einfach gar kein Problem. Den Ansatz hatte ich schon mit 15 oder | |
| 16. Lieber was Nettes singen. Das stößt dann aber auch wieder viele Leute | |
| vor den Kopf. | |
| Hat Punk für Ihre Musik heute eigentlich überhaupt noch eine Bedeutung? | |
| Nein. Es gibt ja gerade wieder ein Revival, da bin ich total baff. Die | |
| Musik klingt genauso wie damals. | |
| Sie meinen Bands wie Team Scheiße, Pisse und so weiter? | |
| Ja, die sind alle okay, aber ihre Musik greift eben etwas Altes noch mal | |
| auf. Punk war eine Zündung, um sagen zu können, jeder kann ein Instrument | |
| spielen. Was ja überhaupt nicht stimmt, aber das wusste ich damals nicht. | |
| Ich spiele bis heute Gitarre und kann es eigentlich nicht. Ich mach Musik | |
| und hab das nie gelernt. Ich hab auch kein Interesse, das professionell zu | |
| lernen. Gelangweilt haben mich im Punk die Leute, die das alles immer nur | |
| weiter verfeinert haben. Im Grunde war das immer dasselbe. Musikalisch hat | |
| Punk keine Bedeutung mehr für mich. | |
| Man erfährt aus Ihren Songs wenig über Sie. Sie scheinen immer jemand | |
| anderen oder etwas anderes zu beschreiben. Kindheit in Wolfsburg, Punk | |
| entdeckt, dann Westberlin, Kreuzberg, erst in der Band Camping Sex, dann | |
| die Band Mutter gegründet – wollten Sie nie autobiografisch schreiben? | |
| Nein. Damit möchte ich die Leute nicht langweilen. Aber es haben schon | |
| viele meiner Songtexte etwas mit mir zu tun. Ich bin ich es ja, der darin | |
| aus seiner Perspektive die Welt beschreibt. Das macht es dann auch wieder | |
| offener. Ich finde es auch wichtig zu sagen, dass man mal nicht weiß, wie | |
| was geht. Und dann trotzdem drüber zu singen, obwohl man ratlos ist. Das | |
| heißt nicht, dass ich zu Sachen keine Haltung habe. Aber es ist gut, wenn | |
| man zugeben kann, dass man keine Ahnung hat. | |
| Mir ist an „Was weiß ich“ die Einfachheit aufgefallen. Eine Zeile wie „Wo | |
| du bist, ist es schön, jeden Morgen auf der Welt“ zum Beispiel. Ist das | |
| eins zu eins gemeint? | |
| Normalerweise erzähl ich eigentlich nichts über die Entstehung der Lieder, | |
| weil ich denke, das kann ja jeder selber rausfinden. Aber in dem Fall ist | |
| da gar nichts rumzudeuteln: Ich war an der Donau mit meiner Freundin, und | |
| das war dann genau das. Wenn das für jemand etwas gebrochen klingt, ist das | |
| aber auch wunderschön. Ich geb mit der Musik ja nichts vor. | |
| „Was weiß ich“ ist insgesamt ein sehr menschenfreundliches Album geworden. | |
| Ja, das finde ich auch. | |
| 31 May 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Benjamin Moldenhauer | |
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