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# taz.de -- Postrock der Band The Fucking Champs: Heavy Metal ohne Achselschwei…
> Die Wiederauflage des Debütalbum „III“ der Fucking Champs von 1997 geht
> ins Ohr, auch heute. Sie legten das Skelett der Musik bloß.
Bild: Ohne Pose geht es nicht: The Fucking Champs
In den Neunzigern waren sie auf einmal gefühlt überall: Bands, die
irgendwie noch Rock spielten, aber mit ein, zwei Abstraktionsgraden
dazwischengeschaltet. Durch Elektronik, Jazz, Reduktion und Repetition
wurde das Versprechen auf Unmittelbarkeit und Authentizität als obsolet
markiert. Stattdessen fabrizierten Bands wie [1][Trans Am, Slint, June of
44] und noch einige Dutzend ihren Sound so, als würden sie Musik über die
Musik spielen, die sie gerade spielen, mit Metaebene, Kontrolliertheit und
manchmal auch Ironie und Tongue-in-cheek-Gedöns.
Einerseits war das befreiend, weil Rock schon in den 1990ern arg
festgefahren war. Andererseits aber auch anstrengend, weil sehr verkopft –
im besten Fall auf eine gute Weise allerdings.
Um das alles genreförmig zu bündeln, einigte man sich auf den Begriff
Postrock. Was damals noch kein Synonym für aufgebrezelt-sinfonische
Instrumentalmusik war, sondern einfach Rock ohne Rockismus meinte.
Weitgehend unter dem Radar geblieben ist – zumindest hierzulande – die Band
The Fucking Champs aus San Francisco. Deren 1997 erschienenes
Debüt-Doppelalbum „III“ ist jetzt zum 35-jährigen Jubiläum vom US-Label
Drag City wiederveröffentlicht worden.
## Iron Maiden mit Mathematik fusioniert
Bis dahin hatte die Band ein paar Tapes veröffentlicht und auf ihren
Konzerten verkauft. Das erste Album sollte dann gleich ein Doppelalbum
werden. Diesen Hang zur großen Geste kann man dann auch durchgängig hören
in den Songs des Albums: zwei Gitarren und ein Schlagzeug spielen
druckvollen [2][Heavy Metal]. Nur halt sozusagen skelettiert, und das
heißt, hier bis auf wenige Ausnahmen instrumental und durch
Taktverschiebungen und hin und wieder gegenläufige Gitarren in Schräglage
versetzt. Die Idee war, so klingt es zumindest, die Musik von Iron Maiden
mit Mathematik zu fusionieren.
Die genretypisch verschrobenen und unentschlüsselbaren Songtitel („Andres
Segovia Interests Me“, „Now Is the Winter of Our Discoteque“, „You’ve…
Thirst, Portland“) tun ihr Übriges. The Fucking Champs spielten eine
clevere und trotzdem sehr bezaubernde Post-Musik: ohne Klischees und
Achselschweiß, Heavy Metal, der nie langweilig ist, sondern das Herz von
Hörerin und Hörer mit Freude zu erfüllen vermag.
Trotz Abstraktions- und Metaästhetik, und an diesem Punkt sticht „III“ aus
der rückblickend manchmal auch nervtötend ausgedacht wirkenden ersten
Postrockwelle heraus, ballern diese Stücke nämlich ganz ungemein. „Valkyrie
is Dying“ zum Beispiel ist ein fröhlich sägender Progrock-Monolith, aber so
gespielt, als würden hier drei hochbegabte, besoffene Teenager aus der
Garage ihres Elternhauses heraus operieren. Oder „Dale Bozzio“, eines der
wenigen Stücke auf „III“ mit Gesang und mit wenigstens vier Tempiwechseln
und anderen Vertracktheiten, das trotzdem direkt ins Ohr und da dann auch
nicht mehr rausgeht.
Einer der zwei damaligen Gitarristen der Fucking Champs war Tim Green, der
zuvor mit der Band Nation of Ulysseus von Washington aus den Hardcore
revolutionierte, der andere, Josh Smith, spielte kurz nach dem Erscheinen
von „III“ in der kurzlebigen, aber legendären Black-Metal-Band Weakling
(zehn Jahre später stieg dann noch der Trans-Am-Gitarrist Phil Manley in
die Band ein).
Das sind schon mal zwei Pole, die The Fucking Champs vom übrigen abstrakten
Treiben artverwandter Bands absetzen. Weakling und Nation of Ulysseus
machten eine ausgesprochen körperliche Musik.
Und The Fucking Champs wollten hörbar eine Heavy-Metal-Band sein,
vielleicht auch in dem Wissen, dass man als Brillenträger in
Nordkalifornien kein britisches Heavy-Metal-Bühnen-Urviech mehr wird werden
können. Aus dieser Spannung – Brille versus Urviech – bezieht diese Musik
ihre Energie und ihren Humor. Von beidem hat sie mehr als genug.
6 Aug 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Benjamin Moldenhauer
## TAGS
Musik
Rock
Heavy Metal
Geschichte
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Krautrock
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