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# taz.de -- Bettelverbot in Krefeld: Sich wehren hilft
> Ein Betroffener hat in Krefeld eine Aufhebung des dortigen Bettelverbots
> bewirkt. Auch Arme gehörten dazu in einer Gesellschaft, sagt er.
Bild: Auch in Krefeld darf bis auf weiteres wieder gebettelt werden
Krefeld taz | Schon länger ist in Krefeld „organisiertes,
verkehrsbehinderndes oder aggressives Betteln“ verboten. Doch der Stadt
reichte das noch nicht: Im März erließ sie eine Allgemeinverfügung und
erweiterte das Verbot durch den Tatbestand „aktives“ Betteln in der
Innenstadt. Dagegen beantragte der Krefelder Federico Tolli mit
Unterstützung der Linken vorläufigen Rechtsschutz vor dem Düsseldorfer
Verwaltungsgericht – [1][und bekam diese Woche recht]: Das Bettelverbot sei
rechtswidrig und wird vorläufig ausgesetzt.
Tolli bezieht Arbeitslosengeld II. Um sich etwas dazuzuverdienen, bettelt
er in der Krefelder Innenstadt. „Es gibt ja dieses bekannte Vorurteil, dass
man durch soziale Leistungen abgesichert ist“, sagt Tolli. Er sei aber
nicht leistungsfähig genug, um zusätzlich auf andere Weise Geld zu
verdienen. „Früher bin ich zum Beispiel auf den Bau gegangen – aber die
Tuberkulose hat meine Lunge zerstört“, sagt er. Durch das Betteln komme er
an Geld auf legalem Wege. „Leute, denen es nicht gut geht, sollten durch
das aktive Bettelverbot aus dem Stadtbild verbannt werden – sie gehören
aber dazu in einer Gesellschaft“, sagt Tolli.
Stephan Hagemes und Julia Suermondt von der Linken unterstützten den
Rechtsschutzantrag von Tolli. „Ich habe damals gesagt: Scheißegal, was das
kostet, ich übernehme das“, sagt Suermondt, die Tolli schon seit Jahren
kennt. Das aktive Bettelverbot sei so schwammig formuliert, dass
rechtsunkundige Menschen nicht wüssten, welche Handlungen nun erlaubt und
welche verboten seien. „Betteln per se bedeutet doch: Aufmerksamkeit
erregen. Wo hört das erlaubte, stille Betteln auf?“, fragt Suermondt. „Es
ist arrogant, eine Allgemeinverfügung gegen Menschen zu erlassen, die sich
nicht wehren können.“
Das Verwaltungsgericht setzte das Bettelverbot mit der Begründung aus, dass
schon fraglich sei, ob die Allgemeinverfügung überhaupt die geeignete
Handlungsform sei – schließlich existiere schon eine Verordnung in Krefeld,
die bestimmte Bettelformen verbiete.
## Erhebliche Unsicherheiten
„Würde die Regelung weiter gelten, wäre das Betteln mit erheblichen
Unsicherheiten verbunden gewesen“, sagt Tollis Anwalt Julius Altmiks. Der
Ordnungsdienst hätte sich auf ein Verbot stützen können, bei dem niemand
gewusst hätte, wie weit dieses wirklich gehe. „Das Tor für repressive
Maßnahmen gegen bettelnde Menschen und Herrn Tolli wäre weit geöffnet
gewesen“, sagt er.
Die Stadt Krefeld begründet die Notwendigkeit des Verbots des „aktiven
Bettelns“ mit Hinweisen von Bürger*innen und Einzelhandel auf „übermäßig
störendes bis aggressives Bettelverhalten“: „Die Bürgerinnen und Bürger
sollen das Gefühl haben, sich ungestört im Krefelder Stadtzentrum aufhalten
zu können“, schreibt die Stadt Krefeld der taz.
Suermondt, die für die Linke im Stadtrat sitzt, stimmt zu, dass die
Atmosphäre und das Innenstadtsterben in der Stadt teilweise bedrückend
seien: Dass Einnahmen einbrächen, liege aber nicht an den Bettelnden,
sondern sei eine [2][gesamtgesellschaftliche Entwicklung].
Federico Tolli selbst kann die Leute verstehen, die nicht belästigt werden
wollen. Aber wenn es nur um Aufmerksamkeit gehe, [3][solle Betteln erlaubt
sein]. „Es liegt ja in unserem Interesse, nicht negativ aufzufallen“, sagt
er. Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts kann die Stadt Krefeld
noch Beschwerde einlegen.
10 Jun 2023
## LINKS
[1] https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/krefeld-bettelverbot-gestoppt-100…
[2] /Leerstand-im-Luebecker-Stadtzentrum/!5713963
[3] /Aktivist-ueber-Bettelverbote-in-Hamburg/!5928138
## AUTOREN
Nina Spannuth
## TAGS
wochentaz
Schwerpunkt Stadtland
Bettler
Innenstadt
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Kolumne Ethikrat
Obdachlosigkeit in Hamburg
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