# taz.de -- Bremen verbietet Betteln in Außengastro: Cappuccino ohne Elend | |
> Bremens rot-grün-rote Koalition verbietet Bettlern das Ansprechen von | |
> Gästen in der Außengastronomie. Nur passives Betteln bleibt erlaubt. | |
Bild: Weiterhin erlaubt: Still den Becher hinhalten | |
HAMBURG taz | Die Bremer Stadtbürgerschaft hat am Dienstag „aufdringliches | |
und aggressives Betteln“ verboten. Darunter fällt auch das Ansprechen von | |
Leuten, die im Außenbereich von Restaurants und Cafés auf dem Bürgersteig | |
sitzen. | |
Missbräuchliche Formen des Bettelns minderten die Aufenthaltsqualität für | |
Bürger wie Besucher, heißt in einem [1][Gesetzentwurf des rot-grün-roten | |
Senats], auf dem der Beschluss der Stadtbürgerschaft fußt. Sie wirkten sich | |
nicht nur auf den Wohlfühlcharakter der Stadt, sondern auch auf die | |
touristischen Betriebe sowie „das subjektive Sicherheitsempfinden der | |
Menschen“ aus. | |
Bürgerschaft und Stadtbürgerschaft überschneiden sich in dem | |
Zwei-Städte-Land. Die meisten Abgeordneten gehören sowohl dem Landtag als | |
auch dem Kommunalparlament an. In beiden herrscht eine rot-grün-rote | |
Mehrheit. | |
Unter aufdringlichem und aggressivem Betteln versteht der Gesetzentwurf | |
neben dem Betteln im Freien auch das Betteln in Bussen und Bahnen sowie das | |
Sichhinsetzen oder -stellen auf dem Gehweg. Unzulässig ist es demnach, | |
Personen aufdringlich anzusprechen, zu beschimpfen, zu verfolgen, an der | |
Kleidung zu ziehen oder von Passant zu Passant zu gehen. Stilles, passives | |
Betteln, etwa mit einem Schild, sei dagegen „grundsätzlich zu tolerieren“, | |
heißt es in den Erläuterungen zum Gesetzentwurf. | |
## Senat verweist auf Beschwerden aus der Bevölkerung | |
Der Senat begründet seine Initiative damit, dass aufdringliche und | |
aggressive Formen des Bettelns in den vergangenen Jahren in Bremen deutlich | |
zugenommen hätten, wie Polizei und Ordnungsdienst festgestellt hätten. | |
Zudem häuften sich Beschwerden aus der Bevölkerung. Solche seien vielfach | |
an Regierungsfraktionen herangetragen worden, sagt Michael Labetzke von der | |
grünen Bürgerschaftsfraktion. „Allein auf dem Weg vom Bahnhof zur | |
Bürgerschaft werde ich ein- bis zweimal angesprochen“, sagt Labetzke. Es | |
gehe lediglich darum, übermäßiges Betteln einzudämmen. | |
Die SPD-Fraktion äußerte sich am Mittwoch nicht. Die Abgeordneten seien zu | |
sehr durch die laufende Bürgerschaftssitzung in Beschlag genommen. Auch die | |
Linksfraktion ließ eine Bitte um Stellungnahme unbeantwortet. | |
Der Grünen-Abgeordnete Labetzke erinnert der taz gegenüber an die | |
schwierige wirtschaftliche Lage der Gastronomie. Wenn jemand eine | |
Konzession bezahle, um Tische und Stühle draußen aufstellen zu dürfen, | |
nehme er das Hausrecht wahr. Das Gesetz stellt es den Wirten frei, Betteln | |
zu erlauben. | |
„Aus unserer Sicht sind die neuen Regelungen nicht zu Ende gedacht“, sagt | |
Anke Mirsch vom Verein für Innere Mission Bremen. Die Menschen würden | |
trotzdem betteln, weil sie darauf angewiesen seien oder sich andere | |
Strategien ausdenken, auf die dann wieder reagiert werden müsse. Wenn | |
Betteln bestraft werde, sei das ein hoher und unsinniger Aufwand, weil die | |
Menschen die Strafe in der Regel nicht bezahlen könnten. Stattdessen | |
sollten den Menschen Alternativen wie niederschwellige Jobs angeboten | |
werden. | |
Das rot-grün-rote Bündnis habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, | |
versichert der Abgeordnete Labetzke. Im Übrigen müsse die jetzige Regelung | |
ja nicht das Ende bedeuten. „Wir gucken uns das erst mal an und schauen, | |
wie es wirkt.“ | |
## Gesellschaft für Freiheitsrechte will klagen | |
Möglicherweise werden die Bremer Verfassungsorgane dies nicht allein | |
entscheiden. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat angekündigt, | |
[2][gegen das Bettelverbot in Hamburger Bussen und Bahnen zu klagen]. | |
„Betteln ist grundrechtlich geschützt und ein Verbot kann nicht dadurch | |
gerechtfertigt werden, dass Fahrgästen die Konfrontation mit prekären | |
Lebensverhältnissen erspart werden soll“, sagte Mareile Dedekind von der | |
GGF der taz. Das gelte insbesondere, wenn ein Verbot auch stilles Betteln | |
einschließe. Dieses ist in Bremen zwar erlaubt, aber nicht | |
straßenbahntypisch. | |
In Hamburg weist die Hochbahn seit dem 22. Mai verstärkt auf die | |
[3][Einhaltung ihrer Beförderungsbedingungen] hin, zu denen neben einem | |
Verbot, die Schuhe auf die Sitze zu legen oder zu rauchen, auch ein Bettel- | |
und Musizierverbot gehört. | |
## Mehr Bußgelder in Hamburg | |
Anfragen der Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft haben ergeben, dass | |
jährlich insgesamt fünfstellige Bußgelder in U- und S-Bahnen verhängt | |
werden. Im Jahr 2020 wurden 1.240 Bußgelder verhängt und damit 49.640 Euro | |
eingenommen. Im gesamten Jahr haben sich 139 Fahrgäste beschwert. Ein | |
Einzelbußgeld beträgt 40 Euro. Nach einem Rückgang 2021, 2022 stieg die | |
Summe der verhängten Bußgelder 2023 auf knapp 69.000 Euro stark an. Im | |
ersten Halbjahr 2024 waren es schon 53.000 Euro. | |
„Betteln ist Ausdruck einer extremen Notlage“, sagt Olga Fritzsche von der | |
Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft. „Wer hier mit Bußgeldern vorgeht, | |
nimmt das Geld von den Falschen“, sagt Fritzsche. Außerdem sei doch längst | |
bekannt, dass [4][Verdrängung keine sozialen Probleme löse]. | |
20 Jun 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bremische-buergerschaft.de/index.php?id=506 | |
[2] /Polizei-am-Hauptbahnhof/!6015638 | |
[3] /Bettelverbot-in-Hamburger-U-Bahnen/!6009293 | |
[4] /Drogenkranke-an-Hamburgs-Hauptbahnhof/!6016719 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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