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# taz.de -- Betteln wird in Bremen schwerer: Der Wunsch, in Ruhe zu speisen
> In Bremen geht die rot-grüne-rote Regierung gegen das Betteln vor. In der
> Außengastronomie dürfen die Gäste nicht mehr angesprochen werden.
Bild: Hier darf wieder in Ruhe gespeist werden: Außengastronomie auf dem Breme…
Bremen gilt als soziale Stadt. Seit dem Zweiten Weltkrieg stellt die SPD
fast ununterbrochen die Bürgermeister, derzeit regieren die
Sozialdemokraten zusammen mit der Linkspartei und den Grünen. Auch wer die
SPD hinsichtlich sozialer Fragen schon lange abgeschrieben hat, konnte
darum von der Änderung des Ortsgesetzes überrascht sein, die die Bremische
Bürgerschaft am 18. Juni beschloss und [1][die das Betteln in der
Öffentlichkeit deutlich einschränken soll].
Sogenanntes „aufdringliches und aggressives Betteln“ ist seitdem in der
Stadt Bremen verboten. Menschen dürfen beim Betteln nicht angefasst,
bedrängt oder festgehalten werden und auch das nochmalige Fragen nach Geld,
nachdem eine Spende schon abgelehnt wurde, ist untersagt. Auf Außenflächen
der Gastronomie darf nicht mehr gebettelt werden, außer die Betreiber
erlauben es.
Als Ordnungswidrigkeit gilt jetzt auch aktives Betteln in Bussen und
Bahnen, ebenso, wenn der Fuß- und Straßenverkehr dadurch beeinträchtigt
wird. Von und mit Kindern war Betteln ohnehin schon verboten, und
„bandenmäßiges Betteln“ ist ebenfalls untersagt.
In der Gesetzesvorlage des rot-grün-roten Senats heißt es zur Begründung,
Polizei und Ordnungsamt hätten in den letzten Jahren einen Anstieg des
aufdringlichen Bettelns beobachtet, viele Menschen hätten sich bei den
Politiker:innen über die Situation beschwert. Der Deutsche Hotel- und
Gaststättenverband begrüßt die neuen Maßnahmen, die Zustände seien nicht
mehr tragbar gewesen.
Die neuen Regeln führten dazu, dass vor allem in der Außengastronomie
Betteln nun gar nicht mehr möglich sei, hieß es auf einer Kundgebung gegen
das neue Gesetz, bei der auch Betroffene sprachen. Der Verein Innere
Mission, der in Bremen zur evangelischen Kirche gehört und sich in der
sozialen Arbeit engagiert, weist darauf hin, dass die neuen Vorschriften
die Probleme nur verschieben. Niedrigschwellige Arbeitsangebote, bei denen
sich Menschen ohne viel Bürokratie ein paar Euro verdienen können, wären
hilfreicher.
## „Maßnahmen“ gegen Hilfsbedürftige
Doch „Maßnahmen“ gegen hilfsbedürftige Menschen scheinen Konjunktur zu
haben. In Essen wurde im April von Gastronomen und der Essen Marketing ein
eigener Sicherheitsdienst damit beauftragt zu verhindern, dass Gäste in der
Außengastronomie bedrängt werden. In Krefeld ist „organisiertes,
verkehrsbehinderndes oder aggressives Betteln“ seit 2019 verboten. Der
Versuch, „aktives Betteln“ generell zu verbieten, [2][scheiterte 2023 vor
dem Düsseldorfer Verwaltungsgericht].
Ob Betteln womöglich ein Grundrecht ist, [3][ist höchstrichterlich noch
nicht geklärt]. Die Bettelverbote treffen jedenfalls vor allem diejenigen,
die sowieso nichts besitzen, und in Bremen werden sie nun zusätzlich
sanktioniert: Ordnungsamt und Polizei können bei Verstößen ein Bußgeld von
bis zu 500 Euro verhängen.
Dass die Linkspartei, die in Bremen mitregiert, auch für das Gesetz
gestimmt hat, ist erschütternd, immerhin handelt es sich um eine Partei,
die vorgibt, dass ihr die soziale Frage sehr am Herzen liegt. Nun sorgt sie
dafür, dass auf dem Marktplatz und in den Einkaufsstraßen der Bremer
Innenstadt dem Konsum nichts mehr im Wege steht.
Auch dass die Grünen bei dem Gesetz mitgestimmt haben, blieb nicht
unwidersprochen. Ein Bremer Mitglied trat deswegen aus der Partei aus:
„Dieses Verbot“, schreibt er, „verteidigt Privilegien einer Klasse, die es
sich leisten kann, an gut gedeckten Tischen für teuer Geld zu speisen und
zu trinken – gegen die Zumutung der Armut, die von ihr geschaffen wird.“
6 Jul 2024
## LINKS
[1] /Bremen-verbietet-Betteln-in-Aussengastro/!6014795
[2] https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/vg-duesseldorf-bettelverbo…
[3] /Bettel-Verbote-in-Staedten/!6009294
## AUTOREN
Mika Backhaus
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