| # taz.de -- Bettelverbot in Hamburgs S- und U-Bahnen: S-Bahn verhindert Grundre… | |
| > Die Hamburger S-Bahn zahlt lieber ein Bußgeld zurück, als ein Urteil über | |
| > ihr Bettelverbot zu riskieren. Für Betroffene deutschlandweit ist das | |
| > fatal. | |
| Bild: In Hamburger Bahnen verboten: Nach Kleingeld fragen | |
| Es klingt erst mal fair. Die Hamburger S-Bahn hat einem Menschen eine | |
| Geldstrafe wegen unerlaubten Bettelns zurückgezahlt. | |
| Die Person hatte zusammen mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) | |
| und der Straßenzeitung Hinz&Kunzt im März gegen das Bettelverbot in den | |
| Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der S-Bahn geklagt. Ein ähnliches | |
| Verfahren gegen die Hochbahn, die U-Bahnen betreibt und auch ein | |
| Bettelverbot hat, läuft noch. | |
| Das Bettelverbot im Hamburger Verkehrsverbund (HVV) gibt es schon seit | |
| 2004. Erst seit der Fußball-EM der Männer im vergangenen Jahr wird es aber | |
| auch regelmäßig umgesetzt. Rund 3000 Bußgelder verhängte der HVV im | |
| vergangenen Jahr – über 50.000 Euro mussten Betroffene zahlen. Menschen, | |
| die das Bußgeld nicht zahlen können, droht ein Inkassoverfahren. | |
| Dass die S-Bahn dem Kläger jetzt die Strafe zurückgezahlt hat, ist für ihn | |
| eine gute Nachricht. Er hat nicht nur die Vertragsstrafe in Höhe von 40 | |
| Euro zurückbekommen, sondern sich auch erfolgreich gegen eine | |
| herabwürdigende und absurde Praxis gewehrt, Menschen zur Kasse zu bitten, | |
| weil sie arm sind. So arm, dass sie Leute in der Öffentlichkeit nach | |
| Spenden fragen. | |
| Davon können sich alle anderen Menschen, die wie der Kläger auf Spenden | |
| angewiesen sind und deswegen betteln, aber leider nichts kaufen. Indem die | |
| Hamburger S-Bahn, eine Tochterfirma der Deutschen Bahn, dem Kläger einfach | |
| das Geld zurückgezahlt und sich nicht gegen seine Klage verteidigt hat, hat | |
| sie verhindert, dass ein Gericht entscheiden kann, ob ihr Bettelverbot | |
| rechtmäßig ist. Sie hat sich rausgekauft. | |
| Jetzt kann die S-Bahn unbehelligt mit den Durchsagen und Plakaten, die auf | |
| das Verbot hinweisen, den Kontrollen und den Bußgeldern weitermachen. | |
| Theoretisch könnte sogar der Kläger, wenn er morgen wieder erwischt würde, | |
| wieder eine Strafe aufgebrummt bekommen, ohne dass er juristisch etwas | |
| dagegen in der Hand hätte. | |
| Der Move der S-Bahn wirkt aber auch über Hamburg hinaus. Die Hamburger | |
| S-Bahn hat mit der Zahlung an den Kläger verhindert, dass für ganz | |
| Deutschland endlich eine Frage geklärt wird, deren Beantwortung kritische | |
| Jurist*innen für seit Jahrzehnten überfällig halten: Ist Betteln | |
| grundrechtlich geschützt? | |
| Zwar hat das Bundesverfassungsgericht schon mal klargestellt, dass es kein | |
| Recht darauf gibt, nicht angebettelt zu werden. Und der Europäische | |
| Gerichtshof für Menschenrechte hat das Recht auf Betteln 2021 anerkannt. | |
| Für Deutschland fehlt bisher aber eine solche Gerichtsentscheidung. | |
| Hier ist Betteln seit 1974 zwar grundsätzlich nicht mehr verboten. Und dass | |
| Kommunen nicht einfach pauschal das Betteln, zum Beispiel in ihren | |
| Innenstädten, verbieten dürfen, haben Gerichte auch schon mehrfach | |
| entschieden. | |
| Bei diesen Urteilen scheiterten die Verbote aber an Formalia: Zum Beispiel | |
| wurde 2023 ein Bettelverbot in Krefeld gekippt, weil aus ihm nicht deutlich | |
| genug wurde, was genau das verbotene Betteln sein sollte. Mit der Klage in | |
| Hamburg hätte es jetzt endlich die Möglichkeit gegeben, grundsätzlich über | |
| das Betteln entscheiden zu lassen. | |
| ## Wem gehört der öffentliche Nahverkehr? | |
| Und es ging um noch mehr: um die Frage, wem eigentlich der öffentliche | |
| Nahverkehr gehört. Zwar dürfen Unternehmen wie die Hamburger | |
| Verkehrsbetriebe selbst entscheiden, was in ihren Beförderungsbedingungen | |
| steht. Sie haben das Hausrecht. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte | |
| argumentiert aber, dass die Bahn öffentlicher Raum ist. Und da ist Betteln | |
| eben nicht pauschal verboten. Auch damit hätte das Gericht sich | |
| beschäftigen müssen. | |
| So bleibt vorerst alles beim Alten und Betteln in den Hamburger Bahnen | |
| verboten. Gut ist das für niemanden. Nicht einmal für Leute, die selbst | |
| nichts abzugeben haben und vom Weg von der Nachtschicht nach Hause nur mal | |
| kurz ihre Ruhe haben wollen. Denn gebettelt wird trotz des Verbots. | |
| Schlecht ist es für alle, die so arm sind, dass sie Leute, die sie | |
| überhaupt nicht kennen, ansprechen, nach Geld fragen und deswegen auch noch | |
| Strafen zahlen müssen. | |
| 24 Jul 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Amira Klute | |
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