# taz.de -- Polizei vertreibt Bettler aus Innenstadt: Wer betteln will, muss st… | |
> Betteln im Sitzen ist in der Hamburger City verboten. Die Polizei hat das | |
> Vertreiben sitzender Bettler verstärkt, weil Händler sich beschwerten. | |
Bild: Aber nicht auf die Straße schreiben: Wer bettelt, muss aufpassen, keinen… | |
HAMBURG taz | Gleich mit acht Beamten sei die Polizei am Dienstag | |
angerückt, weil zwei Bedürftige mit Kreide „Haste mal ’ne Mark“ am | |
Hamburger Dom auf den Boden schrieben. Das sei „Kein Witz“, schrieb ein | |
Bürger auf Twitter. [1][Schikanen gegen Menschen], die betteln, nähmen seit | |
einiger Zeit gefühlt massiv zu, wenn ihr Anblick „Touris beim Shoppen | |
stören könnte“, twitterte er mit Verweis auf das [2][Straßenmagazin | |
Hinz&Kunzt]. | |
„Seit Ende Februar schon berichten uns Obdachlose, dass die Polizei ihnen | |
gegenüber ein ‚Bettelverbot‘ ausspricht“, bestätigt Jörn Sturm, der | |
Geschäftsführer von Hinz&Kunzt. Die Polizei fordere Leute auf, den Platz zu | |
verlassen, die sich mit ihren Sachen auf dem Gehweg niedergelassen haben. | |
Als Begründung käme der Hinweis, es gebe ein neues Gesetz. „Das gibt es | |
aber gar nicht“, sagt Sturm. | |
Erst auf mehrfache Nachfrage des Magazins [3][hatte die Polizei | |
eingeräumt], dass die in der Innenstadt tätigen Beamten zuletzt noch einmal | |
für Maßnahmen zur Erhaltung der Sicherheit und Ordnung „sensibilisiert“ | |
wurden. Woraufhin die Linke [4][eine Anfrage stellte], wieso Betteln ein | |
Problem der Sicherheit sei? Und was diese „Sensibilisierung“ erfordere? | |
Der rot-grüne Senat antwortete, dass Betteln auf öffentlichen Wegen zwar | |
zulässig sei, handele es sich nur um ein „Ansprechen“ mit der „Bitte um | |
Spenden“, unzulässig sei „Liegen und Lagern“, ebenso „Sitzen außerhal… | |
dafür vorgesehenen Bereiche“ und Campieren mit Sachen. | |
## Obdachlosigkeit soll Bürger wenig belasten | |
Das für die Innenstadt zuständige Polizeikommissariat 14 habe bereits im | |
Herbst auf gehäufte Beschwerden von Bürgern, Händlern und | |
Wirtschaftsverbänden reagiert. Diese hätten die „Begleiterscheinungen“ der | |
Obdachlosigkeit problematisiert, wie Personen, die erheblich alkoholisiert | |
wirken, und ein erhöhtes Aufkommen von Unrat und Exkrementen. Zu den | |
Aufgaben der Polizei, so der Senat, gehöre es, die negativen Wirkungen von | |
Obdachlosigkeit „für alle Beteiligten“ so „gering wie möglich zu halten… | |
In der Tat hatte das „City-Management Hamburg“, das ist ein Netzwerk von | |
rund 850 Unternehmen, Beschwerden erhalten und dies in Gesprächsrunden mit | |
der Stadt artikuliert. Sie habe viele Mails von Kunden erhalten, sagt | |
Geschäftsführerin Brigitte Engler. | |
Dabei ginge es um Obdachlose, die nicht in der Lage seien, sich um sich zu | |
kümmern, und organisierte Bettler, die morgens gebracht würden. „Die | |
normale Obdachlosigkeit stellt niemand infrage“, sagt Engler. Es gebe aber | |
in der Innenstadt eine große Anzahl von Randständigen, darunter viele | |
Drogenabhängige. Vor zwei Monaten hätten die Beschwerden den Höhepunkt | |
erreicht. „Momentan ist die Situation scheinbar entspannter.“ | |
Jörm Sturm ist indes besorgt, weil die Aktionen der Polizei die | |
Sozialarbeit erschwert. „Was wir von den Straßensozialarbeitern hören, ist | |
eine extrem ungute Situation. Das ist nicht aufsuchende, sondern suchende | |
Arbeit.“ Die Sozialarbeiter würden nun als Teil des Staates gesehen und | |
gemieden. | |
## Verschiedene Gründe zu betteln | |
Die Menschen bettelten aus unterschiedliche Gründen. „Etwa die Hälfte der | |
Obdachlosen hat keinen Anspruch auf Sozialleistungen“, sagt Sturm. Das | |
seien Menschen aus Osteuropa, die einst ihr Glück im „goldenen Westen“ | |
suchten und weder hier noch in der Heimat abgesichert seien. | |
Nicht immer obdachlos, aber auch auf Geld angewiesen seien Drogenabhängige, | |
die ihren Konsum finanzieren müssen. Daneben kämen aus Ländern wie Rumänien | |
und Bulgarien sehr Arme zu uns, die nicht dauerhaft hier bleiben wollten | |
und guckten, welche Option die beste Einkommenschance biete. „Betteln darf | |
man.“ | |
Sturm findet es zynisch, wenn die Stadt von negativen Auswirkungen von | |
Obdachlosigkeit „für alle“ schreibt. Die Polizei sollte die Vertreibung | |
sofort beenden, „weil das keinem Obdachlosen hilft“. Darin unterstützt | |
Diakonie-Pastor Dirk Ahrens. „Ja, bettelnde Menschen konfrontieren uns | |
direkt mit der Armut“, sagt er. „Aber was unangenehm ist oder stört, gehö… | |
noch lange nicht verboten.“ Die Menschen verlören ihren Lebensmittelpunkt. | |
## Mehr Hilfe für Drogengebrauchende nötig | |
„Es ist nicht richtig, wenn erhöhter Druck auf Bettler ausgeübt wird“, sa… | |
auch der Linken-Politiker Deniz Celik. „Wo sollen die denn hin?“ Die Linke | |
konstatiert, dass sich die Lage rund um den Hauptbahnhof für obdachlose | |
Menschen, die Drogen gebrauchen, verschlimmert hat, und [5][fordert deshalb | |
„konsumtolerante“ Unterstützungsangebote] wie eine Tagesaufenthaltsstätte. | |
Die Polizei bestätigt übrigens den Einsatz am Dom. Schausteller hätten von | |
zwei Bettlern berichtet, die den Gehweg beschmiert hätten, so ein Sprecher. | |
Der Verdacht, dass die auch ein Fahrzeug beschmiert hätten, habe sich aber | |
„nicht bestätigt“. Da die Bettler respektlos aufgetreten seien und man | |
weitere Konflikte mit den Schaustellern verhindern wollte, hätten die | |
Bettler Platzverweise erhalten. | |
31 Mar 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Repressive-Drogenpolitik-in-Hamburg/!5902050 | |
[2] https://www.hinzundkunzt.de/polizei-vertreibt-bettlerinnen-aus-der-innensta… | |
[3] https://www.hinzundkunzt.de/hamburger-senat-rechtfertigt-bettelverbote/ | |
[4] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/83102/warum_vertreibt_die_… | |
[5] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/83070/verelendung_am_haupt… | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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