| # taz.de -- Kai Wegner gegen gendergerechte Sprache: Der Weiterbildungsverweige… | |
| > Berlins Bürgermeister (CDU) spricht sich gegen „Gendersprache“ aus. Ein | |
| > Beispiel für rechte Kulturkämpfe, die das Scheitern von Politik | |
| > kaschieren sollen. | |
| Bild: Operierte in seiner Laufbahn immer wieder hart am Rande des Rechtsextremi… | |
| Kai Wegner, [1][neuer Regierender Bürgermeister Berlins, CDU], antwortete | |
| am Wochenende im Interview mit der Bild am Sonntag (BamS) auf die | |
| verführerische Frage, ob die Berliner Verwaltung weiter gendern müsse: „Ich | |
| habe noch keinen Brief in Gendersprache unterschrieben. Mir ist wichtig, | |
| dass die Sprache der Verwaltung verständlich ist. Jeder kann privat | |
| sprechen, wie er möchte. Aber ich möchte gern das Deutsch sprechen, das ich | |
| in der Schule gelernt habe und das alle verstehen. Wir erwarten ja auch von | |
| Menschen, die nach Deutschland kommen, dass sie Deutsch lernen, und gerade | |
| die Behörden sollten es ihnen nicht unnötig schwer machen.“ | |
| Dass die Sprache der Berliner Verwaltung nicht nur deswegen unverständlich | |
| wäre, weil in ihr gegendert wird, weckt natürlich Zweifel an der Qualität | |
| der intellektuellen wie sittlichen Erziehung, die Kai Wegner an der von ihm | |
| als Vorbild benannten Schule empfangen hat. | |
| Um es in einfacher Sprache zu sagen: Die Aussage ist strunzdumm. Sie ist | |
| unaufrichtig, insofern sie die wahren Probleme der amtsverschimmelten | |
| Sprache der nicht nur Berliner Verwaltung gar nicht erst zum Thema macht. | |
| Sie ist aber vor allem auf wirklich extrem unangenehme Art heuchlerisch, | |
| weil Wegner Schwächere, nämlich Menschen, die sich tatsächlich die deutsche | |
| Sprache erst aneignen müssen, für seine Ideologie benutzt. | |
| Es ist ja verständlich, dass ein in seiner bisherigen Laufbahn immer wieder | |
| [2][hart am Rande des Rechtsextremismus] operierender Politiker wie Wegner | |
| nun – um einigermaßen glaubhaft einer Metropole wie Berlin vorstehen zu | |
| können – jedes Stückchen Kreide frisst, das er auf seinem Weg durch die | |
| notwendigen Debatten finden kann; aber dass ihm auch der Mumm fehlt, dafür | |
| mit seiner sehr privaten Weiterbildungsverweigerung einzustehen und er | |
| damit moralisch noch indifferenter als seine in dieser Hinsicht schon | |
| beträchtlich kaltschnäuzige Vorgängerin Franziska Giffey agiert – das | |
| überrascht dann doch; wenn einen denn in Berlin noch was überraschen | |
| könnte. | |
| ## Berlin soll wieder boomern | |
| Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass Wegner mit seinem problematischen | |
| Charakter gerade ganz gut zu einer Stadt passt, deren Stimmung zwischen | |
| bewundernswert liberaler Hinnahme großstädtischer Zumutungen und dem | |
| unbedingten Willen, nicht zu kurz zu kommen, changiert. Die Geschichte ist | |
| ja bekanntlich offen, und wer als Regierender in der Lage ist, an ihrem Rad | |
| zu drehen, kann natürlich das Steuer auch herumwerfen und dann Vollgas | |
| Richtung Vergangenheit geben. | |
| Anzustreben scheint die schwarz-rote Koalition eine Art Diktatur [3][der | |
| Berliner Fly-over-Bezirke]. Der Feind ist eine in weiten Teilen lediglich | |
| imaginierte gaga-gendernde Mittelschicht, die auf ihrem Weg von der | |
| 140-Quadratmeter-Altbaueigentumswohnung innerhalb des S-Bahn-Rings zum | |
| Landsitz in der Uckermark auch noch in den nicht zu vermeidenden | |
| Außenbezirken Radfahrstreifen absetzen will. | |
| Dazu gehört die Sprachregelung, [4][nun nicht mehr, wie noch im Wahlkampf, | |
| Vornamen von Randalierern einzufordern] und damit Jugendgewalt und | |
| Verwahrlosung zu rassifizieren, sondern von „Berliner Jungs“ zu sprechen, | |
| die es zu erreichen gelte, „mit guter Bildung und Perspektiven auf dem | |
| Arbeitsmarkt“ (BamS). Ach so. Klar. Na dann. | |
| „Berlin soll wieder boomern“, ließe sich dieses Programm des 1972 geborenen | |
| Boomers Wegner auf den generationsspezifischen Slogan bringen. Aber auch | |
| Begriffe wie der einer „sozialen Rechten“ (Destra sociale), wie sie aktuell | |
| Giorgia Meloni in Italien führend repräsentiert, oder eines „Paternalistic | |
| conservatism“ sind angebracht: Kulturkämpfe werden eröffnet, um das | |
| absehbare Scheitern einer letztlich den Kapitalinteressen verpflichteten | |
| Politik zu kaschieren und die zwangsläufige Wut auf Sündenböcke abzulenken. | |
| Mal sehen, wie lange die sich das gefallen lassen. Der [5][Polizei hat | |
| Wegner präventiv schon mal seinen „vollen Rückhalt“] zugesichert. | |
| 22 May 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Mutmasslich-illegale-CDU-Parteispende/!5932128 | |
| [2] https://www.sueddeutsche.de/politik/parteien-berlin-bundestagskandidat-czaj… | |
| [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Flyover_Country | |
| [4] /Rassistischer-Wahlkampf/!5913773 | |
| [5] https://twitter.com/kaiwegner/status/1539882096642011136 | |
| ## AUTOREN | |
| Ambros Waibel | |
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