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# taz.de -- Wirtschaftsministerium in der Krise: Habeck will an Graichen festha…
> Bundeswirtschaftsminister Habeck stärkt seinem in die Kritik geratenen
> Staatssekretär Graichen den Rücken. Doch die Opposition lässt nicht
> locker.
Bild: Überraschend entspannt: Patrick Graichen und Robert Habeck bei der gemei…
Berlin taz | Schnellen Schritts kommt Robert Habeck aus dem
Fraktionssitzungssaal der SPD im Reichstagsgebäude und stellt sich vor
Kameras, die seit Langem auf das Ende der Sitzung am Mittwoch warten. Mehr
als zwei Stunden lang haben die beiden Bundestagsausschüsse für Wirtschaft
sowie Klima und Energie hier gerade gemeinsam zur Causa Patrick Graichen
getagt, also zu Habecks Staatssekretär. [1][Graichen hatte sich an der
Auswahl eines neuen Geschäftsführers für die bundeseigene Deutsche
Energie-Agentur (Dena) beteiligt], obwohl eine:r der Beweber:innen
sein enger Freund und Trauzeuge Michael Schäfer war – der den Posten
schließlich auch bekam. Ein Fehler, das sehen auch Habeck und Graichen
heute so. Aber was folgt daraus?
Die nicht-öffentliche Sitzung sei „gut und differenziert“ verlaufen, sagt
Habeck mit verschränkten Händen. Im dunklen Anzug und mit Schlips ist er
gekommen, um den Ausschüssen Frage und Antwort zu stehen. „Ich habe
entschieden, dass Patrick Graichen wegen dieses Fehlers nicht gehen muss“,
sagt Habeck und stellt sich erneut hinter seinen Staatssekretär. Weil gegen
Vorgaben des Ministeriums „erkennbar verstoßen“ worden sei, gebe es aber
eine beamtenrechtliche Prüfung.
Die Opposition ist damit nicht zufrieden. Sie habe „höchste Zweifel an der
Eignung des Staatssekretärs Graichen“, sagte etwa Julia Klöckner,
wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion. Auch für Andreas
Jung, Vizechef der Unionsfraktion, muss die Aufklärung noch weiter gehen:
„Die Ampelfraktionen haben eine große Chance vertan, für Transparenz zu
sorgen.“
Es ist eine handfeste politische Krise, die Habecks Wirtschaftsministerium
durchlebt. Die ursprüngliche Pro-blempersonalie ist indes schon passé: Der
Energieexperte Michael Schäfer tritt die Stelle als Dena-Chef nicht an,
zieht sich freiwillig zurück. Er blickt auf eine lange Erfahrung im
Fachbereich der Dena zurück: Von 2006 bis 2016 war er energiepolitischer
Sprecher der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. Im Anschluss war der
Verwaltungswissenschaftler einige Monate lang Projektleiter für
Industriepolitik beim Thinktank Agora Energiewende, den Patrick Graichen
mitgegründet hat und damals leitete. Danach leitete Schäfer mehrere Jahre
lang die Abteilung Klimapolitik beim WWF, später die des Nabu. Dort trat er
im vergangenen Jahr zurück, weil der Naturschutzbund immer wieder den
Ausbau der Windkraft kritisiert. Es ist nicht Schäfers Qualifikation, die
infrage steht. Dennoch wird nun wegen des mangelhaften Bewerbungsverfahrens
neu ausgeschrieben.
## Graichen steht hinter zentralen Gesetzesänderungen
Und auch Patrick Graichens Job scheint noch lange nicht sicher. Neben der
Frage um den Dena-Posten stören sich seine Kritiker:innen auch daran,
dass er Familie beim so genannten Öko-Institut hat. Die
Forschungseinrichtung erstellt manchmal Gutachten für die Bundesregierung.
Hier gibt es aber klare Regeln, die etwa eine Auftragsvergabe durch
Graichen ausschließen. Und tatsächlich hat das Öko-Institut zuletzt sogar
weniger Aufträge aus dem Wirtschaftsministerium erhalten als noch unter
Habecks Vorgänger Peter Altmaier (CDU).
Der Politikwissenschaftler und Volkswirt Graichen gehört ebenfalls zu
Deutschlands ausgewiesenen Energie- und Klimafachleuten. Lange Referent im
Bundesumweltministerium, gründete er 2012 den Thinktank Agora Energiewende.
Das Institut liefert seither Studien und Berechnungen dazu, was passieren
muss, wenn Deutschland die Energiewende und die Klimaziele schaffen will.
Als Habeck Graichen zu seinem wichtigsten Beamten machte, galt das in der
Klima-Szene als Coup.
Geht es den lautstarken Kritiker:innen letztlich darum? Schließlich
steckt vorrangig Graichen hinter den Gesetzesänderungen, die beispielsweise
die Bundesländer zum Windradbauen verpflichten und den ökologischen
Heizungsaustausch voranbringen sollen. Für die Klimawissenschaftlerin
Claudia Kemfert spielt das zumindest eine Rolle. „Patrick Graichen hat
unnötige und unglückliche Fehler gemacht, die behoben gehören und nicht
wieder passieren dürfen“, räumt sie gegenüber der taz ein. „Vergleiche e…
zur Amigo-Affäre sind aber völlig überzogen und Teil eines verzweifelten
Versuchs, Veränderungsprozesse aufzuhalten“, ist sich die Expertin sicher.
„Derzeit laufen gezielte Kampagnen gegen die Energiewende, die ich
persönlich seit über 15 Jahren kenne.“
Graichen äußert sich am Mittwoch schließlich auch öffentlich [2][zu den
Vorwürfen], und zwar auf seinem Twitter-Account. [3][Er habe Schäfer im
Bewerbungsprozess nicht bevorteilt,] sondern sogar von sich aus weitere
Namen ins Spiel gebracht. Durch seine langjährige Arbeit in der Energie-
und Klimaszene habe er letztlich neun von elf der Kandidat:innen
gekannt. „Ich habe gedacht, dass es genügt, wenn meine Stimme nicht den
Ausschlag gibt und ich mich in der Findungskommission bei der Bewertung
seiner Person zurückhalte“, so der Beamte. „Das war falsch und ich bedaure
diesen Fehler sehr.“
10 May 2023
## LINKS
[1] /Vorwuerfe-gegen-Staatssekretaer-Graichen/!5928713
[2] /Interessenkonflikte-in-Trauzeugenaffaere/!5930424
[3] https://twitter.com/P_Graichen/status/1656288059862708224?s=20
## AUTOREN
Susanne Schwarz
Sabine am Orde
Clemens Dörrenberg
## TAGS
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