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# taz.de -- Interessenkonflikte in Trauzeugenaffäre: Mehr Transparenz auf alle…
> Die Trauzeugenaffäre im Bundeswirtschaftsministerium köchelt weiter.
> Zeit, die Sache mal abzuschmecken und über den heißen Lobbybrei zu
> reden.
Bild: Es geht heiß her. Und sicher ist: Es wird immer heißer
Vetternwirtschaft! Bei den Grünen! Im Klimaministerium! Es ist nicht
verwunderlich, dass ein solch schwerwiegender Vorwurf das Meinungsklima im
politischen Berlin, in den Kommentarspalten der Zeitungen und in den
sozialen Medien erhitzt wie sonst nur fossile Kraftwerke das echte Klima.
Das hat mindestens drei Gründe: Erstens, nicht alle Vorwürfe sind aus der
Luft gegriffen. Zweitens, es gibt eine starke Lobby der
Klimaschutzverhinderer, der Patrick Graichens Fehler ganz gelegen kommt.
Und drittens wird in der Debatte einiges verdreht, wenn es um Lobbyismus
geht. Fangen wir vorne an, beim tatsächlichen Fehlverhalten: Der wichtigste
Beamte in Habecks Ministerium, Staatssekretär Graichen, hat seinen
Interessenkonflikt beim Besetzungsverfahren für den Chefposten bei der
Deutschen Energieagentur nicht rechtzeitig transparent gemacht.
Graichen fehlte offenbar das Bewusstsein dafür, dass es ein Problem ist,
wenn die Findungskommission für den Posten seinen langjährigen engen Freund
und Trauzeugen, Michael Schäfer, als Top-Kandidaten vorschlägt und er
selbst dieser Kommission vorsitzt. Graichen hätte den Interessenkonflikt
frühzeitig anzeigen müssen und nicht erst, als Medien bereits danach
fragten. Und er hätte sich aus der Findungskommission zurückziehen müssen,
als ihm die Bewerbung seines Freundes bekannt wurde.
Es ist daher richtig, dass das Besetzungsverfahren neu aufgerollt wird und
Schäfer das Amt gar nicht erst antritt, wie am Dienstag bekannt wurde. Aber
reicht das? Ganz klar nein. Das Wirtschafts- und Klimaministerium darf den
Fehler nicht einfach wegwischen. Es sollte nach den tieferen Gründen
fragen, wie es zu einem solchen Fehler überhaupt kommen konnte, und nach
Antworten, wie sich so etwas künftig vermeiden ließe.
## Umgang mit Interessenkonflikten
Im besten Fall gelangt man dabei zu Lösungen, die den Umgang mit
Interessenkonflikten grundsätzlich verbessern, nicht nur bezüglich
freundschaftlicher oder familiärer Verbindungen. Mehr Transparenz über
Einflussnahme auf politische Entscheidungen, über personelle und
finanzielle Verstrickungen, bessere Durchsetzung von Compliance-Regeln, all
das wäre nicht nur für das Wirtschaftsministerium empfehlenswert. Gerade
erst wurde die Bundesregierung übrigens wieder für ihren unzureichenden
Umgang mit Interessenkonflikten vom Europarat kritisiert.
Doch zur Wahrheit gehört auch: Mit dem aktuell heiß diskutierten
Gebäudeenergiegesetz bringt das Klimaministerium finanzstarke und gut
organisierte Lobbygruppen gegen sich auf – allen voran die Gasindustrie,
die um ihr milliardenschweres fossiles Geschäftsmodell bangt. Schon seit
Jahren hat die Gasindustrie noch jeden Eingriff in den Heizungsmarkt mit
ihrer Lobbypower zu verhindern gewusst.
Die geringste Spur von Fehlverhalten wird in einer solchen Gemengelage von
politischen Gegenkräften gerne aufgegriffen, aufgebauscht und
skandalisiert. Das Gerede von Clan- oder auch Mafiastrukturen, wie es aus
Teilen der Union und der AfD zu hören ist und von einigen Medien
bereitwillig verbreitet wird, ist dabei völlig unangemessen. Solche
Wortwahl dient vor allem der Stimmungsmache und verhindert sachliche
Kritik.
Eine Verdrehung der Tatsachen ist es auch, wenn die familiären Verbindungen
von Graichen ins Öko-Institut mit Lobbyverflechtungen gleichgesetzt werden,
wie wir sie etwa aus der Russland/Nordstream-Connection oder dem
CumEx-Skandal kennen. Bei diesen geht es um milliardenschwere
Geschäftsinteressen und zu diesem Zweck gezielt geknüpfte Netzwerke.
Dass sich die drei Geschwister Graichen seit Jahrzehnten umwelt- und
klimapolitisch engagieren und einer nun Staatssekretär ist, ist damit nicht
vergleichbar. Dennoch ist es natürlich zentral, dass aufgrund der
familiären Verbindungen keine Vorteile für das Institut entstehen. Das hat
das Ministerium auch frühzeitig klargestellt – und tatsächlich erhielt das
Institut mehr Geld, als noch der CDU-Politiker Peter Altmaier das
Wirtschaftsministerium führte.
Trotzdem hätten Habeck und Graichen aufgrund dieses Hintergrundes eine
besondere Sensibilität an den Tag legen müssen und jeden Anschein, dass
Familie oder Freunde bevorteilt werden könnten, strikt vermeiden müssen.
Der gravierende Fehler könnte somit vor allem denjenigen nutzen, die mit
aller Kraft ihr fossiles Geschäftsmodell verteidigen wollen.
Hinweis: In einer früheren Version des Onlineartikels fehlte der letzte
Absatz. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.
9 May 2023
## AUTOREN
Timo Lange
## TAGS
Lobby
Robert Habeck
Wirtschaftsministerium
Patrick Graichen
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Friedrich Merz
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