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# taz.de -- Feiertage in Italien: Die Rechten quälen sich ab
> Die Feiertage 25. April und 1. Mai werden in Italien traditionell von
> Linken gefeiert. Seit Oktober regiert die rechte Meloni im Land. Und nun?
Bild: „Beim Demonstrationszug waren so viele wie seit Jahren nicht mehr“: R…
Rom taz | Bester Laune ist der Nachbar, als er am Nachmittag des 25. April
seiner Haustür zustrebt, das Tuch der Anpi, des italienischen
Partisanenverbands, noch um den Hals geknotet. „Beim Demonstrationszug
waren so viele wie seit Jahren nicht mehr“, berichtet der pensionierte
Gymnasiallehrer strahlend. Rund 10.000 Menschen seien in Rom
zusammengekommen, um die „Festa della Liberazione“ zu begehen, den Tag der
Befreiung Italiens von Nazis und Faschisten 1945.
Ähnliche Rückmeldungen gibt es aus ganz Italien. Überall war der Zulauf zu
den Veranstaltungen, auf denen der Männer und Frauen aus der „Resistenza“,
dem bewaffneten Widerstand gegen den „Nazifaschismus“, gedacht wird, größ…
als in den Vorjahren; wie immer war die Demo in Mailand, mit 100.000
Teilnehmer*innen, die größte.
Der Mobilisierungserfolg kommt nicht von ungefähr. Seit Oktober 2022 ist
Giorgia Meloni Italiens Ministerpräsidentin, nachdem sie [1][bei den
Parlamentswahlen mit ihrer postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia 26
Prozent geholt und zusammen mit den Verbündeten von der Lega unter Matteo
Salvini und Silvio Berlusconis Forza Italia eine klare Mehrheit im
Parlament erobert hat]. Mit anderen Worten: In Rom sind jetzt Leute an der
Macht, die seit 1946 nie besondere Lust zeigten, den 25. April – einen
staatlichen Feiertag – als Tag der Befreiung zu begehen. Sie sind doch die
politischen Enkel der damals Geschlagenen, der Mussolini-Faschisten.
Auch dieses Jahr hielt sich die Feierlaune Melonis und ihrer
Parteigänger*innen in mehr als engen Grenzen. Wie jedes Jahr begaben
sich die Spitzen des Staats in Rom zum „Altar des Vaterlands“, um einen
Kranz niederzulegen. Um neun Uhr waren sie da – und um zehn nach neun war
Melonis 25. April auch schon wieder zu Ende. Die lästige Pflicht hatte sie
absolviert. Aber wenigstens einen am 25. April veröffentlichten
seitenfüllenden Brief hatte sie an den Corriere della Sera geschickt, einen
langen Riemen, der das Bekenntnis zur demokratischen Verfassung genauso
enthält wie die Absage an „jedwede Faschismusnostalgie“. Doch ein Wort will
ihr auch diesmal partout nicht über die Lippen kommen: „Antifaschismus“.
## Sprachhemmung auch beim Wort „Befreiung“
Sie und ihre Parteifreund*innen befällt da jedes Mal eine merkwürdige
Sprachhemmung. Im Fernsehinterview befragt, ob er sich selbst als
Antifaschisten bezeichnet, schaut der Präsident des Senats, Ignazio La
Russa – der vor wenigen Monaten [2][seine Mussolini-Büste zeigte] – drein
wie ein Schalke-Fan, der seine Liebe zu Borussia Dortmund bekennen soll.
Dann eiert La Russa rum, „es hängt von Definitionen ab“, wenn die Absage an
Faschismusnostalgie gemeint sei, klar, dann könne auch er sich zum
Antifaschismus bekennen. Ähnliche Drahtseilakte führen Melonis
Postfaschist*innen um ein zweites Wort auf: „Befreiung“. Flugs tauften
alle aus der Partei den 25. April zum „Tag der Freiheit“ um.
Kaum ist der Stress mit dem 25. April vorbei, steht schon der nächste in
den Augen der Postfaschisten „zu linke“ Feiertag ins Haus: der 1. Mai, der
„Tag der Werktätigen“ in Italien. Meloni & Co haben sich für die
Vorwärtsstrategie entschieden und just für diesen Tag eine Kabinettssitzung
einberufen. Einer der Rechtsabgeordneten, Maurizio Gasparri, kübelte gegen
die großen Gewerkschaftsbünde, die am 1. Mai traditionell in Rom ein
Megakonzert ausrichten.
„Während andere singen und tanzen“, sei die Regierung auch am Feiertag
aktiv, um das „Dekret Arbeit“ zu verabschieden. Arbeitnehmer*innen mit
niedrigen und mittleren Einkommen werden ein paar Euro Lohn beschert,
prekäre Arbeitsverträge sollen ausgedehnt und die Grundsicherung für
Einkommenslose drastisch eingeschränkt werden. Diese Kabinettssitzung ist
eine kleine Verbeugung vor der Geschichte: Akkurat vor 100 Jahren, im Jahr
1923, schaffte Mussolini den 1. Mai als Feiertag ab.
28 Apr 2023
## LINKS
[1] /Wahlen-in-Italien/!5880124
[2] /Linke-ueber-Italiens-neue-Regierung/!5918402
## AUTOREN
Michael Braun
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Faschismus
Italien
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