# taz.de -- Schlaglochpisten in Afrika: Hashtag-Aktion macht Politik | |
> Der Starkregen in Zentralafrika ist unberechenbar geworden und legt den | |
> Alltag lahm. Doch in Uganda nehmen das einige mit Humor. | |
Bild: In Ugandas Hauptstadt Kampala muss man teilweise die Straße zwischen den… | |
KAMPALA taz | Wenn es derzeit in den frühen Morgenstunden [1][im Herzen | |
Afrikas] zu regnen beginnt, ziehen sich die Leute die Bettdecke über den | |
Kopf und schlafen weiter. Schule? Arbeit? Termine? Das alles muss warten, | |
bis der Regenschauer vorüber ist. | |
Der Grund: Die Tropenstürme wüten so heftig, dass quasi nichts mehr | |
funktioniert: Supermärkte, Banken und Behörden bleiben geschlossen, Lehrer | |
kommen nicht zum Unterricht, die Feuerwehr rückt auch nicht mehr aus, | |
Richter verlesen ihre Urteile via Online-Zoom-Schalte vom Wohnzimmer aus | |
direkt ins Gefängnis. | |
Die Leute der Region der Großen Seen schließen sich in ihren Häusern ein, | |
laden ihre Handys auf, bevor der Strom ausfällt und hoffen, dass ihre Hütte | |
nicht absäuft. Bis zu [2][600 Menschenleben haben die heftigen | |
Tropenstürme] und dadurch ausgelöste Erdrutsche und Überschwemmungen in | |
Uganda, Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo in den vergangenen | |
zwei Wochen gefordert. Und es werden täglich mehr. | |
Wer sich dennoch auf die Straße wagt – besser mit einem Schlauchboot. In | |
Ugandas Hauptstadt, wo es nur marginal öffentliche Müllentsorgung gibt, | |
sind die Abwasserkanäle ohnehin so sehr vom Unrat verstopft, dass dort | |
nichts mehr abfließt. Die Folge: Das Regenwasser schießt auf dem Asphalt in | |
Sturzbächen die Hänge hinunter und spült den Müll mit hinab. | |
## Eine Chance für die korrupte Polizei | |
Da die Wohngebiete auf den zahlreichen Hügeln rund um die Altstadt liegen, | |
verwandeln sich die abschüssigen Straßen in Wasserrutschen, Autos | |
schlittern unter Aquaplaning den Hang hinab. | |
In Kampalas Industrieviertel hingegen, wo sich zwischen den Hügeln im Tal | |
das Wasser sammelt und sich selbst in Trockenzeiten schwere Lastwagen | |
Stoßstange an Stoßstange stauen, sind so tiefe Schlaglöcher entstanden, | |
dass ganze Fahrzeuge darin absaufen. „Wir leben wahrlich in der Region der | |
Großen Seen“, flucht ein Fahrer halb lachend, halb entsetzt. Obwohl er | |
einen Geländewagen fährt, steht das schlammige Dreckswasser bis über den | |
Kühler. Der Motor springt nicht mehr an, er ist abgesoffen, wie so viele | |
andere Fahrzeuge. | |
Ein klatschnasser Polizist kommt sofort angehetzt und zückt das kleine | |
elektrische Gerät für die Ausstellung von Strafzetteln, das er in eine | |
Plastiktüte eingewickelt hat. Ugandas korrupte Polizei erhofft sich von den | |
verzweifelten Fahrern derzeit noch mehr Bakschisch als sonst. „Sie | |
behindern den Verkehr“, wirft der Uniformierte dem Fahrer vor, der gerade | |
seine Gummistiefel aus dem Kofferraum herauskramt. | |
Immerhin, die Ugander nehmen das mal wieder mit Humor. Ugandas berühmtester | |
Comiczeichner, Jim Spire Ssentongo, führte Ende April [3][auf der | |
Nachrichtenplattform Twitter den Hashtag #KampalaPotholeExhibition] ein und | |
forderte seine Follower auf, Fotos von Schlaglöchern online zu stellen. | |
## Blamage für ein Land, das von Tourismus lebt | |
Was da in wenigen Tagen an Bildern zusammenkam, ist eine Blamage für das | |
ostafrikanische Land, dessen Haupteinnahmequelle der Tourismus ist. Während | |
in den vergangenen Jahren die Überlandstraßen in berühmten Nationalparks | |
für westliche Besucher astrein asphaltiert wurden, gehen die Hauptstädter | |
in den Schlaglöchern buchstäblich baden. „Fischen entlang der 6. Straße“ | |
lautet [4][der Titel eines Bildes auf Twitter] – mit einem Mann in | |
Badeshorts und Sonnenhut, der im rotbraunen Wasser eines Schlaglochs im | |
Industrieviertel angelt. | |
Die Hashtag-Aktion verbreitete sich rasant. Selbst die Politik musste | |
reagieren. Der Stadtrat, der sich vor allem aus Oppositionellen | |
zusammensetzt, warf der Regierung vor, nicht genügend Geld für | |
Straßenbauarbeiten bereitzustellen. | |
Letztlich debattierte das Parlament das Problem. Die ganze Sache kochte so | |
hoch, dass Ugandas Präsident Yoweri Museveni ein Machtwort sprechen musste. | |
Er ordnete sofort Geld für Straßenbau und verlangte einen monatlichen | |
Lagebericht über den Zustand der Straßen. Museveni selbst benutzt Ugandas | |
Schlaglochpisten schon lange nicht mehr – er fliegt lieber mit dem | |
Hubschrauber, um dem Verkehrschaos auszuweichen. | |
15 May 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Politik/Afrika/!p4621/ | |
[2] /Klimakatastrophe-in-der-DR-Kongo/!5930234 | |
[3] https://twitter.com/SpireJim/status/1647106509753417728 | |
[4] https://twitter.com/TonyNatif/status/1648644409284591618/video/2 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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