| # taz.de -- Pistorius und Schulze in Mali: Entwicklung schaffen ohne Waffen | |
| > Deutschland zieht die Bundeswehr aus Mali ab, obwohl kein Frieden | |
| > herrscht. Die Entwicklungszusammenarbeit soll bleiben. Kann das klappen? | |
| Bild: Bald sind sie weg: Bundeswehr in Mali, hier mit Verteidigungsminister Bor… | |
| Gao taz | Mit hartem Ruck landet der Truppentransporter A400M auf der Piste | |
| und bremst voll ab. Sechs Soldaten mit Schutzwesten und Gewehren springen | |
| auf und sichern das Gelände. Aus dem Militärflugzeug steigen ein Mann im | |
| olivgrünen Hemd und eine Frau im blauen Blazer in Malis roten Staub: Boris | |
| Pistorius und Svenja Schulze. | |
| Der Verteidigungsminister ist auf Antrittsbesuch, Entwicklungsministerin | |
| Schulze war schon häufiger hier, ist aber das erste Mal auf einem | |
| Militärstützpunkt. Sie besuchen die Bundeswehr in Gao. Die gemeinsame Reise | |
| soll signalisieren: Die Bundeswehr zieht aus Mali ab, doch über | |
| Entwicklungsprojekte bleibt Deutschland vor Ort. | |
| ## Deutschland seit 2013 bei UN-Mission dabei | |
| Seit 2013 beteiligt sich Deutschland an der UN-Mission Minusma. Zurzeit | |
| sind rund 1.100 deutsche Soldat:innen in Gao stationiert, in einem | |
| weitläufigen Camp, das sich selbst versorgt, vom Frischwasser bis zur | |
| Wäscherei. Der Auftrag: Frieden sichern und für Stabilität in der Region | |
| sorgen. So die Theorie. In der Praxis hat sich die Situation in Mali | |
| kontinuierlich verschlechtert. [1][Die gewählte Regierung wurde | |
| weggeputscht], islamistische Gruppen sind auf dem Vormarsch und die | |
| Militärregierung [2][setzt auf russische Wagner-Söldner]. | |
| Herzstück des deutschen Einsatzes ist die [3][Heron-Aufklärungsdrohne], die | |
| die UN-Truppen mit Daten versorgen soll. Seit Dezember fliegt sie nicht | |
| mehr. Malis Regierung erteilt keine Startgenehmigung. Im Mai soll der | |
| Bundestag das Mandat für den Mali-Einsatz noch einmal verlängern – mit der | |
| Auflage: Im Mai 2024 ist Schluss. | |
| Für die junge Oberleutnantin, die in Gao vor dem weißen Stab wartet – so | |
| heißt der Containerbau, der als Einsatzzentrale dient –, hat der Einsatz | |
| gerade begonnen. Seit 15 Tagen ist sie hier als Mitglied der | |
| Aufklärungskompanie. Sie bereitet Aufklärungstouren ins Gelände vor, führt | |
| einen Gefechtsstand und soll Kontakt zu den Soldaten auf Erkundung halten. | |
| „Die Lage ist angespannt“, sagt die Majorin neben ihr. Die junge Frau | |
| nickt. | |
| Raus dürfen die Soldat:innen nur unter strengen Sicherheitsauflagen, das | |
| gilt erst recht für die Delegation aus Deutschland. Also hat das | |
| Entwicklungsministerium die – weibliche – Zivilbevölkerung ins Camp | |
| geladen. Acht Frauen und ein Mann sind gekommen. | |
| ## Feministische Außenpolitik weniger weltfern als gedacht | |
| Die Frauen führen landwirtschaftliche Kooperativen und Vereine, sie | |
| berichten von Unsicherheit durch Banden, die Vieh stehlen, von | |
| Nahrungsmittelknappheit, fehlenden Rechten für Frauen, die das Land zwar | |
| bearbeiten, aber nicht erben dürfen. „Wir Frauen sind der Motor der | |
| Entwicklung, aber wir brauchen Unterstützung dafür“, sagt Koumba Maige, | |
| Waisenhausgründerin und Vorsitzende der Plattform „Weibliche Führungskräfte | |
| in Gao“. Deutschlands Entwicklungshilfe sei großartig und müsse fortgesetzt | |
| werden – das ist die Botschaft der Frauen. Die Bundeswehr erwähnen sie | |
| nicht. | |
| Wer ihnen zuhört, bekommt eine Ahnung, dass feministische | |
| Entwicklungspolitik vielleicht gar nicht so weltfern ist. Pistorius gesellt | |
| sich dazu und scheint beeindruckt zu sein. „Svenja und ich sind überzeugt, | |
| dass Sicherheit und Entwicklung zwei Seiten einer Medaille sind“, sagt der | |
| Verteidigungsminister: Ohne Sicherheit keine Entwicklung, ohne Entwicklung | |
| keine Sicherheit. Die Frauen nicken. | |
| Doch der deutsche Entwicklungsetat wird im nächsten Jahr kaum wachsen und | |
| nach Mali dürften weniger Gelder fließen. „Wir müssen realistisch sein. Mit | |
| dem Abzug der Bundeswehr wird die Situation für die Entwicklungsmitarbeiter | |
| in Mali wohl gefährlicher“, meint die mitgereiste Vorsitzende des | |
| Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). | |
| ## Bundeswehrabzug beginnt im Juni | |
| Die Vorbereitungen für den Abzug haben schon begonnen. Im Juni geht es los. | |
| Etwa ein Jahr wird es dauern, die Stadt in der Wüste abzubauen, zu | |
| verpacken und auszufliegen, von der Drohne bis zum letzten Fahrrad: 1.600 | |
| Container, per Hubschrauber. Dass malische Soldaten oder gar Wagner-Söldner | |
| in gepanzerten Fahrzeugen mit deutscher Flagge durch die Wüste brausen, | |
| will man nicht riskieren. | |
| Eine Dreiviertelflugstunde entfernt, am Flughafen der Hauptstadt des | |
| Nachbarlandes Niger, wird hinter Sandsäcken und Stacheldraht schon eine | |
| neue Abfertigungshalle hochgezogen. Der Transportstützpunkt in Niamey wird | |
| das Drehkreuz für den Abzug aus Mali. In Niger will die Bundeswehr weiter | |
| Präsenz zeigen, mit der neuen EU-Ausbildungsmission EUMPM. | |
| Deutschland ist optimistisch: In Niger wird es besser laufen als in Mali. | |
| „Man will uns hier ausdrücklich“, sagt Pistorius. Schulze ergänzt: „Uns… | |
| Hilfe hier ist sehr akzeptiert.“ | |
| Doch zunächst muss der Abzug aus Mali klappen. Bloß nicht noch mal | |
| afghanische Verhältnisse, heißt es aus der Bundesregierung. Danach sieht es | |
| derzeit nicht aus. Doch das kann sich schnell ändern. | |
| 13 Apr 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Mali-ein-Jahr-nach-dem-Putsch/!5789726 | |
| [2] /Russlands-Aussenminister-in-Mali/!5914431 | |
| [3] /Einsatz-in-Mali/!5897540 | |
| ## AUTOREN | |
| Anna Lehmann | |
| ## TAGS | |
| Mali | |
| Bundeswehr | |
| Boris Pistorius | |
| MINUSMA | |
| Auslandseinsatz | |
| Bundeswehr | |
| Sahelzone | |
| Mali | |
| Entwicklungszusammenarbeit | |
| Mali | |
| Sahel | |
| Mali | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Abzug der Bundeswehr aus Mali: Wenig Hoffnung in Westafrika | |
| 2024 zieht die Bundeswehr aus Mali ab. In der Sahelzone setzt die | |
| Bundesregierung auf Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten, vor allem mit | |
| Niger. | |
| Bundeswehreinsatz in der Sahel-Zone: Mali-Mandat gebilligt | |
| Das Bundeskabinett will den Bundeswehreinsatz ein letztes Mal verlängern, | |
| noch im Mai soll der Bundestag abstimmen. Angestrebt wird zudem die Leitung | |
| der Sahel-Allianz. | |
| Tote und Verletzte in Mali: Erst Autobomben, dann Schüsse | |
| Bei einem Angriff mutmaßlicher Dschihadisten werden in Mali zehn Zivilisten | |
| und drei Soldaten getötet. Die Attacke soll russischen Militärs gegolten | |
| haben. | |
| Schulze und Pistorius in Afrika: Strategiewechsel im Sahel | |
| Die Mali-Mission der Bundeswehr ist gescheitert. Jetzt reiste der | |
| Verteidigungsminister mit der Entwicklungsministerin in den Sahel. Das ist | |
| neu. | |
| Westliche Politik in der Sahel-Zone: Zeitenwende in Mali | |
| Die Putschregierung in Bamako genießt hohes Ansehen, auch außerhalb des | |
| Landes. Der Westen muss sein Vorgehen im Sahel völlig neu ausrichten. | |
| Westliches Militär in Sahelzone: Niger und der Westen | |
| Für mehrere westliche Staaten ist Niger ein Stabilitätsanker in der | |
| Sahelregion. Doch die Bevölkerung vor Ort sieht die Westbindung eher als | |
| ein Problem. | |
| Bundesregierung und die Sahelzone: Weiter Anti-Terror-Kampf im Sahel | |
| Deutschland wird auch nach dem Abzug aus Mali in der Region aktiv bleiben. | |
| Entwicklungsministerin Svenja Schulze plant eine eigene Sahel-Initiative. |