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# taz.de -- Volksentscheid in Berlin scheitert: Klimarettung verschoben
> Zwar stimmt eine knappe Mehrheit für deutlich mehr Klimaschutz. Doch das
> notwendige Quorum wird wie befürchtet nicht erreicht.
Bild: Euphorie sieht anders aus: Wahlparty der Initiative in Kreuzberg
Berlin taz | Der [1][Volksentscheid Berlin 2030 Klimaneutral] ist
gescheitert. Laut dem vorläufigen amtlichem Endergebnis stimmten zwar 50,9
Prozent für die Initiative, bei 48,7 Prozent Nein-Stimmen. Doch die
Mindestzustimmung von 25 Prozent der Berliner:innen (607.518
Wähler:Stimmen) wurde verfehlt. Mit „Ja“ votierten demnach 442.210
Menschen, mit „Nein“ 423.418. Insgesamt waren 2,43 Millionen
Berliner:innen zur Wahl aufgerufen. Es ist der vierte gescheiterte von
mittlerweile acht Volksentscheiden in Berlin.
Schon eine halbe Stunde nach Beginn der Wahlparty von Klimaneutral im
Umspannwerk in Kreuzberg schlug die anfänglich aufgedrehte Aufregung der
etwa 200 Aktivist:innen angesichts des Live-Auszählungssstandes
zunächst in Zweifel – und schließlich in Resignation um. Schon nach einer
Stunde, lange bevor das Ergebnis erwartet worden war, begannen Gespräche
über die Ursachen des Scheiterns.
Besonders die hohe Zahl an Nein-Stimmen konnten sich die Aktivist:innen
nicht erklären. Stattdessen überall die Frage: Hat der Wahlkampf
ausgereicht?
Am Eingang liegen tausende nicht verteilte Wahlkampfzeitungen auf einem
Stapel. Ein großes Problem: Die mangelnde Mobilisierung in den
Außenbezirken. Hier stimmten teilweise mehr als zwei Drittel gegen den
Volksentscheid, während die Zustimmung in den Bezirken innerhalb des
S-Bahn-Rings überall überwog.
„Wir haben anscheinend noch nicht genügend aktivierte Leute“, so Antonio
Rohrßen von der Partei Klimaliste. Nun gehe es darum, jene, die mit Ja
gestimmt hätten, anzusprechen, etwa für Aktionen der Letzten Generation
oder die nächste Rebellion Wave von Extinction Rebellion.
## Plan B
Aktivistin Marit Schatzmann, die bis zuletzt Dauerwahlkampf gemacht hatte,
sagte: „Es stimmt nicht, dass wir nur nicht gewonnen haben.“ Das Ergebnis
sei auch eine Niederlage, „die uns jahrelang vorgehalten werden wird“. Sie
erinnerte an Luisa Neubauer, die zum Start der heißen Wahlkampfphase gesagt
hatte, es ginge auch um „die Ehre der Klimabewegung“.
Optimismus verbreiteten dagegen Redner:innen auf der Bühne: „Berlin hat
in den vergangenen Wochen anders als im Wahlkampf über Klimapolitik
diskutiert.“ Das sei ein Erfolg. Auch habe man eine „Mehrheit für
ambitionierten Klimaschutz gewonnen“, wenn man auch am Quorum gescheitert
sei. Präsentiert wurde zugleich ein „Plan B“: Jetzt gehe es um die „näc…
Stufe der Organisierung“, so eine Rednerin. Eine entsprechende
Online-Plattform sei gebaut, diese müsse weiterentwickelt werden; es müssen
Nachbarschaftsgruppen gegründet werden, um konkrete Klimaschutzmaßnahmen
voranzutreiben.
Luisa Neubauer von Fridays for Future sprach davon, dass „diejenigen, die
Klimaschutz blockieren, gerade laut geworden sind“. Ihr zufolge habe man
auch „für jene Menschen gekämpft, die heute mit Nein gestimmt haben“. Das
Ergebnis sei „dramatisch für alle Menschen“ und keine persönliches Problem
der Aktivist:innen.
## Es bleibt bei 2045
Ziel des Volksentscheids war es, [2][die Stadt bis 2030 klimaneutral zu
machen.] Ab da an hätten nicht mehr Treibhausgase emittiert werden dürfen,
als über die Natur aufgenommen werden können. Im Vergleich zu 1990 hätte
der CO₂-Ausstoß etwa von Kraftwerken, Industriebetrieben, Heizungen oder
Verbrennerautos um 95 Prozent gesenkt werden müssen. Nun bleibt es bei dem
im Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetz fixierten Ziel, dies bis
2045 zu schaffen.
Gescheitert ist das Volksbegehren letztlich am Quorum einer
Zustimmungsquote von 25 Prozent. Zu wenige Berliner:innen konnten sich
motivieren, an der dritten Wahl in nur anderthalb Jahren teilzunehmen.
Besonders bitter für die Initiative Klimaneustart Berlin ist die Tatsache,
dass ein gemeinsamer Abstimmungstermin mit der Wiederholungswahl im Februar
möglich gewesen wäre, vom Senat aber verhindert wurde.
Sämtliche etablierte Parteien hatten sich gegen den Volksentscheid gestellt
und dessen Ziel als unrealistisch und nicht bezahlbar bezeichnet. So hatten
noch vor wenigen Tagen der designierte Regierenden Bürgermeister Kai Wegner
(CDU) und seiner Vize Franziska Giffey (SPD) mitgeteilt, die Ziele des
Entscheids seien „mit keinem Geld der Welt zu erreichen“. Dennoch haben
sich CDU und SPD in ihren Koalitionsvereinbarungen bereits darauf geeinigt,
[3][bis zu zehn Milliarden Euro Sondervermögen] für den klimaneutralen
Umbau der Stadt zu investieren.
Franziska Giffey twitterte am Abend: Das Ergebnis zeige, „dass auch die
Mehrheit der Berliner:innen sieht, dass die Forderungen nicht umsetzbar
gewesen wären – auch nicht, wenn sie in ein Gesetz gegossen sind“.
Gleichzeitig sei man sich mit den Initiatoren einig, dass „der Kampf gegen
Klimawandel eine unserer zentralen Aufgaben ist“. Man arbeite dafür, „dass
Berlin schnellstmöglich vor 2045 klimaneutrale Stadt wird“, so Giffey.
Mit einem positiven Volksentscheid hätte Berlin eine globale
Führungsposition einnehmen können. Nur wenige Städte der Welt haben sich
bislang zu einer Klimaneutralität bis 2030, erst recht nicht zu einer
gesetzlichen Festlegung darauf verpflichtet. Zumindest europaweit waren die
Augen von Klimaschützer:innen daher an diesem Tag auf Berlin
gerichtet. Doch die Stadt hat sich – wie so oft – für den langsameren Weg
entschieden.
26 Mar 2023
## LINKS
[1] /Klima-Entscheid-in-Berlin/!5921390
[2] /Streitgespraech-ueber-Klimapolitik/!5865260
[3] /Koalitionsverhandlungen-in-Berlin/!5918940
## AUTOREN
Erik Peter
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