# taz.de -- Abschiebungen in den Iran: Asylsuchende ohne Schutz | |
> Eigentlich schiebt Deutschland derzeit nicht in den Iran ab. Trotzdem | |
> wurden seit dem Beginn der Proteste vier Schutzsuchende dorthin | |
> zurückgebracht. | |
Bild: Frankfurt Flughafen: Im März gab es zwei Zurückweisungen in den Iran im… | |
BERLIN taz | Das iranische Regime reagiert mit [1][massiver Gewalt bis hin | |
zu Hinrichtungen] auf die feministischen Proteste im Land. Die deutschen | |
Landesinnenminister*innen hatten sich im Dezember wegen der | |
desaströsen Menschenrechtslage geeinigt, [2][vorerst nicht in den Iran | |
abzuschieben]. Trotzdem sind seit Beginn der Revolte im September letzten | |
Jahres vier Schutzsuchende in den Iran zurückgebracht worden. | |
Im Oktober und im Dezember 2022 habe es zwei Abschiebungen in den Iran | |
gegeben, erklärt auf taz-Anfrage ein Sprecher des Bundesinnenministeriums | |
(BMI). Und ganz aktuell habe es im März zwei Zurückweisungen im | |
Flughafenverfahren gegeben. | |
Am Dienstag hatte die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl berichtet, dass | |
vergangene Woche eine Person aus dem Iran im sogenannten Flughafenverfahren | |
von Frankfurt in den Iran zurückverwiesen worden sei. Bei einem | |
Flughafenverfahren prüft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) | |
in gerade mal zwei Tagen den Asylantrag eines Geflüchteten. | |
Dieser wird derweil im Transitbereich festgehalten und gilt somit nicht als | |
eingereist. Wird ihm die Einreise verweigert und er in sein Herkunftsland | |
zurückgebracht, ist es offiziell keine Abschiebung, sondern eine | |
Zurückweisung. | |
## „Ein Skandal“ | |
Im von Pro Asyl genannten Fall geht es um einen iranischen Schutzsuchenden, | |
der „keinen gültigen Pass oder Passersatz vorweisen konnte“. Sein | |
Asylantrag sei im Schnellverfahren als „offensichtlich unbegründet“ | |
abgelehnt worden, so Pro Asyl. Es befänden sich derzeit weitere | |
schutzsuchende Menschen aus dem Iran am Frankfurter Flughafen, darunter | |
auch Frauen und ein Kind. Laut BMI sind aktuell keine weiteren | |
Flughafenverfahren anhängig. | |
„Dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge trotz der krassen | |
Repressionen des iranischen Regimes gegen die Protestbewegung Asylanträge | |
von iranischen Schutzsuchenden im Flughafenverfahren als ‚offensichtlich | |
unbegründet‘ ablehnt und ihnen die Einreise nach Deutschland verweigert, | |
ist ein Skandal“, kritisiert Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von | |
Pro Asyl. In einem eiligen Flughafenverfahren sei „eine genaue Beurteilung | |
der Gefährdung nicht möglich“. | |
Die Innenminister*innen von Bund und Ländern hatten sich im Dezember | |
darauf verständigt, dass „angesichts der gegenwärtigen katastrophalen | |
Menschenrechtssituation im Iran bis auf Weiteres keine Abschiebungen in den | |
Iran durchgeführt werden“. Für Zurückweisungen im Flughafenverfahren sind | |
aber nicht die Länder, sondern die Bundespolizei zuständig. Das BMI betont | |
auf Nachfrage, der Länderbeschluss gelte nur für Menschen, „die als ins | |
Bundesgebiet eingereist gelten“ – also nicht für jene im | |
Flughafenverfahren. | |
Auch betont der BMI-Sprecher, dass es kein absolutes Abschiebeverbot gebe. | |
In „besonders gelagerten Einzelfällen“ seien Abschiebungen in den Iran | |
weiter möglich. Das gelte etwa bei schweren Straftätern oder Menschen, die | |
„hartnäckig“ nicht an der Identitätsfeststellung mitwirken. | |
## Schutzquote nur minimal gestiegen | |
In den Entscheidungen über die Asylanträge von Iraner*innen hat sich die | |
von den Minister*innen festgestellte „katastrophale | |
Menschenrechtssituation“ bislang nur minimal niedergeschlagen. Das zeigt | |
ein [3][Blick auf die bereinigte Schutzquote]. Diese lässt Asylanträge | |
außen vor, die aus formalen Gründen erledigt wurden und berücksichtigt nur | |
jene, in denen inhaltlich geprüft wurde. | |
Im Januar und Februar bekamen demnach gerade mal 49,4 Prozent der | |
Asylsuchenden Schutz. Angesichts der massiven Gewalt gegen die | |
Zivilbevölkerung ist die Veränderung zum Vorjahr überraschend gering: 2022 | |
lag die Quote bei 45,3 Prozent. | |
„Abschiebungen in den Iran darf es nicht geben – auch nicht in Gestalt | |
sogenannter Zurückweisungen oder Zurückschiebungen“, kritisiert Clara | |
Bünger, fluchtpolitische Sprecherin der Linkenfraktion im Bundestag. Für | |
die Betroffenen laufe es letztlich auf dasselbe hinaus: „Sie werden einem | |
Regime ausgeliefert, das in den vergangenen Monaten Tausende entführt, | |
inhaftiert und gefoltert hat, nur weil sie für Demokratie und | |
Menschenrechte demonstriert haben.“ | |
Die Asylgründe verfolgter Iraner*innen müssten in einem fairen Verfahren | |
geprüft werden, so Bünger. „Im Rahmen des sogenannten Flughafenverfahrens | |
ist dies offensichtlich nicht möglich. Es ist rechtsstaatswidrig und gehört | |
abgeschafft.“ | |
23 Mar 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Inhaftierter-Iraner-ueber-Einzelhaft/!5915485 | |
[2] https://www.innenministerkonferenz.de/IMK/DE/termine/to-beschluesse/2022-12… | |
[3] /Asyl-fuer-Iranerinnen/!5904043 | |
## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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