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# taz.de -- Fachtag der Bremer Sozialbehörde: Es gibt institutionellen Rassism…
> Institutioneller Rassismus ist in Behörden noch immer oft Tabuthema. In
> Bremen veranstaltete die Sozialbehörde nun einen Fachtag zu dem Thema.
Bild: Racial Profiling ist verboten, passiert aber trotzdem, weil Rassismus ins…
BREMEN taz | Sind Bremer Behörden strukturell rassistisch? Nein, hieß es in
der Vergangenheit. Zum Beispiel vor zwei Jahren, als die taz bei der
Sprecherin des Innensenators Ulrich Mäurer (SPD) nachgefragt hat, ob die
Behörde beim Standesamt strukturellen Rassismus sehe. „Nein. Alle
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden fortlaufend in interkultureller
Kommunikation geschult, da sie regelmäßig mit Menschen aus über 100
Nationen zu tun haben“, [1][lautete damals die Antwort.]
Anlass war der Streit zwischen dem Standesamt und Müttern, die
Geburtsurkunden für ihre Kinder forderten. Sie warfen dem Amt vor,
Vaterschaftsanerkennungen von Männern mit deutschem Pass nicht zu
akzeptieren, weil es den Schwarzen Frauen unterstelle, bereits mit Männern
ohne deutschen Pass verheiratet zu sein – dann nämlich ist der Ehemann
automatisch offizieller Vater eines Kindes. Und die Mütter im schlimmsten
Fall von Umverteilung oder Abschiebung bedroht.
Heute steht die Frage nicht mehr zur Debatte. „Wir sprechen nicht darüber,
ob es institutionellen Rassismus gibt“ sagte Sozialsenatorin Anja Stahmann
(Grüne) am Dienstag im vollbesetzten Olbers-Saal im Bremer Haus der
Wissenschaft. „In aller Deutlichkeit: Institutionellen Rassismus gibt es im
Land Bremen und bundesweit. Sie findet sich wieder auf dem Wohnungs- und
Arbeitsmarkt, im Bildungs-, Ausbildungs-, Sozial-, Gesundheits- und
Justizsystem.“
Die Senatorin eröffnete damit einen Fachtag zum Thema Institutioneller
Rassismus. Ausgerichtet wurde dieser vom Demokratiezentrum, das in ihrer
Behörde für Soziales und Integration angesiedelt ist. Vor Ort und online
nahmen rund 476 Menschen teil.
## Teilnehmende aus ganz Deutschland
Es habe Anmeldungen aus allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung in
Bremen und bundesweit gegeben, sagte ein Sprecher der taz vorab; darunter
Innenbehörden, Sozialämter, kommunale Baugesellschaften,
Wissenschaftsbehörden, Vertreter*innen von Personalräten. Mit der
Veranstaltung wollte man „für die institutionellen und strukturellen
Dimensionen von Rassismus in öffentlicher Verwaltung sensibilisieren“, so
stand es in der Einladung.
Ferda Ataman, die [2][Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes],
sagte in ihrer Rede, dass institutioneller Rassismus viel schwerer zu
erkennen sei als direkter Rassismus. Als „riesen Fortschritt“ bezeichnete
sie, dass in einer Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und
Migrationsforschung die Hälfte der Befragten anerkenne, dass es
institutionellen Rassismus gibt.
Amir Saedi vom Demokratiezentrum Bremen wies darauf hin, dass man sich
rassistisch verhalten könne, ohne „der typische Rassist“ zu sein, da
rassistische Strukturen in uns allen verankert seien. Er rief die
Teilnehmenden auf: „Bauen Sie Kontakte auf, lernen Sie sich kennen,
verbünden Sie sich.“
Die [3][Berliner Staatssekretärin für Vielfalt und Antidiskriminierung,
Saraya Gomis], kritisierte, dass in einem bürgerlichen Verständnis von
Rassismusbekämpfung immer von Sensibilisierung gesprochen werde. Dabei sei
eine Erhöhung der emotionalen Sensibilität, so pflichtet ihr Miriam Camara
bei, nicht das Ziel – zumal das alleine keine Handlungsstrategien mit sich
bringe. Camara ist Beraterin für rassismuskritische
Organisationsentwicklung. Es gehe bei Rassismus in Behörden nicht um
Meinung oder Haltung. Gomis sagte weiter, es sei ihr „relativ egal“, ob die
Mitarbeiterin einer Behörde sich zuhause rassistisch äußere. „Aber ich
verlange Professionalisierung, wenn sie die Behörde betritt.“
Camara zählte anschließend die verschiedenen gesetzlichen Grundlagen auf
allen politischen Ebenen auf, die rassistische und andere Diskriminierung
verbieten. Ob eine Institution sich mit Rassismus beschäftigen müsse, stehe
also gar nicht zur Debatte. „Wir haben genügend rechtliche Grundlagen, um
zu rechtfertigen, dass wir uns bewegen müssen.“
## Kritik an Diversity-Konzept der Bremer Verwaltung
Gleichzeitig sagte sie, dass nicht jegliche Diskriminierung verboten sei.
So [4][sei das Wahlrecht an die Staatsbürgerschaft gekoppelt] – und somit
ein Drittel der Berliner*innen von der Wahl zum Abgeordnetenhaus
ausgeschlossen gewesen. Camara appellierte an die Politik, die
entsprechenden Gesetze zu ändern.
Auch am Bremer Diversity Management Konzept, gerichtet an die Verwaltung,
äußerte Camara Kritik. Das Wort Rassismus werde vermieden. Zudem werde von
„Menschen mit Migrationsbiografie“ gesprochen. Bei einer
Empowerment-Maßnahme gehe es dann aber doch wieder um „Schwarze Menschen“
und „Personen of Colour“. Das impliziere, dass Migrationshintergrund – al…
die Tatsache, dass Elternteile migriert sind – und Rassismuserfahrung das
gleiche sind, was jedoch nicht stimmt.
Einen Mitschnitt des Fachtages wird es online geben. Doch was passiert mit
den Ergebnissen? Der Fachtag sei ein „Start und ein Angebot, gemeinsam in
die Diskussion zu gehen“ sagte Stahmann. Er solle „Mut machen, dieses
schwierige Thema öffentlich anzugehen“.
15 Mar 2023
## LINKS
[1] /Rassismus-Vorwurf-gegen-Bremer-Behoerde/!5745223
[2] /Antidiskriminierungsstelle-des-Bundes/!5797338
[3] https://www.monopol-magazin.de/berliner-staatssekretaerin-gomis-fuer-rueckg…
[4] /Die-Sache-mit-dem-Doppelpass/!5915656
## AUTOREN
Franziska Betz
Alina Götz
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