# taz.de -- Neues Gesetz für die Bundespolizei: Mit Quittung gegen Racial Prof… | |
> Innenministerin Faeser will neue Befugnisse für die Bundespolizei – und | |
> eine Kennzeichnungspflicht. Sie spricht von „Modernisierung“. | |
Bild: Menschen wie hier in Stuttgart müssten die Beamten künftig „konspirat… | |
BERLIN taz | Monatelang hatte die Ampel um das neue Bundespolizeigesetz | |
gerungen, nun legte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) einen | |
Gesetzentwurf vor. Die Bundespolizei soll künftig neue Befugnisse bekommen | |
– und eine [1][Kennzeichnungspflicht]. Auch Racial Profiling soll | |
vorgebeugt werden, indem die Beamten künftig Kontrollquittungen ausstellen | |
sollen. | |
Faeser spricht von der „Modernisierung eines der wichtigsten | |
Sicherheitsgesetze unseres Landes“. Das Bundespolizeigesetz stammt in | |
weiten Teilen noch aus dem Jahr 1994. Nun soll die Bundespolizei gleich | |
eine Reihe neuer Befugnisse bekommen, wenn schwere Straftaten drohen: | |
Erhebungen von Bestands- und Verkehrsdaten, Telekommunikationsüberwachung, | |
den Einsatz mobiler Videosensoren oder technische Mittel gegen Drohnen. | |
Auch das Überwachen von Wohnräumen soll in bestimmten Fällen erlaubt | |
werden. Zudem sollen die Bundespolizei künftig ein Aufenthaltsverbot von | |
bis zu drei Monaten für bestimmte Orte verhängen können, wenn sie | |
befürchtet, dass dort Betroffene schwere Straftaten planen. | |
Bei den Befugnissen gibt es in der Ampel indes noch Redebedarf. So soll | |
Justizminister Marco Buschmann (FDP) nach taz-Informationen etwa bei der | |
Wohnraumüberwachung Bedenken angemeldet haben. Den Wunsch der | |
Bundespolizei, auch verschlüsselte Telekommunikation überwachen oder | |
automatische Gesichtserkennung vornehmen zu können, ließ dagegen auch | |
Faeser letztlich außen vor. Dies hatte bereits der Ampelkoalitionsvertrag | |
ausgeschlossen. | |
## Kennzeichnungspflicht nun auch im Bund | |
Neu ist auch eine Kennzeichnungspflicht für die Bundespolizei. Diese gibt | |
es bereits [2][in den meisten Bundesländern], mit Namensschild an der | |
Uniform oder einer Zahlenreihe. Für die Bundespolizei soll Letzteres | |
gelten. Laut Gesetzentwurf soll damit Bürgernähe geschaffen und geholfen | |
werden, Straftaten von Polizeibeamten aufzuklären. Die Union spricht | |
dagegen von einem Generalverdacht gegen die Beamten. | |
Faeser will zudem, dass alle neuen BundespolizistInnen verpflichtend | |
eine Sicherheitsüberprüfung durchlaufen – bisher war dies nur für | |
Bedienstete mit besonders sicherheitssensiblen Aufgaben der Fall. Faeser | |
will so verhindern, dass Extremisten in den Dienst kommen. | |
In der Ampel war aber vor allem das Thema [3][Racial Profiling] lange | |
strittig. Die Grünen hatten darauf gedrungen, diese Praxis im Gesetz | |
ausdrücklich auszuschließen. Gemeint sind Kontrollen allein aufgrund der | |
Hautfarbe – was eindeutig rechtswidrig ist. Anders sieht es aus, wenn | |
ethnische Merkmale nur Teil eines Motivbündels der kontrollierenden | |
Polizist:innen sind. Dann kann die Kontrolle unter Umständen zulässig | |
sein, so die bisherige Rechtsprechung. | |
Für die Bundespolizei ist das Thema Racial Profiling besonders heikel, weil | |
sie zur Verhinderung der „unerlaubten Einreise“ anlasslose Kontrollen etwa | |
in Zügen oder im Grenzgebiet durchführen darf. In Faesers Gesetzentwurf | |
heißt es nun, die Auswahl von kontrollierten Personen anhand von ethnischen | |
Kriterien sei „unzulässig“, wenn sie „ohne sachlichen, durch den Zweck d… | |
Maßnahmen gerechtfertigten Grund“ erfolgt. Der sachliche Grund können | |
„Lageerkenntnisse oder grenzpolizeiliche Erfahrung“ sein, aber nur „in | |
Verbindung mit aktuellen Erkenntnissen oder Prognosen“. Die Formulierung | |
geht auf eine Einigung der drei Ampelabgeordneten Sebastian Hartmann (SPD), | |
Irene Mihalic (Grüne) und Manuel Höferlin (FDP) von Ende April zurück. | |
## In Bremen werden Quittungen kaum nachgefragt | |
Welche Wirkung die Formulierung in der Praxis haben wird, dürfte auch von | |
den Gerichten abhängen, wenn Betroffene gegen vermeintlich rassistische | |
Kontrollen klagen. Praktische Bedeutung dürfte auch eine zweite Regelung | |
haben, die ebenfalls die drei Ampelabgeordneten aushandelten. Danach ist | |
jedem anlasslos Kontrollierten künftig eine Kontrollbescheinigung | |
anzubieten, auf welcher der Grund für die Auswahl der Person anzugeben ist. | |
Vorbild ist hier eine Regelung, [4][die 2021 in Bremen eingeführt wurde]. | |
Bei Identitätsfeststellungen durch die Polizei an besonders | |
kriminalitätsbelasteten „Kontrollorten“ ist dort den Betroffenen eine | |
Quittung anzubieten. Als Grund kann etwa vermerkt werden „Ansprechen | |
offenbar unbekannter Personen“ oder „erkennbar konspiratives Verhalten“. | |
Die Betroffenen in Bremen legen bislang aber wenig Wert auf solche | |
Bescheinigungen. Im Jahr 2021 wurden 8 ausgestellt, 2022 waren es 36 und | |
2023 bisher eine. Insgesamt gab es in Bremen in diesem Jahr laut Polizei | |
aber auch nur acht Kontrollen an Kontrollorten. Bei der Bundespolizei geht | |
es dagegen um millionenfache Kontrollen jedes Jahr. Wenn ein schwarzer | |
Bahnfahrer nachweisen kann, dass er ständig kontrolliert wird, dürfte das | |
seine Chancen bei einer Klage deutlich erhöhen. | |
## Die Union kritisiert den Vorstoß | |
SPD-Innenpolitiker Hartmann begrüßte den Kompromiss beim Racial Profiling | |
als „pragmatische Regelung“. „Der Weg für die lange überfällige Novell… | |
Bundespolizeigesetzes ist endlich frei.“ Diese sei „aufgrund neuer | |
Herausforderungen dringend geboten“. | |
Die Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Mihalic betonte, dass heute | |
zahlreiche People of Color und Menschen mit Migrationsgeschichte von Racial | |
Profiling betroffen seien. Mit dem Gesetzentwurf schaffe man bei den | |
Polizeikontrollen nun Rechtssicherheit und ein Diskriminierungsverbot. „Die | |
Einführung von Kontrollquittungen ist ein echter Erfolg für die Rechte von | |
Bürgerinnen und Bürgern.“ | |
Die Union hatte die Gesetzespläne dagegen zuletzt kritisiert und mehr | |
Überwachungsbefugnisse für die Bundespolizei eingefordert. Über die Länder | |
kann sie nun noch Druck machen – das Gesetz bedarf der Zustimmung durch den | |
Bundesrat. | |
10 May 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Kennzeichenpflicht-fuer-Polizei/!5899510 | |
[2] /Kennzeichnung-fuer-Polizisten/!5915840 | |
[3] /Amnesty-International-ruegt-Deutschland/!5921738 | |
[4] /Personenkontrollen-der-Bremer-Polizei/!5908353 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
Christian Rath | |
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