# taz.de -- Dokfilm über Die Sterne aus Hamburg: „Eine Band für Kopf und K�… | |
> Als die Begeisterung für die Hamburger Schule die Tiroler Berge | |
> erreichte. Frank Spilker und Peter Wallgram über den Dok-Film „Du musst | |
> gar nix“. | |
Bild: So luxuriös ist das Tourleben. Sternesänger Frank Spilker rechts. Szene… | |
taz: Peter Wallgram, Ihre Dokumentation „Du musst gar nix“ erzählt die | |
30-jährige Geschichte der Hamburger Band Die Sterne. Erinnern Sie sich noch | |
an Ihren ersten Moment mit der Musik? | |
Peter Wallgram: Ich komme aus der Nähe von Reutte in Tirol vom Berg. Wir | |
mussten uns viel bewegen und hatten fast gar nichts. Zunächst nicht mal | |
Radio. Bevor FM4 1995 nonstop zu senden begann, gab es im Programm des | |
öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich nur eine Popsendung im | |
Programm von Ö3. Sie hieß „Musikbox“. Darüber drangen die vielen geheimen | |
Musiken in unser Kinderzimmer. Später in Innsbruck bin ich durch eine | |
Freundin mit dem Sterne-Song „Trrrmmer“ in Kontakt gekommen. Ich konnte gar | |
nicht dechiffrieren, was ich da hörte, aber es hat mich angefixt. Im | |
Studium habe ich mich in die Musik verliebt, habe ein Konzert von ihnen im | |
Treibhaus-Turm gesehen. Das war super. Von da ab ging das seinen Weg. | |
Was genau hat Sie fasziniert? | |
Peter Wallgram: Es war Rockmusik. Aber man konnte dazu tanzen. Und durch | |
den Umstand, dass es deutsche Texte waren, hat sich trotzdem dazu etwas im | |
Kopf bewegt. Mit meinem Geschmack war ich in der Tiroler Provinz jedoch | |
ziemlich alleine. Ich habe Die Sterne danach bei diversen Partys aufgelegt | |
– meist leerte sich die Tanzfläche. | |
Frank Spilker, wie haben Sie sich beide kennengelernt? | |
Frank Spilker: Mitten in der Pandemie, als Peter und René Jeuckens von der | |
Produktionsfirma mit dem Projekt auf mich zugekommen sind. Wir haben uns | |
dann überlegt, wie sich diese Dokumentation von ähnlichen, bereits | |
existierenden Filmen unterscheiden kann. Das Ganze hatte alleine durch die | |
Pandemiesituation, die ja gar nicht so sehr in dem Film thematisiert wird, | |
aber im Hintergrund sichtbar bleibt, ein Alleinstellungsmerkmal, das | |
hoffentlich nicht so schnell wiederkommt. Wie wir da in Isolation getestet | |
und mit Mundschutz saßen, nichts machen konnten, außer über Musik und die | |
Band zu reden, das war schon ein spezieller Moment. | |
Also hatte die Pandemie einen Einfluss auf die Herangehensweise des Films? | |
Peter Wallgram: Corona hatte vor allem Einfluss auf den Impuls, die Idee | |
tatsächlich umzusetzen. Normalerweise hat man ja bei einem fortschreitenden | |
Filmprojekt immer weniger Zeit, wird vom Alltagsstress überrannt. Durch die | |
Konzentration in der Pandemie konnte ich mich mit dem Thema von Anfang an | |
intensiv auseinandersetzen. Ich erinnere mich noch an ein Wochenende, an | |
dem das Ganze erstmals aufging. Das war Pfingsten 2021 und wir waren bei | |
Radio FM4 in Wien zu Gast. Ich komme vom Theater und bin kein Pop-Nerd. | |
Diese Schwellenangst, die wurde ab dem Moment geringer. Das war wichtig für | |
mich. So entstand ein schönes Gefühl, gemeinsam etwas Neues starten zu | |
können. | |
Frank Spilker: Was mir auffällt, ist die Abwesenheit von glamourösen | |
Bildern. Die konnte man in der Pandemiezeit gar nicht erzeugen. Die | |
Live-Aufnahmen fanden alle unter Coronabedingungen statt. Außer in Hamburg, | |
da haben wir nachgedreht. | |
Peter Wallgram: Die Aufnahmen bei einem Open-Air-Festival in Wuppertal | |
waren dann tatsächlich ein Problem für den Schnitt. | |
Es wird schnell klar, dass der Film mehr als nur die Geschichte der Band | |
erzählt. Er erzählt die Geschichte der sie umgebenden Musikszene, der | |
sogenannten Hamburger Schule. Wann wurde Ihnen klar, dass sich die | |
Bandgeschichte nicht ohne diesen Rahmen erzählen lässt? | |
Peter Wallgram: Zuerst wollten wir das nicht machen, [1][weil über die | |
Hamburger Schule eigentlich alles gesagt ist]. Ich bin dem Phänomen dann | |
aber erlegen, mit mehr Recherche, mit jeder Interviewpartnerin kamen neue | |
Sachen auf den Tisch, die ich erzählenswert fand. Dahingehend war die | |
Gewichtung im ersten Rohschnitt auch eine ganz andere. Da kam dann aber von | |
Frank die Rückmeldung: „Nee, eigentlich nicht so.“ Ich bin dann noch mal in | |
mich gegangen. | |
Mit welchem Ergebnis? | |
Peter Wallgram: Der ursprüngliche Ansatz war herauszufinden, was treibt | |
einen Menschen wie Frank Spilker um, der immer weitermacht. Natürlich muss | |
zunächst die Basis erzählt werden. Aber der Bogen, den wir jetzt | |
hinbekommen haben, in dem die Gegenwart der Bandgeschichte stärker | |
gewichtet ist, ist glaube ich der richtige. | |
Frank Spilker: Durch die Auswahl der Interviewpartner:Innen, angefangen | |
[2][mit Melissa Logan], [3][über Jan Müller] und noch weiter zurück zu | |
Frank Werner, die diese neue Geschichte der Sterne nach 2018 ja gar nicht | |
begleitet haben, war die Idee, die Neuformierung der Sterne zu zeigen, die | |
jetzt in einer anderen Besetzung das zweite Album aufnehmen, ein wenig | |
verloren gegangen. Aber man kann diese Urgeschichte auch nicht einfach | |
weglassen, sie ist Teil der Identität dieser Band. Das ist mir dann in der | |
ersten Fassung ein wenig zu viel geworden, auch weil es dazu schon so viel | |
gibt. Lieber wollte ich darüber reden, was jetzt ist und was in Zukunft | |
sein kann, und nicht immer zurückschauen. So haben wir einen guten | |
Kompromiss gefunden. | |
Die Trennung der langjährigen Weggefährten, Bassist Thomas Wenzel und | |
Drummer Christoph Leich im Jahr 2018, wird thematisiert, nimmt aber nur | |
wenig Raum ein. Es gibt keinen harten Cut. Was zeigt das? | |
Frank Spilker: Dass es gar nicht um Personen geht, sondern nur um die Idee, | |
wäre zu viel gesagt, das hieße ja, dass die Musiker austauschbar wären. | |
Thomas und Christoph haben die Band ja 20 Jahre inhaltlich und künstlerisch | |
mitgeprägt und letztendlich für das abstrakte Bild gesorgt, von dem jetzt | |
weitergegangen wird. Das, was jetzt da ist, ist [4][eine Idee, die nicht | |
unbedingt an den Personen klebt] – so würde ich das ausdrücken. | |
Sie sagen in dem Film, dass der Grundgedanke der Band Die Sterne sei, | |
fortwährend die Möglichkeiten der Gesellschaft zu reflektieren, vor allem | |
die Lebenslügen dieser offenzulegen. Wie gelingt Ihnen das noch nach 30 | |
Jahren? | |
Frank Spilker: Ich habe zum Beispiel irgendwann angefangen, die konkreten | |
Geschichten wegzulassen. Nehmen wir [5][den Song „Universal | |
Tellerwäscher“]. Der ist deshalb nicht einfach nur ein Song, den man | |
vielleicht nicht mehr hören kann, weil er sich insofern von diesem Muster | |
des Folksongs unterscheidet, dass die Person nicht wirklich real ist, | |
sondern eher abstrakt, also wieder universell. Man redet also über eine | |
soziologische Figur, und das ist natürlich ungewöhnlich in einem Popsong, | |
wo es eigentlich immer darum geht, dass der Sänger glaubwürdig von seinem | |
Leben erzählt. | |
Gibt es noch weitere Tricks? | |
Frank Spilker: Mein Hauptansatz ist eigentlich, dass ich gerne auf die | |
Metaebene gehe. Ich mute den Hörern immer zu, [6][selbst Schlüsse zu | |
ziehen] und meine damit zu ergänzen. | |
Dass diese Tricks, diese universellen, aber gleichzeitig sehr persönliche | |
Ansprachen, das Erfolgsgeheimnis der Sterne sind, sieht man in einer | |
Filmszene sehr gut, in der Generationen von Fans erzählen, was ihnen die | |
Band bedeutet. Zu welchem Fazit sind Sie am Ende Ihrer Arbeit gekommen? | |
Peter Wallgram: [7][Die Sterne sind eine Band für den Kopf] und für den | |
Körper. Sie zeichnet außerdem eine sture Regelmäßigkeit aus, mit der sie | |
immer wieder neue Sachen veröffentlicht, ohne sich dabei stilistisch | |
anzubiedern. Das hat mich beeindruckt. | |
6 Mar 2023 | |
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## AUTOREN | |
Kevin Goonewardena | |
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