# taz.de -- Olaf Scholz reist nach Indien: Annäherungstanz des Kanzlers | |
> Olaf Scholz schmeichelt Indien beim Staatsbesuch. Im Fokus: | |
> Freihandelsabkommen, Fachkräftezuwanderung und ein mögliches | |
> U-Boot-Geschäft. | |
Bild: Scholz besucht am 26.2.23 eine Niederlassung des deutschen Softwarespezia… | |
Delhi taz | Für Olaf Scholz (SPD) kam der berüchtigte Hauptstadtverkehr in | |
Neu-Delhi für kurze Zeit zum Erliegen. Für ihn und seine Delegation wurden | |
nicht nur Straßen gesperrt. Beim zweitägigen Besuch in Indien wurde der | |
Bundeskanzler mit einem Aufgebot an Höflichkeiten inklusive Militärparade | |
begrüßt – der indische Premierminister Narendra Modi (BJP) empfing ihn | |
persönlich. Nach vertraulichen Gesprächen und einem Treffen mit | |
Wirtschaftsvertreter:innen traf Scholz auch [1][Präsidentin Droupadi | |
Murmu (BJP]). Der Antrittsbesuch endete am Sonntag in der IT-Stadt | |
Bengaluru. | |
Für Scholz war es der erste Besuch als Kanzler, 2012 hatte er das Land als | |
Bürgermeister von Hamburg bereist. Scholz habe damals schon das Potenzial | |
Indiens erkannt, so Modi bei einem gemeinsamen Presseauftritt. Auf Twitter | |
sprach er von „[2][produktiven Gesprächen“]. Scholz betonte, er wolle sich | |
nun persönlich einsetzen, damit das geplante Freihandelsabkommen zwischen | |
der EU und Indien nicht mehr so lange dauern werde. | |
Der Hintergrund: Die Verhandlungen zwischen der EU und Indien, von dem | |
Deutschland als Exporteur von Maschinen und Autos profitieren könnte, sind | |
ziemlich langwierig und zäh. Nun bekräftigte Scholz: Beide Länder seien eng | |
verbunden. Auch „weil wir ähnliche Vorstellungen haben, ganz besonders, was | |
die Demokratie betrifft“, sagte Scholz, was kaum hinterfragt wurde. Dabei | |
schränkt Indien [3][verstärkt die Pressefreiheit] ein. | |
## Mehr Investitionen in Indien erwünscht | |
Auch beim Thema Krieg in der Ukraine sind die beiden Länder nicht ganz auf | |
einer Wellenlänge. Das „blockfreie“ Indien enthielt sich auch bei der | |
vergangenen UN-Resolution, in der die Forderung von Russlands Abzug aus der | |
Ukraine eine überwiegende Mehrheit fand. Zudem trägt Indien die Sanktionen | |
nicht mit. Im Energie- und Rüstungsbereich ist das Land stark von Russland | |
abhängig. | |
Doch dieses Thema wurde nur oberflächlich behandelt. Modi sagte: „Indien | |
ist bereit, sich an allen Friedensgesprächen zur Lösung dieser Krise zu | |
beteiligen.“ Scholz pflichtete ihm bei, dass die Probleme des Westens nicht | |
die Indiens sein müssten. Der Fokus sollte diesmal woanders liegen: Die | |
Stärkung der Wirtschaft und die strategische Partnerschaft auch im Hinblick | |
auf Chinas Ambitionen. | |
Im Gegensatz zu China sind in Indien erst 1.800 deutsche Unternehmen aktiv, | |
die aber Zehntausende Arbeitsplätze schafften, so Scholz. Außerdem warb er | |
für mehr Fachkräftezuwanderung aus Indien. Deren Einreise sei mit [4][dem | |
ersten bilateralen Mobilitäts- und Migrationsabkommen seiner Art] schon | |
erleichtert worden, dennoch brauche Deutschland in den nächsten Jahren mehr | |
„Talente“, betonte der Kanzler bei einer Fragerunde mit Inder:innen. | |
## Spekulationen über möglichen U-Boot-Deal | |
Im Gegenzug brachte Scholz Premierminister Modi eine Wirtschaftsdelegation | |
mit, die von Hapag-Lloyd über SAP zu Siemens reichte und in der sich | |
[5][mit Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz] eine der mächtigsten Frauen der | |
deutschen Wirtschaft befand. | |
Laut indischen Medien sucht Delhi einen Partner für die Produktion von | |
sechs konventionell angetriebenen U-Booten im Wert von etwa fünf Milliarden | |
Euro. Neben zwei internationalen Bietern ist auch das deutsche Unternehmen | |
Thyssenkrupp Marine Systems im Gespräch. Eine Rüstungskooperation könnte | |
Indien langfristig unabhängiger von russischen Waffenimporten machen. Für | |
Modi ist daher die Zusammenarbeit im Sicherheits- und Verteidigungsbereich | |
ein wichtiger Teil der Partnerschaft. | |
Daneben hat Indien Interesse an mehr Investitionen im IT-Sektor sowie an | |
mehr Visa. Denn mehr Arbeitskräfte im Ausland bedeuten weniger Jobsuchende | |
im Land und gegebenenfalls mehr Rücküberweisungen in die indische Heimat. | |
Befürchtungen, dass die neue Bundesregierung den deutsch-indischen | |
Beziehungen einen Dämpfer verpassen könnte, sind verflogen. Modi fühlt sich | |
in seiner Verhandlungsposition sicher. Die Frequenz von hochrangigen | |
deutschen Besuchen ebbt in Indien nicht so schnell ab. Am 2. März wird | |
Annalena Baerbock (Grüne) beim Treffen der G20-Außenminister:innen | |
erwartet. Ein Wiedersehen von Scholz und Modi wird es im Herbst beim | |
G20-Gipfel geben. Danach stehen erneut deutsch-indische | |
Regierungskonsultationen in Neu-Delhi an. | |
26 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Draupadi-Murmu-vereidigt/!5869832 | |
[2] https://twitter.com/narendramodi/status/1629443441707851777 | |
[3] /Durchsuchungen-bei-BBC-in-Indien/!5916913 | |
[4] https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-933418 | |
[5] https://www.manager-magazin.de/unternehmen/industrie/martina-merz-neue-chef… | |
## AUTOREN | |
Natalie Mayroth | |
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