# taz.de -- G20-Treffen in Indien: Baerbock: „Stoppen Sie den Krieg“ | |
> In Indien hat das Außenministertreffen der G20-Staaten begonnen. Das | |
> Gastgeberland steht zwischen Ost und West, und möchte weiter blockfrei | |
> bleiben. | |
Bild: Zwei von 20: Catherine Colonna, die französische Außen- und Europaminis… | |
DELHI taz | Stille ist etwas, das in Indiens Hauptstadt Delhi rar ist. | |
Dennoch begann der Gipfel der G20-Außenminister:innen der führenden | |
Wirtschaftsmächte am Donnerstagmorgen mit einer Schweigeminute. Die galt | |
den [1][Opfern des verheerenden Erdbebens in der Türkei und Syrien im | |
Februar]. | |
Dass Indien, Vorsitzender und Gastgeberland der Konferenz, auch an die | |
anderen Staaten der Welt als die G20 denken möchte, machte der indische | |
Premierminister Narendra Modi schon im Januar deutlich. Damals initiierte | |
er den virtuellen Gipfel „Stimme des globalen Südens“ unter dem Vorsitz | |
Indiens. | |
Das bevölkerungsreiche Land steht im Fokus wie lange nicht mehr, seitdem es | |
im Dezember die G20-Präsidentschaft übernommen hat. Seit Mittwochabend sind | |
nach Delhi die 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, zu denen auch | |
China und Russland zählen, sowie die Europäische Union als Hauptteilnehmer | |
geladen, um über dringende Fragen zu sprechen, von Ernährungssicherheit bis | |
hin zu Terrorismus. | |
Doch die Gräben zwischen den Staaten und Weltbildern werden vor Ort ganz | |
deutlich: Bereits beim jüngsten Treffen der G20-Finanzminister:innen im | |
südindischen Bengaluru Ende Februar kam es zum Eklat. Von chinesischer | |
Seite wurde darauf bestanden, das Wort „Krieg“ im Kontext des russischen | |
Angriffskrieges auf die Ukraine aus dem gemeinsamen Kommuniqué zu | |
streichen. | |
## Indien steht zwischen den Fronten | |
Die westlichen Staaten wollen während der G20-Konferenz ein Zeichen gegen | |
[2][Moskaus Krieg] setzen. Indien, das zwischen den Fronten sitzt, zögert. | |
Modi rief am Donnerstagmorgen zu Geschlossenheit auf. Die Delegierten | |
sollten sich „nicht auf das konzentrieren, was uns trennt, sondern auf das, | |
was uns eint“, so der 72-Jährige. | |
Dass nicht nur Russland, sondern auch die Ukraine, die nicht vor Ort | |
vertreten ist, eine dominierende Rolle spielen würde, zeichnete sich ab. | |
Das ist ein Indiz dafür, dass sich China nun stärker hinter Russland | |
positioniert, das weiterhin darauf beharrt, von einer „Spezialoperation“, | |
statt eines Krieges, zu sprechen. Der britische Außenminister James | |
Cleverly kündigte an, die russische Aggression weiterhin anzuprangern. | |
Klare Worte kamen auch aus Berlin. „Russland hat es in der Hand, für diesen | |
Frieden endlich zu sorgen“, sagte die grüne Außenministerin Annalena | |
Baerbock. | |
Während einer gemeinsamen Sitzung hatte sich die Ministerin mehrfach direkt | |
an den russischen Außenminister Sergej Lawrow gewandt und ihn aufgefordert, | |
den Krieg zu stoppen. „Dieser Krieg bringt nirgendwo auf der Welt irgendwo | |
positive Effekte, sondern er führt nur zu mehr Leid, zu mehr Elend“, und | |
habe den [3][Hunger weiterer 70 Millionen Menschen weltweit verschärft], so | |
Baerbock. | |
Noch bevor der Gipfel begann, tauschte sie sich bereits mit ihrem | |
chinesischen Amtskollegen Qin Gang aus und zeigte sich zwischendurch | |
optimistisch. Baerbock weiß, dass es nicht einfach sein wird, gemeinsame | |
Positionen zu finden. Dennoch veröffentlichte Indien zumindest eine | |
Zusammenfassung des Außenminister:innentreffens. Das hatte sich das | |
Vorsitzland vorgenommen. Doch erneut stimmen China und Indien Passagen über | |
den Ukraine-Krieg nicht zu. Indiens versucht ein diplomatisches Spagat. | |
China und Russland versuchen unterdessen weiter, ihre Interessen | |
durchzusetzen. Indien pflegt gute Kontakte zum Westen, wie zu seinen | |
östlichen Partnern, und beharrt auf seiner „blockfreien“ Position. | |
## EU importiert günstiges Öl aus Russland aus Indien | |
Seit der Unabhängigkeit des Landes 1947 versuchte sich das Land so gut wie | |
möglich aus dem Kalten Krieg zwischen den West- und Ostmächten | |
herauszuhalten. Und bisher ist das Land gut damit gefahren. Derzeit | |
importiert Indien so viel Öl zu vergünstigtem Preis aus Russland wie noch | |
nie, das raffiniert auch Europa erreicht. | |
Andererseits buhlen viele europäische Staaten um Indien. Ähnlich wie mit | |
Deutschland abgeschlossen, hat Indien bereits weitere Migrations- und | |
Mobilitätsabkommen geplant. Das soll die Visavergabe für Studierende wie | |
Fachkräfte erleichtern. Über Themen wie Pressefreiheit wird daher gerade | |
wenig in Delhi diskutiert, dafür Indien aber gelobt. | |
Neben den weiteren blockfreien Staaten Indonesien, Südafrika und | |
Saudi-Arabien, die Mitglieder der G20 sind, hat Indien in diesem Jahr | |
außerdem Ägypten, Bangladesch, Nigeria, Mauritius, Oman und die Vereinigten | |
Arabischen Emirate als Gäste geladen. Sie eint, dass sie sich weder dem | |
„Westblock“, noch dem „Ostblock“ anschließen wollen. | |
Indien will Russland, einen seiner wichtigsten Waffenlieferanten, nicht | |
verprellen. Auch deshalb enthielt sich Indien seit Beginn des Krieges im | |
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, wenn zu Russlands Überfall auf die | |
Ukraine abgestimmt wurde. Indiens Premier Modi betonte aber am Wochenende | |
bei einem Treffen mit Kanzler [4][Olaf Scholz], dass Indien bereit ist, | |
sich an allen Friedensgesprächen zu beteiligen. | |
2 Mar 2023 | |
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[1] /Tuerkei-und-Syrien/!5918114 | |
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[4] /Olaf-Scholz-auf-der-Republica/!5918049 | |
## AUTOREN | |
Natalie Mayroth | |
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