# taz.de -- Oligarch:innen in Medienunternehmen: Superreiche auf Sendung | |
> Immer mehr Milliardär:innen kaufen sich in Medien ein und nehmen so | |
> Einfluss auf die Meinungsbildung. Was dagegen tun? Ein paar Vorschläge. | |
Bild: Pionier der Medienbeinflussung: Silvio Berlusconi | |
Dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgeht, ist eine | |
Binse. Doch dass es immer mehr Superreiche gibt, ist nicht bloß deshalb | |
abstoßend, weil die Bereicherung auf dem Rücken der arbeitenden Bevölkerung | |
vor sich geht. Das viele Geld der neuen Oligarch:innen verschafft ihnen | |
auch viel Macht. In ganz Europa kaufen sie sich Fernsehsender, Zeitungen | |
und Onlineplattformen. Die Medienkonzentration wird immer mehr zu einem | |
Problem für die Demokratie. | |
Diese Woche machten zwei Milliardär:innen Schlagzeilen durch ihre | |
Einflussnahme auf die Medien. Die tschechische Milliardärin Renata | |
Kellnerova ist am Dienstag als zweitgrößte Aktionärin bei ProSiebenSat.1 | |
eingestiegen. Sie besitzt nun 9,1 Prozent des Unternehmens. Kellnerova ist | |
die reichste Person Tschechiens, geerbt hat sie ihr Vermögen von ihrem vor | |
zwei Jahren durch einen Hubschrauberabsturz ums Leben gekommenen Ehemann | |
Petr Kellner. Kellner war ein klassischer Oligarch, der durch die | |
undurchsichtige Privatisierung ehemals volkseigener Betriebe reich geworden | |
war. | |
Durch ihre PPF-Gruppe besitzt Kellnerova bereits ein ganzes Netz an | |
Fernsehsendern und Onlineplattformen in Osteuropa und auf dem Balkan, | |
darunter die größten privaten Sender in Tschechien und der Slowakei. Der | |
Einstieg bei ProSiebenSat.1 ist eine Kampfansage an die Familie des | |
italienischen Moguls Silvio Berlusconi. Diese besitzt bereits eine | |
Sperrminorität bei ProSiebenSat.1 und will den Konzern zu einem | |
europäischen Player ausbauen, um so eigenen Einfluss auf dem ganzen | |
Kontinent spürbar zu machen. Italien sollte uns eine Warnung sein. | |
Der zweite Milliardär, um dessen Einfluss in den Medien es diese Woche | |
ging, ist Frank Gotthard, einer der hundert reichsten Deutschen. Er ist mit | |
dem Koblenzer Softwareunternehmen CompuGroup zum Multimilliardär | |
aufgestiegen. Mit den Fernsehsendern TV Mittelrhein und WWTV ist er auch im | |
Regionalfernsehen tätig – und offenbar einer der wichtigsten Unterstützer | |
von [1][Julian Reichelts neuem Projekt] „Achtung, Reichelt!“. | |
Reichelts Studio ist in Berliner Räumen von Gotthardts CompuGroup | |
untergebracht. Auch einen Notar teilen sich Gotthardt und Reichelt. Das | |
Medienmagazin „Zapp“ berichtete diese Woche, Gotthardt habe von seinen | |
Fernsehsendern verlangt, sie sollten mehr sein wie die Bild-Zeitung und | |
„jede Woche eine neue Sau durchs Dorf treiben“. Wollen wir zulassen, dass | |
irgendwelche Bonzen die Agora zum Schweinestall machen? | |
## Die Liste der Beispiele im Ausland ist lang | |
Andere europäische Länder erleben, wie Milliardäre durch ihre | |
Medienbesitztümer Einfluss auf die Öffentlichkeit nehmen. Man muss nur ins | |
deutschsprachige Ausland schauen, um zu sehen, wohin das führt. In | |
Österreich hat sich der vergangenes Jahr verstorbene Red Bull-Gründer | |
[2][Dietrich Mateschitz mit ServusTV einen Fernsehsender geschaffen], der | |
Identitären wie Martin Sellner und Rechten wie Goetz Kubitschek eine | |
Plattform bietet. Mateschitz äußerte sich immer wieder öffentlich gegen | |
Geflüchtete und Zuwanderung, sein Fernsehsender schießt mit Vorliebe in | |
dieselbe Richtung. Die FPÖ dankt mit Handkuss. | |
In der Schweiz hat sich Multimilliardär Christoph Blocher – der Doyen der | |
extremen rechtspopulistischen Partei SVP – über die Jahre ein ganzes | |
Zeitschriftenimperium zusammengekauft. Sein Ziel, [3][den öffentlichen | |
Diskurs in der Schweiz nach rechts zu ziehen,] hat er damit schon lange | |
erreicht. | |
Auch in Frankreich steht der Tycoon Vincent Bolloré immer mehr in der | |
Kritik, seit sich seine Vivendi die Canal+-Gruppe gekauft hat und er damit | |
zum wichtigsten Medienunternehmer des Landes aufgestiegen ist. Zu seinem | |
Portfolio gehört auch CNEWS, ein krawalliger 24/7-Newskanal, der vor allem | |
dafür bekannt ist, dem rechtsextremen Präsidentschaftskandidaten Eric | |
Zemmour einen regelmäßigen Sendeplatz gegeben und ihn damit erst richtig | |
bekannt gemacht zu haben. [4][Bolloré hat sich auch die Verlagsgruppe | |
Lagardère einverleibt] und damit eine „integrierte rechtsextreme | |
Mediensphäre“ geschaffen, wie Jacobin schrieb. | |
Der Urvater dieses Typus Medienunternehmers ist Rupert Murdoch, der in den | |
USA, Großbritannien und in seinem Heimatland Australien dafür gesorgt hat, | |
die öffentliche Debatte schrill und unversöhnlich zu machen. Mit Fox News | |
und The Sun besitzt Murdoch zwei rechte Sturmgeschütze, die uns Trump und | |
den Brexit mitbeschert haben. | |
## Medienvielfalt schützen und Vermögen wegbesteuern | |
Noch sind wir in Deutschland nicht so weit. Hierzulande dauert ja auch | |
alles immer ein bisschen länger. Das gibt uns Zeit, uns auf das Kommende | |
vorzubereiten. Um die Demokratie vor den Oligarch:innen zu schützen, | |
müssen Maßnahmen her: Gegen die Medienkonzentration müssen Behörden | |
vorgehen und Fusionen verhindern, bereits bestehende Großkonzerne wie | |
Springer oder Bertelsmann sollte man aufspalten. Und es muss endlich eine | |
staatliche Medienförderung her, die auch wenig zahlungskräftigen Menschen | |
und Gruppen erlaubt, Zeitungen, Radio oder Fernsehen zu machen. Nur so | |
schützt man die Meinungsvielfalt vor dem Zugriff der Superreichen. | |
Der einfachere Weg aber ist, zu verhindern, dass solche Oligarchenvermögen | |
überhaupt entstehen. Indem man Gewinne wegbesteuert, Erben zur Kasse bittet | |
und Konzerne enteignet. | |
22 Feb 2023 | |
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## AUTOREN | |
Caspar Shaller | |
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