# taz.de -- Medienkonzentration in Deutschland: Die Macht der Konzerne | |
> Medienunternehmen sollen nie so viel Marktanteil haben, dass sie die | |
> Meinung bestimmen. Aber die Gesetze, die das regeln, sind veraltet. | |
Bild: Wenn ein Sender sich dem Zuschaueranteil von 30 Prozent nähert, wird es … | |
Die Bild hat vorgelegt, nun zieht RTL nach. Der Privatsender will ebenfalls | |
ein [1][Live-Video-Angebot] im Netz starten, um jederzeit auf | |
Nachrichtenlagen zu reagieren. Ob der Kölner Konzern das aber überhaupt | |
darf, darüber musste erst die KEK entschieden, die Kommission zur | |
Ermittlung der Konzentration im Medienbereich – eine Gruppe von | |
Sachverständigen. Und die urteilte im Dezember: RTL darf. Denn seine | |
Meinungsmacht sei allen Aktivitäten zum Trotz keine Gefahr. | |
Die KEK prüft seit Ende der 90er Jahre die Medienmacht der Konzerne – und | |
zwar unabhängig von Standortinteressen, die zum Beispiel die | |
Landesmedienanstalten umtreiben. KEK-Berichte sind frei zugänglich, | |
begleitet von Grafiken über die Verflechtungen der Szene. Die KEK schafft | |
damit Transparenz in einem für Außenstehende eher undurchsichtigen Markt. | |
So ist zum Beispiel auf einen Blick ersichtlich, was eine aktuelle | |
KEK-Grafik aufschlüsselt: Bertelsmann ist über acht Stufen an der RTL | |
Television GmbH beteiligt, zu der auch das deutsche Vollprogramm RTL gehört | |
und – über einen weiteren Abzweig – n-tv. Wer noch hinter RTL-Sendern | |
steckt, zeigen andere Pfeile, etwa zu RTL2, bei dem noch immer die | |
Verlagshäuser Bauer und (ein kleines bisschen) Burda mitmischen, mittelbar | |
auch Walt Disney, das wiederum noch stärker auch hinter SuperRTL steht. | |
Die KEK rechnet zum Beispiel so: Von allen Fernsehzuschauenden haben | |
zuletzt gut 22 Prozent die RTL-Sender eingeschaltet. Weil der Hauptsender | |
auch noch Regionalprogramme und Sendungen von Dritten wie Spiegel TV und | |
Stern TV zeigt, ziehen die Prüfer knapp 5 Prozent ab. Das mache „bei der | |
Bewertung nur noch ein[en] Zuschaueranteil von 17,3 Prozent“. Unruhig wird | |
die Kommission erst in Richtung 30 Prozent Zuschaueranteil, das ist die | |
Alarmgrenze. Weil RTL davon nach der aktuellen Berechnung weit entfernt | |
ist, darf es seinen Stream-Kanal starten. | |
## „Fehler im System“ | |
Aber ist diese Berechnungsmethode noch zeitgemäß, um festzustellen, welche | |
Medienkonzerne wie stark auf die Gesellschaft einwirken können? | |
„Meinungsmacht wird am klassischen, linearen Fernsehen gemessen“, erklärt | |
Georgios Gounalakis. Er sitzt der KEK seit bald vier Jahren vor. Was im | |
Netz passiere, dürften er und seine Kolleg*innen hingegen in aller Regel | |
nicht prüfen. „Das ist ein großer Fehler im System.“ | |
Nur wenn der Zuschaueranteil 25 Prozent überschreitet, dürfen die Prüfer | |
auch andere Märkte dazurechnen, um herauszufinden, ob die Marktmacht aus | |
Fernsehprogrammen und etwa Zeitungen oder auch Produktionsgesellschaften | |
das gegenwärtige Limit überschreitet. So hatte die KEK zum Beispiel | |
[2][2006 untersagt], dass Axel Springer – damals noch ein klassischer | |
Zeitungs- und Zeitschriftenverlag – mit der Sendergruppe ProSiebenSat1 | |
zusammengehen konnte. Ein Gericht kippte das zwar – zur Fusion kam es | |
dennoch nie. Das Urteil zeigte aber schon damals die Reformnot beim | |
Medienkonzentrationsrecht. | |
Die KEK schaut sich weiter an, was Springer macht – auch, weil dieser | |
Medienkonzern inzwischen mit „Welt“ selbst zum Fernsehveranstalter geworden | |
ist. „Welt“, das man bis 2018 noch unter N24 kannte, geht ironischerweise | |
zurück auf das Fusions-Hickhack mit ProSiebenSat1 in den 2000ern. Doch | |
sogar die Livestreaming-Offensive von Bild ist bei den KEK-Prüfungen außen | |
vor: Bild sendet nicht im klassischen TV. | |
Wer aber wissen will, welche Macht [3][Springers Großinvestor KKR] im | |
deutschen Medienmarkt hat, erfährt unter anderem, dass KKR mittelbar auch | |
an RTL2 beteiligt ist und an dem aufstrebenden TV- und Filmlieferanten | |
Leonine. Vieles, was KKR stützt, ist aber nun mal kein direkter | |
Fernsehbetrieb und damit für die KEK derzeit irrelevant. | |
## Medienvielfalt schützen | |
Inzwischen arbeiten die Länder an einem neuen Medienkonzentrationsrecht. | |
„Wir halten es für dringend renovierungsbedürftig“, betonte im Herbst Hei… | |
Raab. Die SPD-Politikerin koordiniert die Medienpolitik der Länder und will | |
weg von der „bisher sehr fernsehzentrierten Sicht“. | |
Raab hat eine Arbeitsgruppe installiert zu der Frage, wie Medienvielfalt | |
geschützt werden kann. Aber um Stiftungen oder Abgaben von Facebook und Co | |
geht es dabei nicht. Vielmehr sollen beim Blick auf Medienkonzerne und | |
-geldgeber alle Aktivitäten beleuchtet werden. Erst dann wären etwa auch | |
Streamingangebote ein Thema, von deutschen Sendergruppen wie RTL oder | |
ProSiebenSat1, aber auch aus den USA. „Auf diesem Auge sind wir derzeit | |
blindgemacht“, sagt KEK-Vorsitzender Gounalakis. Er würde gerne auch auf | |
Netflix und Amazon schauen, darf es aber nicht, obwohl auch sie zunehmend | |
deutsche Produktionen einstellen, auch Dokumentationen und Dokuserien. | |
Eigentlich sollte das große Update beim Medienkonzentrationsrecht längst da | |
sein: Die Länder wollten es von Anfang an in ihrem Medienstaatsvertrag | |
verankern, der Ende vergangenen Jahres den überholten Rundfunkstaatsvertrag | |
ersetzt hat. Allerdings hatten Bayern und Nordrhein-Westfalen gebremst. Das | |
ist kein Zufall: In Köln sitzt RTL, in München ProSiebenSat1. Die beiden | |
Länder wollten offenbar nicht das Risiko eingehen, dass neue Spielregeln | |
die „eigenen“ Konzerne einengen könnten. | |
Nun verhandeln die Länder also weiter. Das Portal [4][medienpolitik.net] | |
ist zum Forum für diese Debatte geworden. Wie schwerfällig sie ist, zeigt | |
ein dort veröffentlichtes Gespräch mit dem CDU-Politiker Dirk Schrödter. | |
Der Chef der schleswig-holsteinischen Staatskanzlei mahnte: Eine Einigung | |
könne nur gelingen, „wenn die Länder trotz des Wunsches, auch die eigenen | |
Interessen durchsetzen zu wollen, das oberste Ziel eines funktionierenden | |
Medienkonzentrationsrechts nicht aus den Augen verlieren“. Ein klares | |
Signal an Nordrhein-Westfalen und Bayern. | |
Die Länder planen noch viele Gespräche mit Expert*innen. Unklar ist etwa, | |
auf welche Daten sich eine viel weitreichendere Bewertung der | |
Medienkonzerne und -geldgeber stützen soll, wenn es um publizistische | |
Wirkmacht geht. Bestenfalls wird über die künftigen Währungen und Grenzen | |
bei der Medienkonzentration aber nicht hinter verschlossenen Türen | |
entschieden. | |
11 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Doku-Serie-Bild-Macht-Deutschland/!5733962 | |
[2] /ProSieben-Sat1-Verkauf/!5194352 | |
[3] /KKR-Springer-Partnerschaft/!5616733 | |
[4] http://medienpolitik.net | |
## AUTOREN | |
Daniel Bouhs | |
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