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# taz.de -- Oligarchen in Russland: Vulgäre Worte für Putin
> Ein geleakter Telefonmitschnitt von zwei russischen Oligarchen offenbart,
> was diese wirklich vom russischen Angriffskrieg auf die Ukraine denken.
Bild: Putin in Kaliningrad am 30.März: In dem Telefongespräch wird der Präsi…
Moskau taz | Die Aufnahme ist ein Lehrstück in russischer Vulgärsprache.
Jeder Satz ist durchsetzt mit Wörtern wie „verdammt“, „verschissen“,
„Lump“, „Drecksack“ und allerlei anderen obszönen Wendungen, die dem
sogenannten russischen „Mat“ eigen sind. Russlands [1][Präsident Wladimir
Putin] sei ein „Satan“, der sich „für alles verantworten“ werde müsse…
weil er mit seinem „brudermörderischen Krieg“ in die „Katastrophe“ gef…
und „das ganze Volk beerdigt“ habe, werfen sich die Gesprächspartner zu und
klingen verzweifelt.
Doch hier unterhalten sich keine verwahrlosten, betrunkenen Männer am Rande
einer Garagensiedlung irgendwo tief in der Provinz, hier reden zwei
russische Milliardäre: Farchad Achmedow und Jossif Prigoschin (mit seinem
berühmt-berüchtigten Namensvetter Jewgeni Prigoschin, dem Chef der brutalen
Privatarmee [2][„Wagner“], ist dieser nicht verwandt). Der 67-jährige
Achmedow, im sowjetischen Aserbaidschan geboren, hat viel Geld mit Öl und
Gas verdient und saß auch im Föderationsrat, dem Oberhaus des russischen
Parlaments.
Prigoschin, ein Bergjude aus Machatschkala in Dagestan, hat als
Musikproduzent viele russische Schlagermusiker*innen bekannt gemacht.
In der Schweiz und Großbritannien besitzt er Immobilien. Der 53-Jährige
hatte sich 2014 für die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim
eingesetzt, auch die russische Invasion der Ukraine hat er nach dem 24.
Februar 2022 öffentlich unterstützt.
Nun sprechen die Magnaten über das Desaster, das westliche Sanktionen
anrichten, über die Zukunftslosigkeit Russlands, über die Ausweglosigkeit
und das Zurückgeworfensein, weil Putin den Krieg in der Ukraine zu
verantworten habe und kaum eine Exitstrategie daraus wisse. Sie sagen
ähnliche Sätze, die sich liberal Gesinnte in Russland kaum mehr
auszusprechen wagen, weil ihnen dadurch sofort ein Strafverfahren drohen
würde.
Achmedow und Prigoschin aber sind Männer, die in und mit Putins System
reich geworden sind, wenn auch politisch nicht einflussreich. Nach dem
Auftauchen des Telefonmitschnitts vor einigen Tagen beeilte sich Prigoschin
denn auch zu sagen, dieser sei „Fake“. Nach und nach aber gab er verdruckst
zu, man könne im Privaten schließlich das von sich geben, was man denke.
Ein Eingeständnis dessen, dass das geleakte Material echt ist. Wer es
veröffentlicht hat, ist vorerst nicht bekannt.
„Wofür das alles?“
Das private Gespräch der beiden, das vermutlich im Januar geführt worden
ist, gibt einen Einblick in die Stimmungslage russischer Eliten. Es zeigt,
wie bewusst ihren Vertretern die derzeitige Lage in Russland ist.
Verantwortlich dafür machen sie Putin, der „den Kopf da hineingesteckt hat,
wo der Hintern nicht durchpasst“, wie es im Russischen heißt. „22 Jahre …
Er hätte das Land aufbauen können. Alles hat er verschissen, verdammt“,
sagt Achmedow fluchend.
„Wofür das alles? Angefangen, nicht beendet, verschissen. Wofür also hat
der Dreckskerl das gemacht?“, fragt Prigoschin und fährt fort:
„Zurückweichen kann er nicht, vorwärts geht’s auch nicht. Es wird also ein
Patt, ein Zickenkrieg. Die Kakerlaken im Glas haben schon längst
angefangen, sich kaputtzunagen.“ Damit verweist er wohl auf die
Grabenkämpfe innerhalb der politischen und wirtschaftlichen Elite, auf
angebliche Auseinandersetzungen zwischen Ministerien, staatlichen
Ölkonzernen und Sicherheitsstrukturen.
Die Sätze machen deutlich, wie erniedrigt sich beide fühlen, wie ungewiss
sie in die Zukunft blicken, zwischen einem Leben unter Sanktionen und einem
drohenden Strafverfahren im eigenen Heimatland. Reicht eine solche Stimmung
aus, um Putin zu stürzen? Im Gegenteil. Die vermögenden Kreise tragen das
System weiter mit. Sie schweigen öffentlich, wahren nach außen ihre
Loyalität, sie versuchen, ihre eigene Haut zu retten, die Ukraine ist
vielen von ihnen egal.
Sie sind [3][Konformist*innen] wie so viele Menschen im Land. In der
eigenen Küche können sie auch schon einmal schimpfen, können am Telefon
alle möglichen Flüche gegen die höchsten Regierungskreise ausstoßen. In die
Tat wird die Unzufriedenheit nicht umgesetzt. In der Elite nicht, auch im
Volk nicht – sie sind sich in ihrer Ausweglosigkeit gleich. Die Angst würgt
ihnen die Luft ab, aber sie trägt das System. Und der Krieg geht weiter.
2 Apr 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Inna Hartwich
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