| # taz.de -- Russische Oligarchen in Europa: Deals unter Freunden | |
| > Ein Gefährte des russischen Präsidenten Putin macht Geschäfte in Europa. | |
| > Dabei knüpft er antidemokratische und kremlfreundliche Netzwerke. | |
| Bild: Enge Gefährten seit alten KGB-Zeiten: Wladimir Jakunin (links) und Wladi… | |
| Das Radisson Blu Park Royal Palace Hotel befindet sich in bester Lage | |
| Wiens, goldfarben schimmert seine Fassade hinter Bäumen, das Schloss | |
| Schönbrunn ist wenige Gehminuten entfernt. Ein Penthouse in der obersten | |
| Etage kann man [1][für knapp zwei Millionen Euro] erwerben. | |
| Wem das 4-Sterne-Hotel gehört, ist unklar. Nicht ungewöhnlich, dass sich | |
| Immobilienbesitzer hinter Gesellschaften und Offshorefirmen verstecken, | |
| doch in diesem Fall lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Der Hedgefonds, | |
| der den Fonds des Hotelkäufers verwaltet, ist auch für die Investitionen | |
| einer Stiftung von Wladimir Jakunin zuständig – ein einflussreicher | |
| russischer Oligarch und Vertrauter Putins, der europaweit prorussische und | |
| antidemokratische Initiativen finanziert. Auch der Name des ehemaligen | |
| österreichischen Kanzlers Alfred Gusenbauer taucht in diesem Zusammenhang | |
| immer wieder auf. | |
| Zum Netzwerk Jakunins und seiner Familie recherchieren wir – ein Verbund | |
| aus Journalist*innen aus sieben europäischen Ländern und Russland – | |
| seit fast zwei Jahren. In dieser Zeit haben wir Registerauszüge geprüft, | |
| Hintergrundinterviews geführt, russische Quellen im Exil getroffen und | |
| waren zu Gast bei zwielichtigen Veranstaltungen. Daraus entstanden | |
| zahlreiche Veröffentlichungen zu fragwürdigen [2][Deals mit hochrangigen | |
| europäischen Politikern], über Konten mit Milliarden Dollar an | |
| Bestechungsgeldern und [3][Immobilien] mit verschleierten | |
| Eigentumsverhältnissen. In dieser Recherche widmen wir uns den | |
| Hotelgeschäften der Familie Jakunin. | |
| Wladimir Jakunin ist einer der ältesten Weggefährten Putins und bekannt für | |
| sein nationalkonservatives Weltbild. Während er seine Familie und sein | |
| Vermögen nach Europa verlagert hat, hetzt er im eigenen Land gegen die | |
| „Dekadenz des Westens“ und die „globale Finanzoligarchie“. Als ehemalig… | |
| Chef der russischen Eisenbahn hat er laut der Recherchegruppe von The | |
| Insider nicht nur Geld in Milliardenhöhe vom russischen Staatsbudget | |
| abgeführt, er unterhält auch beste Kontakte zu Geschäftsleuten und | |
| hochrangigen Politikern im Ausland. | |
| Für den russischen Politologen Alexander Morozov ist Jakunin ein „Pionier | |
| der russischen Einflussnahme“, der zum “'Anti-Soros’ werden will – einem | |
| Organisator der antiliberalen Politik auf globaler Ebene“. | |
| Kaum ein anderer Oligarch ist so gut vernetzt in Europa wie Jakunin. Er | |
| unterhält Stiftungen und Institute in Frankreich, Österreich, der Schweiz, | |
| Tschechien und – bis vor Kurzem – auch in Deutschland. Alle haben dasselbe | |
| Ziel: pro-russische Allianzen knüpfen und die Politik des Kremls im Ausland | |
| salonfähig mache. In einige Aktivitäten ist auch der Rest der Familie – | |
| seine Frau Natalia und die Söhne Andrei und Viktor – eingebunden. Russische | |
| Aktivisten und Oppositionelle warnen schon lange davor, dass die Familie | |
| auch im Ausland agiert. Mit Hilfe eines Netzwerks aus Treuhändern, Bänkern, | |
| Anwälten und Politikern verfügen die Jakunins so über Strukturen, mit denen | |
| sie Geld ins Ausland transferieren, Vermögen anhäufen und damit ihre | |
| politische Propaganda und die des Kremls vorantreiben. | |
| Das Bereicherungsprinzip der Familie ist seit den Neunzigerjahren dasselbe: | |
| Über die Kontakte von Wladimir Jakunin werden Hotels günstig erworben und | |
| nach der Renovierung und dem Rebranding mit Gewinn weiterverkauft. | |
| Bei den Investments in Europa taucht der Name der Familie meistens nicht | |
| auf. Das Geld, das mit großer Sicherheit aus dem Budget der russischen | |
| Eisenbahn stammt – und damit von russischen Steuerzahlern –, ist danach | |
| „sauber“. | |
| Das Hotelgeschäft in Wien ist ein Paradebeispiel für das korrupte Prinzip | |
| der Familie. Dieses Beispiel offenbart aber auch, wie sich russische | |
| Oligarchen als saubere Geschäftsleute präsentieren, es zeigt, wie sie trotz | |
| westlicher Maßnahmen weiterhin politischen Einfluss nehmen können – und | |
| demonstriert die Scheinheiligkeit der europäischen Regierungen, die dieses | |
| System jahrelang nicht nur geduldet, sondern gefördert haben und jetzt mit | |
| den Konsequenzen konfrontiert sind. | |
| Dabei ist der Westen alles andere als wehrlos. In den USA und Australien | |
| ist Wladimir Jakunin seit der Krim-Annexion 2014 – damals war er noch Chef | |
| der russischen Eisenbahn – aufgrund seiner Regierungsfunktion und der Nähe | |
| zu Präsident Putin sanktioniert. Das bedeutet, dass er einem Visumsverbot | |
| unterliegt, sämtliche Vermögenswerte in den USA eingefroren und ihm | |
| Geschäfte und Transaktionen in Dollar untersagt sind. | |
| Auch die EU könnte den Einfluss der Familie Jakunin über Sanktionen | |
| einschränken. Sanktioniert werden seit 2014 [4][laut der Richtlinie] | |
| insbesondere Personen oder Institutionen, die in die Gefährdung der | |
| territorialen Integrität der Ukraine involviert sind, die von russischen | |
| Entscheidungsträgern, die für die Annexion der Krim verantwortlich sind, | |
| profitieren, die mit den prorussischen Separatisten im Donbass | |
| interagieren, die von der russischen Regierung profitieren oder eine | |
| substanzielle Einkommensquelle für die russische Regierung darstellen. Die | |
| Liste umfasst [5][1.212 Russen und 108 Institutionen]. | |
| Als wir bei der EU-Kommission nachfragen, warum Wladimir Jakunin nicht auf | |
| der Liste steht, teilt man uns mit, man möchte sich nicht zu einzelnen | |
| Namen äußern. Dem Schweizer Magazin Republik [6][sagte ein EU-Sprecher]: | |
| „Wenn jemand nicht auf der Sanktionsliste ist, bedeutet das, dass die | |
| EU-Mitgliedsstaaten der Meinung sind, dass es nicht genügend Grund dazu | |
| gibt, der Moment nicht der richtige ist oder dass es an Beweisen fehlt, um | |
| die Person zu sanktionieren.“ | |
| 2016, als Jakunin bereits in den USA und Australien sanktioniert war, | |
| erhielt er ein Visum und eine Arbeitserlaubnis für Deutschland, um in | |
| Berlin den Dialogue of Civilizations zu eröffnen. Einen mittlerweile | |
| inaktiven Thinktank, der Experten zufolge [7][„an vorderster Front bei der | |
| Verbreitung von Jakunins konservativer und homophober Botschaft im | |
| deutschen politischen Establishment“] stand. Damals war schon bekannt, dass | |
| Jakunin enge Kontakte zur Rechten pflegt. 2014 trat er etwa beim Kongress | |
| „Frieden mit Russland“ des Magazins Compact auf, an dem auch der | |
| AfD-Politiker Alexander Gauland teilnahm. Das Magazin stuft das Bundesamt | |
| für Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ ein. | |
| Die Frage ist aber auch, ob Sanktionen gegen jemanden wie Wladimir Jakunin | |
| überhaupt wirksam wären – wenn es um einen ganzen Clan geht. | |
| In Großbritannien scheint man sich über die Gefahr, die von der Familie | |
| Jakunin ausgeht, bewusst zu sein. Im April dieses Jahres wurde Wladimir | |
| Jakunin mit 205 weiteren russischen Personen von der britischen Regierung | |
| sanktioniert. Er kann seinen Sohn und seine Enkel nicht mehr besuchen, ihm | |
| sind Transaktionen in Pfund untersagt und ihm wird der Zugang zu Konten | |
| verwehrt. Auch sein Sohn Andrei – dem Gründer von VIYM –, der sich als | |
| britischer Staatsbürger lange sicher wähnte, gerät jetzt in den Fokus der | |
| Politik. | |
| In der [8][Parlamentsdebatte über neue britische Sanktionen] sagte die | |
| Labour-Abgeordnete Margaret Hodge, Wladimir Jakunin habe „fast vier | |
| Milliarden Dollar an Vermögenswerten und Provisionen von der russischen | |
| Eisenbahn abgeführt“, und dass „der größte Teil dieser Vermögenswerte j… | |
| von seinem in London ansässigen Sohn über einen in Luxemburg registrierten | |
| Investmentfonds VIYM verwaltet wird“. | |
| ## Die Famile schützen | |
| Dabei bemüht sich Jakunin junior schon länger darum, sein Vermögen von den | |
| Geschäften seines Vaters zu trennen. Laut einer Recherche des US-Mediums | |
| Quartz aus dem Jahr 2017 beauftragte er eine Corporate-Intelligence-Firma | |
| in London damit, den Ruf der Familie zu „schützen“, indem sie negative | |
| Berichterstattung verhindern sollte und die Suchergebnisse durch selbst | |
| erstellte positive Meldungen beeinflusste. Diese Praxis wird auch als | |
| „reputation laundering“ bezeichnet und ist nicht unüblich unter russischen | |
| Oligarchen und deren Angehörigen. | |
| Andrei Jakunin wies gegenüber Quartz zurück, dass sein Vater Einfluss auf | |
| sein Vermögen nimmt. Auch dass seine Firma VIYM die gleichen Initialen | |
| trägt wie sein Vater Wladimir Iwanowitsch Jakunin (auf Englisch VIY), sei | |
| reiner Zufall. Erklärt, woher sein Vermögen kommt – darunter ein | |
| 4,5-Millionen-Pfund-Anwesen in London-Hampstead, wo er mit seiner Familie | |
| lebt –, hat Andrei Jakunin nie. | |
| Juristische Mittel, das zu überprüfen, gäbe es. Seit der 2017 in | |
| Großbritannien eingeführten „Unexplained Wealth Orders“ können verdächt… | |
| Personen gezwungen werden, offenzulegen, wie sie eine Immobilie oder einen | |
| Vermögenswert im Wert von mehr als 50.000 Pfund erworben haben, wenn der | |
| Wert im Vergleich zum angegebenen Einkommen der Person unverhältnismäßig | |
| erscheint. Bisher gab es jedoch [9][nur neun Fälle, in denen die Order zur | |
| Wirkung kam]. | |
| Dass VIYM eine Art Familienfonds für die Geschäfte der Familie Jakunin ist, | |
| konnte man schon früh erahnen. Doch das Geschäft mit den Hotels begann | |
| sogar noch vor der Gründung. | |
| Das erste Hotel, das in den Besitz der Jakunins gelangte, war das | |
| Pribaltiskaja, das größte Hotel St. Petersburgs. Damals war Wladimir | |
| Jakunin gerade aus New York, wo er für den sowjetischen Geheimdienst KGB | |
| stationiert war, nach St. Petersburg zurückgekehrt. Dass er 1991 von dem | |
| Posten zurücktrat, nachdem die „sogenannten Demokraten“ die Macht | |
| übernommen hatten, beschreibt Jakunin in seiner Autobiografie „A | |
| treacherous Path“. | |
| Im Zuge der Privatisierungswelle der Neunzigerjahre kam er in den Besitz | |
| des Hotels. 1996 stellte eine Untersuchungskommission der Stadt St. | |
| Petersburg zwar fest, [10][dass die Privatisierung des Hotels unrechtmäßig | |
| war und leitete Ermittlungen ein]. Doch Jakunin hatte mächtige Freunde, die | |
| ihn schützten. Einer davon war der damalige stellvertretende Bürgermeister | |
| der Stadt, Wladimir Putin. | |
| Putin war wegen eines anderen Hotels [11][mit ähnlichen Vorwürfen | |
| konfrontiert]. Was ihn und Jakunin zu dieser Zeit verband, war mehr als die | |
| gemeinsame KGB-Vergangenheit: Beide waren aufeinander angewiesen, um sich | |
| vor Ermittlungen zu schützen. Dafür machte Putin Jakunin zunächst zum | |
| Leiter einer offiziellen Stelle zur Untersuchung von Korruption – um | |
| jegliche Korruptionsvorwürfe von Putin und seinen Freunden abzuwehren. | |
| Wie eng Putin und Jakunin schon damals waren, zeigt auch die Tatsache, dass | |
| die beiden mit einigen weiteren ehemaligen KGB-Mitarbeitern 1996 die | |
| berüchtigte Datscha-Kooperative Ozero gründeten. Die Mitglieder dieser | |
| exklusiven Ferienhaussiedlung gehören bis heute zum innersten Kern von | |
| Putins Kreis. Als Putin im Jahr 2000 Präsident wurde, erhielten die | |
| Ozero-Mitglieder wichtige Posten. Juri Kowaltschuk wurde Chef der Bank | |
| Rossija – auch genannt „Bank von Putins Freunden“ – und Andrei Fursenko | |
| Bildungsminister. | |
| Zur selben Zeit wurde der Leiter der Kommission, die die Privatisierung der | |
| Hotels untersuchte, von Unbekannten überfallen und einige Jahre später von | |
| der Staatsanwaltschaft St. Petersburg wegen der „Bildung einer kriminellen | |
| Bande“ zu lebenslanger Haft verurteilt. [12][Er starb 2013 in einer | |
| Strafkolonie in Russland.] | |
| Das Hotel Pribaltiskaja aber blieb in der Hand der Jakunins. 2006 verkaufte | |
| Sohn Andrei, der für das Hotelmanagement zuständig war, das Haus [13][für | |
| geschätzte 100 Millionen Dollar] an einen norwegischen Investor. Im selben | |
| Jahr gründete er die Beteiligungsgesellschaft VIYM, die zunächst vor allem | |
| in Russland investierte. | |
| Wladimir Jakunin war inzwischen mit Putins Hilfe zum Chef der russischen | |
| Eisenbahn aufgestiegen; Sohn Andrei profitierte davon, wie eine Recherche | |
| der Nachrichtenagentur Reuters zeigt. 2009 schloss VIYM [14][einen | |
| „bahnbrechenden Deal“] im Wert von 500 Millionen Dollar mit dem | |
| schwedischen Hotelbetreiber Rezidor ab, um eine Hotelkette zu erwerben. Ein | |
| Teil der Hotels befand sich an wichtigen Bahnhöfen in Russland oder in | |
| deren Nähe. [15][Die Jakunins bestritten damals, dass die Unternehmen | |
| finanzielle Interessen teilten oder dass Andreis Kontakte seine | |
| Hotelgeschäfte unterstützten.] In einer [16][Recherche von 2013] legte das | |
| Team um Alexei Nawalny jedoch dar, wie Wladimir Jakunin über ein Netzwerk | |
| aus Offshorefirmen Aufträge an seinen Sohn verteilte und so Geld ins | |
| Ausland transferierte. [17][Dazu schrieb Nawalny] „In allen Ländern dienen | |
| die Eisenbahnen dem Verkehr, bei uns aber darüber hinaus auch dem | |
| Diebstahl.“ | |
| Während Jakunins Zeit als Chef der russischen Eisenbahn [18][verdreifachten | |
| sich die Ausgaben des zweitgrößten russischen Staatskonzerns], das Bahnnetz | |
| aber wuchs nur um 1,2 Prozent. Immer wieder berichteten Auftragnehmer über | |
| [19][hohe Bestechungsgelder], die sie zahlen mussten. 2015 machte das | |
| Unternehmen ein Minus von knapp 1,7 Milliarden US-Dollar. Da wurde es | |
| selbst Präsident Putin zu viel. Noch im selben Jahr musste Jakunin von | |
| seinem Posten zurücktreten. | |
| Die Geschäfte der Jakunins beeinträchtigte das jedoch nicht – vor allem | |
| nicht deren Ausweitung in Europa. Noch während seiner Zeit als Chef der | |
| russischen Eisenbahn nutzte Wladimir Jakunin seine Kontakte, um ein | |
| Netzwerk von russlandfreundlichen und sanktionskritischen Akteuren zu | |
| schaffen. 2006 eröffnete er das Hauptquartier des „World Public Forum – | |
| Dialogue of Civilizations“ in Wien. Die Idee des Instituts entstand aus dem | |
| Rhodos-Forum, einer zweitägigen jährlichen Veranstaltung mit | |
| Podiumsdiskussionen und Vorträgen auf der griechischen Insel Rhodos. | |
| [20][Ein Experte bezeichnet das Forum als „eine 'influence operation’], die | |
| darauf abzielt, die westlichen Gesellschaften zu spalten und zu schwächen“. | |
| ## Jakunin bleibt wichtig | |
| Ob Jakunin seine politischen Initiativen nach seiner Entlassung als Chef | |
| der russischen Eisenbahn im Auftrag Putins weitergeführt hat oder auf | |
| eigene Faust handelt, lässt sich nicht eindeutig klären. Der | |
| Osteuropaexperte Henning Schröder glaubt: „Solange er die Strukturen im | |
| Ausland hat, bleibt er ein interessantes Asset.“ Und die Journalistin und | |
| Russland-Kennerin Catherine Belton, die Jakunin interviewte, sieht ihn auch | |
| weiterhin als einen „Treuhänder des Kreml“. | |
| Dass Jakunin 2006 Wien als Standort wählte, ist kein Zufall. Einer seiner | |
| wichtigsten Verbündeten ist der ehemalige österreichische Kanzler Alfred | |
| Gusenbauer, den Jakunin während seiner Zeit als Chef der russischen | |
| Eisenbahn kennenlernte. 2008 wurde Gusenbauer, der sich immer wieder gegen | |
| die Sanktionen gegen Russland aussprach, von Jakunin mit dem Preis | |
| „Dialogue of Civilizations“ ausgezeichnet. Auch nach Ende der Kanzlerschaft | |
| 2008 hielt die Verbindung. Ende Juli 2009 wurde Gusenbauer Mitglied des | |
| Aufsichtsrates der Baugruppe Alpine Holding GmbH. In nur zehn Monaten | |
| arrangierte er ein Joint Venture mit der russischen Eisenbahngesellschaft. | |
| Jakunin kam 2010 nach Wien, um den Vertrag zu unterzeichnen – und verfolgte | |
| höchstwahrscheinlich auch private Interessen. | |
| 2007, als Alfred Gusenbauer Kanzler geworden war, unterzeichnete die | |
| Bundesimmobiliengesellschaft, der größte staatliche Immobilieneigentümer in | |
| Österreich, einen Vertrag mit einer Tochterfirma der österreichischen | |
| Unternehmensgruppe Schweighofer über den Verkauf eines 13.000 Quadratmeter | |
| großen Areals. Dort wurde später das Radisson Blu Park Royal Palace Hotel | |
| gebaut, [21][Kosten: 4,5 Millionen Euro]. 2012 wurde das Haus mit einer | |
| [22][glamourösen Gala inklusive Showeinlage] der russisch-österreichischen | |
| Startänzerin Karina Sarkissova eröffnet. | |
| Einige Monate später veränderten sich laut Firmen- und Grundbuchauszügen | |
| die Eigentümerverhältnisse. Unter den Gesellschaftern tauchen zwei neue | |
| Firmen – beides Tochterfirmen von VIYM – und zwei neue Personen auf: der | |
| Treuhänder der Familie Jakunin, Alessandro Lardi, und die Leiterin des | |
| luxemburgischen Standorts von VIYM. Somit wurden alle Anteile an dem Hotel | |
| nach der Eröffnung an VIYM und Andrei Jakunin übertragen. Daran ist | |
| zunächst nichts verwerflich; es gibt jedoch ein pikantes Detail: Der | |
| damalige Kanzler und Freund Jakunins, Alfred Gusenbauer, [23][pflegt auch | |
| enge Kontakte zu Schweighofer], dessen Unternehmen die Ausschreibung für | |
| das Grundstück gewann und für den Bau des Hotels verantwortlich ist. Ob | |
| Gusenbauer einen Einfluss auf die Übertragung des Grundstücks an VIYM hatte | |
| oder ob er überhaupt davon wusste, lässt sich nicht sagen. Wir haben ihn | |
| mit einem Fragenkatalog konfrontiert, er antwortete denkbar knapp: „Zu | |
| keiner der von Ihnen gestellten Fragen habe ich eine | |
| Wahrnehmung/Erinnerung.“ | |
| Wir halten fest: Ein wertvolles Grundstück mitten in der österreichischen | |
| Hauptstadt wird über Umwege an die Beteiligungsgesellschaft von Andrei | |
| Jakunin übertragen. Dessen Vater, der damalige Chef der russischen | |
| Eisenbahn, pflegt zu dieser Zeit engste Kontakte zum österreichischen | |
| Kanzler Alfred Gusenbauer, der gern gesehener Gast bei Jakunins politischen | |
| Foren ist, bei denen er sich immer wieder gegen Sanktionen ausspricht, und | |
| er kooperiert als Geschäftsmann mit der russischen Eisenbahn. | |
| Doch die Geschichte ist hier noch nicht zu Ende. Denn das Hotel blieb nicht | |
| lange in der Hand von VIYM und Andrei Jakunin. | |
| 2013 gründeten die Jakunins die St. Andrew Foundation in Genf, um „das | |
| russische nationale Erbe in Russland und im Ausland zu studieren und zu | |
| bewahren“. Jahresberichten der Stiftung zufolge erhielt sie zwischen 2014 | |
| und 2016 11,5 Millionen US-Dollar an Spendengeldern und überwies 6,9 | |
| Millionen in ihre Fonds, darunter eine Zahlung von 200.000 Dollar für ein | |
| Pro-Life-Programm zur „Sanctity of Motherhood“, das angeblich etwa 40.000 | |
| russische Babys vor der Abtreibung bewahrt hat. Der Familie gehören noch | |
| zwei weitere Stiftungen. Der DOC Endowment Fund finanzierte den Berliner | |
| Thinktank Dialogue of Civilizations. Die Foundation for Support of | |
| Historical and Cultural Studies hat sich der Erziehung junger Menschen zu | |
| „starken, insbesondere christlichen Werten“ verschrieben. | |
| Der inhaftierte russische Oppositionelle Alexei Nawalny machte die | |
| Schweizer Behörden 2014 darauf aufmerksam, dass die Stiftungsgelder den | |
| russischen Steuerzahlern zustehen. Doch getan hat sich laut einem | |
| Mitarbeiter von Nawalnys Team bis heute nichts. Auf Nachfrage teilte uns | |
| die Schweizer Bundesanwaltschaft mit, dass sie den Brief geprüft habe, aber | |
| „zum Schluss gekommen ist, dass die Eingabe keinen hinreichenden, konkreten | |
| Tatverdacht zu begründen vermochte, welcher für die formelle Eröffnung | |
| eines Strafverfahrens eine Voraussetzung dargestellt hätte“. | |
| Dabei gäbe es gute Gründe, sich die Finanzen der Stiftungen anzuschauen. | |
| Denn vielleicht stammt das Geld tatsächlich nicht nur aus „Spendengeldern“ | |
| – wie von Jakunin behauptet –, sondern aus Geschäften und Investitionen der | |
| Familie, die sie mit Geld aus dem russischen Staatsbudget getätigt hat. | |
| Studiert man den Jahresbericht von 2014-2016 der St.-Andrew-Stiftung, | |
| fallen zwei Dinge auf: Die Firma des Treuhänders Alessandro Lardi, der an | |
| der Übertragung des Wiener Hotels an VIYM beteiligt war, ist Teil des | |
| „Investment Committees“ der Stiftung. Das bedeutet: Dieselbe Treuhandfirma | |
| verwaltet sowohl Andrei Jakunins Investitionen und die Finanzen der | |
| Stiftung. Davon, dass Andreis Aktivitäten nichts mit denen seines Vater zu | |
| tun haben – wie er es behauptet –, kann keine Rede sein. | |
| Und zweitens: Der Investmentmanager der St. Andrew Foundation ist laut dem | |
| Jahresbericht der britische Hedgefonds Nevastar Finance Limited. Bei | |
| unseren Recherchen stoßen wir auf ein Dokument der österreichischen | |
| Finanzaufsicht, nach dem dieser Hedgefonds auch den Fonds der ECHO Group | |
| verwaltet, die 2019 das Wiener Hotel von VIYM kaufte. Laut Kaufvertrag, der | |
| uns vorliegt, lag der Kaufpreis bei 66 Millionen Euro. | |
| Vieles ist ungewöhnlich an diesem Fall: etwa, dass eine politische Stiftung | |
| solch eine komplexe finanzielle Struktur benötigt und dass ein Hedgefonds | |
| für die Investitionen einer Stiftung zuständig ist. Ein Zufall? | |
| Diese Frage können auch wir nicht beantworten. Was jedoch deutlich wird: | |
| Eine der einflussreichsten russischen Oligarchenfamilien tätigt mitten in | |
| Europa Geschäfte, die der Öffentlichkeit – und vermutlich auch den Behörden | |
| – größtenteils verborgen bleiben. Und vermutlich kann sie so Geld aus dem | |
| russischen Staatsbudget für prorussische und antidemokratische Initiativen | |
| nutzen, die auch dem Kreml und seiner Agenda Einfluss in Europa geben. | |
| ## Ein Hotel in der Schweiz | |
| Nach einem ähnlichen Muster investierte die Familie 2012 in das Hotel | |
| Alexander in Davos. Auch hier war es der Jakunin-Treuhänder Alessandro | |
| Lardi, der das Geschäft durchführte. Auch hier interessierte sich niemand | |
| für den Ursprung des Geldes. Nach der Übernahme wurde das Hotel renoviert | |
| und in Hard Rock Hotel Davos umbenannt. Ein Teil der Appartments wird nun | |
| verkauft. Auf der Website wird eine attraktive Rendite versprochen; eine | |
| Suite mit rund 110 Quadratmetern ist für 2,1 Millionen Schweizer Franken zu | |
| haben. | |
| In ein oder zwei Jahren wird Jakunins Beteiligung vergessen sein und jede | |
| Spur des Millionenbetrags, der für den Kauf des Hotels in bar gezahlt | |
| wurde, verschwunden sein. Auch die Schweizer Behörden werden dann machtlos | |
| sein. Ob das Geschäftsmodell ein System zur Geldwäsche ist oder ob es „nur�… | |
| zur Verschleierung von Besitzverhältnissen, zur Steuervermeidung oder zur | |
| Umgehung von (drohenden) Sanktionen gewählt wurde, lässt sich nicht | |
| eindeutig sagen. | |
| Doch es bleibt die Frage: Warum nutzt man solche Strukturen, wenn man | |
| nichts zu verbergen hat? Und warum schauen westliche Behörden dabei zu? | |
| Vielleicht ist es das, was der russische Oppositionelle Wladimir Kara-Mursa | |
| in einem Interview mit uns als „schreckliche Doppelmoral“ bezeichnet hat. | |
| „Der größte Export des Putin-Regimes in den Westen ist nicht Öl oder Gas, | |
| sondern Korruption“, sagt Kara-Mursa. „Damit eine Person Korruption | |
| exportieren kann, muss eine andere sie importieren wollen.“ | |
| Die Recherche wurde von Investigative Journalism for Europe (J4EU) | |
| gefördert. Mitarbeit: Anastasia Kirilenko, Sofia Izmaylova, Sebastian | |
| Reinfeldt, Hazel Sheffield, Silvia Stöber | |
| Anmerkung der Redaktion: Wir haben nachträglich vier Stellen im Text aus | |
| rechtlichen Gründen geändert. | |
| 13 Aug 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.turpin-immobilien.at/objekt/6519761 | |
| [2] https://www.tagesschau.de/investigativ/tschechien-praesident-zeman-russland… | |
| [3] https://www.rbb24.de/politik/thema/Ukraine/beitraege/russland-sanktionen-im… | |
| [4] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/HTML/?uri=CELEX%3A02014R0269… | |
| [5] https://www.consilium.europa.eu/de/policies/sanctions/restrictive-measures-… | |
| [6] https://www.republik.ch/2022/03/18/unter-dem-radar | |
| [7] https://www.politicalcapital.hu/pc-admin/source/documents/Laruelle_Rivera_C… | |
| [8] https://hansard.parliament.uk/commons/2022-03-01/debates/6EF274E3-57A6-46ED… | |
| [9] https://commonslibrary.parliament.uk/research-briefings/cbp-9098/ | |
| [10] https://www.svoboda.org/a/29109605.html | |
| [11] https://tbcarchives.org/putin-1998/?highlight=FSB | |
| [12] https://theins.ru/en/corruption/247201 | |
| [13] https://multfishki.ru/en/kompaniya-rzhd-i-syn-kak-stroilsya-biznes-andreya… | |
| [14] https://www.reuters.com/article/uk-russia-railways-idUKBRE86O06T20120725?e… | |
| [15] https://www.reuters.com/article/us-russia-railways-idUSBRE86O06U20120725 | |
| [16] https://navalny-en.livejournal.com/93479.html | |
| [17] https://www.bpb.de/themen/europa/russland-analysen/231557/notizen-aus-brem… | |
| [18] https://qz.com/1037549/how-the-family-of-vladimir-putins-us-sanctioned-all… | |
| [19] https://theins.ru/en/corruption/252753 | |
| [20] https://www.tortoisemedia.com/2019/11/11/191111-putins-davos/ | |
| [21] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20071119_OTS0269/ehemaliges-imax-k… | |
| [22] http://www.tourismuspresse.at | |
| [23] https://www.diepresse.com/5294962/armer-christian-kern-arme-spoe | |
| ## AUTOREN | |
| Paul Toetzke | |
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