# taz.de -- Russische Oligarchen in Europa: Deals unter Freunden | |
> Ein Gefährte des russischen Präsidenten Putin macht Geschäfte in Europa. | |
> Dabei knüpft er antidemokratische und kremlfreundliche Netzwerke. | |
Bild: Enge Gefährten seit alten KGB-Zeiten: Wladimir Jakunin (links) und Wladi… | |
Das Radisson Blu Park Royal Palace Hotel befindet sich in bester Lage | |
Wiens, goldfarben schimmert seine Fassade hinter Bäumen, das Schloss | |
Schönbrunn ist wenige Gehminuten entfernt. Ein Penthouse in der obersten | |
Etage kann man [1][für knapp zwei Millionen Euro] erwerben. | |
Wem das 4-Sterne-Hotel gehört, ist unklar. Nicht ungewöhnlich, dass sich | |
Immobilienbesitzer hinter Gesellschaften und Offshorefirmen verstecken, | |
doch in diesem Fall lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Der Hedgefonds, | |
der den Fonds des Hotelkäufers verwaltet, ist auch für die Investitionen | |
einer Stiftung von Wladimir Jakunin zuständig – ein einflussreicher | |
russischer Oligarch und Vertrauter Putins, der europaweit prorussische und | |
antidemokratische Initiativen finanziert. Auch der Name des ehemaligen | |
österreichischen Kanzlers Alfred Gusenbauer taucht in diesem Zusammenhang | |
immer wieder auf. | |
Zum Netzwerk Jakunins und seiner Familie recherchieren wir – ein Verbund | |
aus Journalist*innen aus sieben europäischen Ländern und Russland – | |
seit fast zwei Jahren. In dieser Zeit haben wir Registerauszüge geprüft, | |
Hintergrundinterviews geführt, russische Quellen im Exil getroffen und | |
waren zu Gast bei zwielichtigen Veranstaltungen. Daraus entstanden | |
zahlreiche Veröffentlichungen zu fragwürdigen [2][Deals mit hochrangigen | |
europäischen Politikern], über Konten mit Milliarden Dollar an | |
Bestechungsgeldern und [3][Immobilien] mit verschleierten | |
Eigentumsverhältnissen. In dieser Recherche widmen wir uns den | |
Hotelgeschäften der Familie Jakunin. | |
Wladimir Jakunin ist einer der ältesten Weggefährten Putins und bekannt für | |
sein nationalkonservatives Weltbild. Während er seine Familie und sein | |
Vermögen nach Europa verlagert hat, hetzt er im eigenen Land gegen die | |
„Dekadenz des Westens“ und die „globale Finanzoligarchie“. Als ehemalig… | |
Chef der russischen Eisenbahn hat er laut der Recherchegruppe von The | |
Insider nicht nur Geld in Milliardenhöhe vom russischen Staatsbudget | |
abgeführt, er unterhält auch beste Kontakte zu Geschäftsleuten und | |
hochrangigen Politikern im Ausland. | |
Für den russischen Politologen Alexander Morozov ist Jakunin ein „Pionier | |
der russischen Einflussnahme“, der zum “'Anti-Soros’ werden will – einem | |
Organisator der antiliberalen Politik auf globaler Ebene“. | |
Kaum ein anderer Oligarch ist so gut vernetzt in Europa wie Jakunin. Er | |
unterhält Stiftungen und Institute in Frankreich, Österreich, der Schweiz, | |
Tschechien und – bis vor Kurzem – auch in Deutschland. Alle haben dasselbe | |
Ziel: pro-russische Allianzen knüpfen und die Politik des Kremls im Ausland | |
salonfähig mache. In einige Aktivitäten ist auch der Rest der Familie – | |
seine Frau Natalia und die Söhne Andrei und Viktor – eingebunden. Russische | |
Aktivisten und Oppositionelle warnen schon lange davor, dass die Familie | |
auch im Ausland agiert. Mit Hilfe eines Netzwerks aus Treuhändern, Bänkern, | |
Anwälten und Politikern verfügen die Jakunins so über Strukturen, mit denen | |
sie Geld ins Ausland transferieren, Vermögen anhäufen und damit ihre | |
politische Propaganda und die des Kremls vorantreiben. | |
Das Bereicherungsprinzip der Familie ist seit den Neunzigerjahren dasselbe: | |
Über die Kontakte von Wladimir Jakunin werden Hotels günstig erworben und | |
nach der Renovierung und dem Rebranding mit Gewinn weiterverkauft. | |
Bei den Investments in Europa taucht der Name der Familie meistens nicht | |
auf. Das Geld, das mit großer Sicherheit aus dem Budget der russischen | |
Eisenbahn stammt – und damit von russischen Steuerzahlern –, ist danach | |
„sauber“. | |
Das Hotelgeschäft in Wien ist ein Paradebeispiel für das korrupte Prinzip | |
der Familie. Dieses Beispiel offenbart aber auch, wie sich russische | |
Oligarchen als saubere Geschäftsleute präsentieren, es zeigt, wie sie trotz | |
westlicher Maßnahmen weiterhin politischen Einfluss nehmen können – und | |
demonstriert die Scheinheiligkeit der europäischen Regierungen, die dieses | |
System jahrelang nicht nur geduldet, sondern gefördert haben und jetzt mit | |
den Konsequenzen konfrontiert sind. | |
Dabei ist der Westen alles andere als wehrlos. In den USA und Australien | |
ist Wladimir Jakunin seit der Krim-Annexion 2014 – damals war er noch Chef | |
der russischen Eisenbahn – aufgrund seiner Regierungsfunktion und der Nähe | |
zu Präsident Putin sanktioniert. Das bedeutet, dass er einem Visumsverbot | |
unterliegt, sämtliche Vermögenswerte in den USA eingefroren und ihm | |
Geschäfte und Transaktionen in Dollar untersagt sind. | |
Auch die EU könnte den Einfluss der Familie Jakunin über Sanktionen | |
einschränken. Sanktioniert werden seit 2014 [4][laut der Richtlinie] | |
insbesondere Personen oder Institutionen, die in die Gefährdung der | |
territorialen Integrität der Ukraine involviert sind, die von russischen | |
Entscheidungsträgern, die für die Annexion der Krim verantwortlich sind, | |
profitieren, die mit den prorussischen Separatisten im Donbass | |
interagieren, die von der russischen Regierung profitieren oder eine | |
substanzielle Einkommensquelle für die russische Regierung darstellen. Die | |
Liste umfasst [5][1.212 Russen und 108 Institutionen]. | |
Als wir bei der EU-Kommission nachfragen, warum Wladimir Jakunin nicht auf | |
der Liste steht, teilt man uns mit, man möchte sich nicht zu einzelnen | |
Namen äußern. Dem Schweizer Magazin Republik [6][sagte ein EU-Sprecher]: | |
„Wenn jemand nicht auf der Sanktionsliste ist, bedeutet das, dass die | |
EU-Mitgliedsstaaten der Meinung sind, dass es nicht genügend Grund dazu | |
gibt, der Moment nicht der richtige ist oder dass es an Beweisen fehlt, um | |
die Person zu sanktionieren.“ | |
2016, als Jakunin bereits in den USA und Australien sanktioniert war, | |
erhielt er ein Visum und eine Arbeitserlaubnis für Deutschland, um in | |
Berlin den Dialogue of Civilizations zu eröffnen. Einen mittlerweile | |
inaktiven Thinktank, der Experten zufolge [7][„an vorderster Front bei der | |
Verbreitung von Jakunins konservativer und homophober Botschaft im | |
deutschen politischen Establishment“] stand. Damals war schon bekannt, dass | |
Jakunin enge Kontakte zur Rechten pflegt. 2014 trat er etwa beim Kongress | |
„Frieden mit Russland“ des Magazins Compact auf, an dem auch der | |
AfD-Politiker Alexander Gauland teilnahm. Das Magazin stuft das Bundesamt | |
für Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ ein. | |
Die Frage ist aber auch, ob Sanktionen gegen jemanden wie Wladimir Jakunin | |
überhaupt wirksam wären – wenn es um einen ganzen Clan geht. | |
In Großbritannien scheint man sich über die Gefahr, die von der Familie | |
Jakunin ausgeht, bewusst zu sein. Im April dieses Jahres wurde Wladimir | |
Jakunin mit 205 weiteren russischen Personen von der britischen Regierung | |
sanktioniert. Er kann seinen Sohn und seine Enkel nicht mehr besuchen, ihm | |
sind Transaktionen in Pfund untersagt und ihm wird der Zugang zu Konten | |
verwehrt. Auch sein Sohn Andrei – dem Gründer von VIYM –, der sich als | |
britischer Staatsbürger lange sicher wähnte, gerät jetzt in den Fokus der | |
Politik. | |
In der [8][Parlamentsdebatte über neue britische Sanktionen] sagte die | |
Labour-Abgeordnete Margaret Hodge, Wladimir Jakunin habe „fast vier | |
Milliarden Dollar an Vermögenswerten und Provisionen von der russischen | |
Eisenbahn abgeführt“, und dass „der größte Teil dieser Vermögenswerte j… | |
von seinem in London ansässigen Sohn über einen in Luxemburg registrierten | |
Investmentfonds VIYM verwaltet wird“. | |
## Die Famile schützen | |
Dabei bemüht sich Jakunin junior schon länger darum, sein Vermögen von den | |
Geschäften seines Vaters zu trennen. Laut einer Recherche des US-Mediums | |
Quartz aus dem Jahr 2017 beauftragte er eine Corporate-Intelligence-Firma | |
in London damit, den Ruf der Familie zu „schützen“, indem sie negative | |
Berichterstattung verhindern sollte und die Suchergebnisse durch selbst | |
erstellte positive Meldungen beeinflusste. Diese Praxis wird auch als | |
„reputation laundering“ bezeichnet und ist nicht unüblich unter russischen | |
Oligarchen und deren Angehörigen. | |
Andrei Jakunin wies gegenüber Quartz zurück, dass sein Vater Einfluss auf | |
sein Vermögen nimmt. Auch dass seine Firma VIYM die gleichen Initialen | |
trägt wie sein Vater Wladimir Iwanowitsch Jakunin (auf Englisch VIY), sei | |
reiner Zufall. Erklärt, woher sein Vermögen kommt – darunter ein | |
4,5-Millionen-Pfund-Anwesen in London-Hampstead, wo er mit seiner Familie | |
lebt –, hat Andrei Jakunin nie. | |
Juristische Mittel, das zu überprüfen, gäbe es. Seit der 2017 in | |
Großbritannien eingeführten „Unexplained Wealth Orders“ können verdächt… | |
Personen gezwungen werden, offenzulegen, wie sie eine Immobilie oder einen | |
Vermögenswert im Wert von mehr als 50.000 Pfund erworben haben, wenn der | |
Wert im Vergleich zum angegebenen Einkommen der Person unverhältnismäßig | |
erscheint. Bisher gab es jedoch [9][nur neun Fälle, in denen die Order zur | |
Wirkung kam]. | |
Dass VIYM eine Art Familienfonds für die Geschäfte der Familie Jakunin ist, | |
konnte man schon früh erahnen. Doch das Geschäft mit den Hotels begann | |
sogar noch vor der Gründung. | |
Das erste Hotel, das in den Besitz der Jakunins gelangte, war das | |
Pribaltiskaja, das größte Hotel St. Petersburgs. Damals war Wladimir | |
Jakunin gerade aus New York, wo er für den sowjetischen Geheimdienst KGB | |
stationiert war, nach St. Petersburg zurückgekehrt. Dass er 1991 von dem | |
Posten zurücktrat, nachdem die „sogenannten Demokraten“ die Macht | |
übernommen hatten, beschreibt Jakunin in seiner Autobiografie „A | |
treacherous Path“. | |
Im Zuge der Privatisierungswelle der Neunzigerjahre kam er in den Besitz | |
des Hotels. 1996 stellte eine Untersuchungskommission der Stadt St. | |
Petersburg zwar fest, [10][dass die Privatisierung des Hotels unrechtmäßig | |
war und leitete Ermittlungen ein]. Doch Jakunin hatte mächtige Freunde, die | |
ihn schützten. Einer davon war der damalige stellvertretende Bürgermeister | |
der Stadt, Wladimir Putin. | |
Putin war wegen eines anderen Hotels [11][mit ähnlichen Vorwürfen | |
konfrontiert]. Was ihn und Jakunin zu dieser Zeit verband, war mehr als die | |
gemeinsame KGB-Vergangenheit: Beide waren aufeinander angewiesen, um sich | |
vor Ermittlungen zu schützen. Dafür machte Putin Jakunin zunächst zum | |
Leiter einer offiziellen Stelle zur Untersuchung von Korruption – um | |
jegliche Korruptionsvorwürfe von Putin und seinen Freunden abzuwehren. | |
Wie eng Putin und Jakunin schon damals waren, zeigt auch die Tatsache, dass | |
die beiden mit einigen weiteren ehemaligen KGB-Mitarbeitern 1996 die | |
berüchtigte Datscha-Kooperative Ozero gründeten. Die Mitglieder dieser | |
exklusiven Ferienhaussiedlung gehören bis heute zum innersten Kern von | |
Putins Kreis. Als Putin im Jahr 2000 Präsident wurde, erhielten die | |
Ozero-Mitglieder wichtige Posten. Juri Kowaltschuk wurde Chef der Bank | |
Rossija – auch genannt „Bank von Putins Freunden“ – und Andrei Fursenko | |
Bildungsminister. | |
Zur selben Zeit wurde der Leiter der Kommission, die die Privatisierung der | |
Hotels untersuchte, von Unbekannten überfallen und einige Jahre später von | |
der Staatsanwaltschaft St. Petersburg wegen der „Bildung einer kriminellen | |
Bande“ zu lebenslanger Haft verurteilt. [12][Er starb 2013 in einer | |
Strafkolonie in Russland.] | |
Das Hotel Pribaltiskaja aber blieb in der Hand der Jakunins. 2006 verkaufte | |
Sohn Andrei, der für das Hotelmanagement zuständig war, das Haus [13][für | |
geschätzte 100 Millionen Dollar] an einen norwegischen Investor. Im selben | |
Jahr gründete er die Beteiligungsgesellschaft VIYM, die zunächst vor allem | |
in Russland investierte. | |
Wladimir Jakunin war inzwischen mit Putins Hilfe zum Chef der russischen | |
Eisenbahn aufgestiegen; Sohn Andrei profitierte davon, wie eine Recherche | |
der Nachrichtenagentur Reuters zeigt. 2009 schloss VIYM [14][einen | |
„bahnbrechenden Deal“] im Wert von 500 Millionen Dollar mit dem | |
schwedischen Hotelbetreiber Rezidor ab, um eine Hotelkette zu erwerben. Ein | |
Teil der Hotels befand sich an wichtigen Bahnhöfen in Russland oder in | |
deren Nähe. [15][Die Jakunins bestritten damals, dass die Unternehmen | |
finanzielle Interessen teilten oder dass Andreis Kontakte seine | |
Hotelgeschäfte unterstützten.] In einer [16][Recherche von 2013] legte das | |
Team um Alexei Nawalny jedoch dar, wie Wladimir Jakunin über ein Netzwerk | |
aus Offshorefirmen Aufträge an seinen Sohn verteilte und so Geld ins | |
Ausland transferierte. [17][Dazu schrieb Nawalny] „In allen Ländern dienen | |
die Eisenbahnen dem Verkehr, bei uns aber darüber hinaus auch dem | |
Diebstahl.“ | |
Während Jakunins Zeit als Chef der russischen Eisenbahn [18][verdreifachten | |
sich die Ausgaben des zweitgrößten russischen Staatskonzerns], das Bahnnetz | |
aber wuchs nur um 1,2 Prozent. Immer wieder berichteten Auftragnehmer über | |
[19][hohe Bestechungsgelder], die sie zahlen mussten. 2015 machte das | |
Unternehmen ein Minus von knapp 1,7 Milliarden US-Dollar. Da wurde es | |
selbst Präsident Putin zu viel. Noch im selben Jahr musste Jakunin von | |
seinem Posten zurücktreten. | |
Die Geschäfte der Jakunins beeinträchtigte das jedoch nicht – vor allem | |
nicht deren Ausweitung in Europa. Noch während seiner Zeit als Chef der | |
russischen Eisenbahn nutzte Wladimir Jakunin seine Kontakte, um ein | |
Netzwerk von russlandfreundlichen und sanktionskritischen Akteuren zu | |
schaffen. 2006 eröffnete er das Hauptquartier des „World Public Forum – | |
Dialogue of Civilizations“ in Wien. Die Idee des Instituts entstand aus dem | |
Rhodos-Forum, einer zweitägigen jährlichen Veranstaltung mit | |
Podiumsdiskussionen und Vorträgen auf der griechischen Insel Rhodos. | |
[20][Ein Experte bezeichnet das Forum als „eine 'influence operation’], die | |
darauf abzielt, die westlichen Gesellschaften zu spalten und zu schwächen“. | |
## Jakunin bleibt wichtig | |
Ob Jakunin seine politischen Initiativen nach seiner Entlassung als Chef | |
der russischen Eisenbahn im Auftrag Putins weitergeführt hat oder auf | |
eigene Faust handelt, lässt sich nicht eindeutig klären. Der | |
Osteuropaexperte Henning Schröder glaubt: „Solange er die Strukturen im | |
Ausland hat, bleibt er ein interessantes Asset.“ Und die Journalistin und | |
Russland-Kennerin Catherine Belton, die Jakunin interviewte, sieht ihn auch | |
weiterhin als einen „Treuhänder des Kreml“. | |
Dass Jakunin 2006 Wien als Standort wählte, ist kein Zufall. Einer seiner | |
wichtigsten Verbündeten ist der ehemalige österreichische Kanzler Alfred | |
Gusenbauer, den Jakunin während seiner Zeit als Chef der russischen | |
Eisenbahn kennenlernte. 2008 wurde Gusenbauer, der sich immer wieder gegen | |
die Sanktionen gegen Russland aussprach, von Jakunin mit dem Preis | |
„Dialogue of Civilizations“ ausgezeichnet. Auch nach Ende der Kanzlerschaft | |
2008 hielt die Verbindung. Ende Juli 2009 wurde Gusenbauer Mitglied des | |
Aufsichtsrates der Baugruppe Alpine Holding GmbH. In nur zehn Monaten | |
arrangierte er ein Joint Venture mit der russischen Eisenbahngesellschaft. | |
Jakunin kam 2010 nach Wien, um den Vertrag zu unterzeichnen – und verfolgte | |
höchstwahrscheinlich auch private Interessen. | |
2007, als Alfred Gusenbauer Kanzler geworden war, unterzeichnete die | |
Bundesimmobiliengesellschaft, der größte staatliche Immobilieneigentümer in | |
Österreich, einen Vertrag mit einer Tochterfirma der österreichischen | |
Unternehmensgruppe Schweighofer über den Verkauf eines 13.000 Quadratmeter | |
großen Areals. Dort wurde später das Radisson Blu Park Royal Palace Hotel | |
gebaut, [21][Kosten: 4,5 Millionen Euro]. 2012 wurde das Haus mit einer | |
[22][glamourösen Gala inklusive Showeinlage] der russisch-österreichischen | |
Startänzerin Karina Sarkissova eröffnet. | |
Einige Monate später veränderten sich laut Firmen- und Grundbuchauszügen | |
die Eigentümerverhältnisse. Unter den Gesellschaftern tauchen zwei neue | |
Firmen – beides Tochterfirmen von VIYM – und zwei neue Personen auf: der | |
Treuhänder der Familie Jakunin, Alessandro Lardi, und die Leiterin des | |
luxemburgischen Standorts von VIYM. Somit wurden alle Anteile an dem Hotel | |
nach der Eröffnung an VIYM und Andrei Jakunin übertragen. Daran ist | |
zunächst nichts verwerflich; es gibt jedoch ein pikantes Detail: Der | |
damalige Kanzler und Freund Jakunins, Alfred Gusenbauer, [23][pflegt auch | |
enge Kontakte zu Schweighofer], dessen Unternehmen die Ausschreibung für | |
das Grundstück gewann und für den Bau des Hotels verantwortlich ist. Ob | |
Gusenbauer einen Einfluss auf die Übertragung des Grundstücks an VIYM hatte | |
oder ob er überhaupt davon wusste, lässt sich nicht sagen. Wir haben ihn | |
mit einem Fragenkatalog konfrontiert, er antwortete denkbar knapp: „Zu | |
keiner der von Ihnen gestellten Fragen habe ich eine | |
Wahrnehmung/Erinnerung.“ | |
Wir halten fest: Ein wertvolles Grundstück mitten in der österreichischen | |
Hauptstadt wird über Umwege an die Beteiligungsgesellschaft von Andrei | |
Jakunin übertragen. Dessen Vater, der damalige Chef der russischen | |
Eisenbahn, pflegt zu dieser Zeit engste Kontakte zum österreichischen | |
Kanzler Alfred Gusenbauer, der gern gesehener Gast bei Jakunins politischen | |
Foren ist, bei denen er sich immer wieder gegen Sanktionen ausspricht, und | |
er kooperiert als Geschäftsmann mit der russischen Eisenbahn. | |
Doch die Geschichte ist hier noch nicht zu Ende. Denn das Hotel blieb nicht | |
lange in der Hand von VIYM und Andrei Jakunin. | |
2013 gründeten die Jakunins die St. Andrew Foundation in Genf, um „das | |
russische nationale Erbe in Russland und im Ausland zu studieren und zu | |
bewahren“. Jahresberichten der Stiftung zufolge erhielt sie zwischen 2014 | |
und 2016 11,5 Millionen US-Dollar an Spendengeldern und überwies 6,9 | |
Millionen in ihre Fonds, darunter eine Zahlung von 200.000 Dollar für ein | |
Pro-Life-Programm zur „Sanctity of Motherhood“, das angeblich etwa 40.000 | |
russische Babys vor der Abtreibung bewahrt hat. Der Familie gehören noch | |
zwei weitere Stiftungen. Der DOC Endowment Fund finanzierte den Berliner | |
Thinktank Dialogue of Civilizations. Die Foundation for Support of | |
Historical and Cultural Studies hat sich der Erziehung junger Menschen zu | |
„starken, insbesondere christlichen Werten“ verschrieben. | |
Der inhaftierte russische Oppositionelle Alexei Nawalny machte die | |
Schweizer Behörden 2014 darauf aufmerksam, dass die Stiftungsgelder den | |
russischen Steuerzahlern zustehen. Doch getan hat sich laut einem | |
Mitarbeiter von Nawalnys Team bis heute nichts. Auf Nachfrage teilte uns | |
die Schweizer Bundesanwaltschaft mit, dass sie den Brief geprüft habe, aber | |
„zum Schluss gekommen ist, dass die Eingabe keinen hinreichenden, konkreten | |
Tatverdacht zu begründen vermochte, welcher für die formelle Eröffnung | |
eines Strafverfahrens eine Voraussetzung dargestellt hätte“. | |
Dabei gäbe es gute Gründe, sich die Finanzen der Stiftungen anzuschauen. | |
Denn vielleicht stammt das Geld tatsächlich nicht nur aus „Spendengeldern“ | |
– wie von Jakunin behauptet –, sondern aus Geschäften und Investitionen der | |
Familie, die sie mit Geld aus dem russischen Staatsbudget getätigt hat. | |
Studiert man den Jahresbericht von 2014-2016 der St.-Andrew-Stiftung, | |
fallen zwei Dinge auf: Die Firma des Treuhänders Alessandro Lardi, der an | |
der Übertragung des Wiener Hotels an VIYM beteiligt war, ist Teil des | |
„Investment Committees“ der Stiftung. Das bedeutet: Dieselbe Treuhandfirma | |
verwaltet sowohl Andrei Jakunins Investitionen und die Finanzen der | |
Stiftung. Davon, dass Andreis Aktivitäten nichts mit denen seines Vater zu | |
tun haben – wie er es behauptet –, kann keine Rede sein. | |
Und zweitens: Der Investmentmanager der St. Andrew Foundation ist laut dem | |
Jahresbericht der britische Hedgefonds Nevastar Finance Limited. Bei | |
unseren Recherchen stoßen wir auf ein Dokument der österreichischen | |
Finanzaufsicht, nach dem dieser Hedgefonds auch den Fonds der ECHO Group | |
verwaltet, die 2019 das Wiener Hotel von VIYM kaufte. Laut Kaufvertrag, der | |
uns vorliegt, lag der Kaufpreis bei 66 Millionen Euro. | |
Vieles ist ungewöhnlich an diesem Fall: etwa, dass eine politische Stiftung | |
solch eine komplexe finanzielle Struktur benötigt und dass ein Hedgefonds | |
für die Investitionen einer Stiftung zuständig ist. Ein Zufall? | |
Diese Frage können auch wir nicht beantworten. Was jedoch deutlich wird: | |
Eine der einflussreichsten russischen Oligarchenfamilien tätigt mitten in | |
Europa Geschäfte, die der Öffentlichkeit – und vermutlich auch den Behörden | |
– größtenteils verborgen bleiben. Und vermutlich kann sie so Geld aus dem | |
russischen Staatsbudget für prorussische und antidemokratische Initiativen | |
nutzen, die auch dem Kreml und seiner Agenda Einfluss in Europa geben. | |
## Ein Hotel in der Schweiz | |
Nach einem ähnlichen Muster investierte die Familie 2012 in das Hotel | |
Alexander in Davos. Auch hier war es der Jakunin-Treuhänder Alessandro | |
Lardi, der das Geschäft durchführte. Auch hier interessierte sich niemand | |
für den Ursprung des Geldes. Nach der Übernahme wurde das Hotel renoviert | |
und in Hard Rock Hotel Davos umbenannt. Ein Teil der Appartments wird nun | |
verkauft. Auf der Website wird eine attraktive Rendite versprochen; eine | |
Suite mit rund 110 Quadratmetern ist für 2,1 Millionen Schweizer Franken zu | |
haben. | |
In ein oder zwei Jahren wird Jakunins Beteiligung vergessen sein und jede | |
Spur des Millionenbetrags, der für den Kauf des Hotels in bar gezahlt | |
wurde, verschwunden sein. Auch die Schweizer Behörden werden dann machtlos | |
sein. Ob das Geschäftsmodell ein System zur Geldwäsche ist oder ob es „nur�… | |
zur Verschleierung von Besitzverhältnissen, zur Steuervermeidung oder zur | |
Umgehung von (drohenden) Sanktionen gewählt wurde, lässt sich nicht | |
eindeutig sagen. | |
Doch es bleibt die Frage: Warum nutzt man solche Strukturen, wenn man | |
nichts zu verbergen hat? Und warum schauen westliche Behörden dabei zu? | |
Vielleicht ist es das, was der russische Oppositionelle Wladimir Kara-Mursa | |
in einem Interview mit uns als „schreckliche Doppelmoral“ bezeichnet hat. | |
„Der größte Export des Putin-Regimes in den Westen ist nicht Öl oder Gas, | |
sondern Korruption“, sagt Kara-Mursa. „Damit eine Person Korruption | |
exportieren kann, muss eine andere sie importieren wollen.“ | |
Die Recherche wurde von Investigative Journalism for Europe (J4EU) | |
gefördert. Mitarbeit: Anastasia Kirilenko, Sofia Izmaylova, Sebastian | |
Reinfeldt, Hazel Sheffield, Silvia Stöber | |
Anmerkung der Redaktion: Wir haben nachträglich vier Stellen im Text aus | |
rechtlichen Gründen geändert. | |
13 Aug 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.turpin-immobilien.at/objekt/6519761 | |
[2] https://www.tagesschau.de/investigativ/tschechien-praesident-zeman-russland… | |
[3] https://www.rbb24.de/politik/thema/Ukraine/beitraege/russland-sanktionen-im… | |
[4] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/HTML/?uri=CELEX%3A02014R0269… | |
[5] https://www.consilium.europa.eu/de/policies/sanctions/restrictive-measures-… | |
[6] https://www.republik.ch/2022/03/18/unter-dem-radar | |
[7] https://www.politicalcapital.hu/pc-admin/source/documents/Laruelle_Rivera_C… | |
[8] https://hansard.parliament.uk/commons/2022-03-01/debates/6EF274E3-57A6-46ED… | |
[9] https://commonslibrary.parliament.uk/research-briefings/cbp-9098/ | |
[10] https://www.svoboda.org/a/29109605.html | |
[11] https://tbcarchives.org/putin-1998/?highlight=FSB | |
[12] https://theins.ru/en/corruption/247201 | |
[13] https://multfishki.ru/en/kompaniya-rzhd-i-syn-kak-stroilsya-biznes-andreya… | |
[14] https://www.reuters.com/article/uk-russia-railways-idUKBRE86O06T20120725?e… | |
[15] https://www.reuters.com/article/us-russia-railways-idUSBRE86O06U20120725 | |
[16] https://navalny-en.livejournal.com/93479.html | |
[17] https://www.bpb.de/themen/europa/russland-analysen/231557/notizen-aus-brem… | |
[18] https://qz.com/1037549/how-the-family-of-vladimir-putins-us-sanctioned-all… | |
[19] https://theins.ru/en/corruption/252753 | |
[20] https://www.tortoisemedia.com/2019/11/11/191111-putins-davos/ | |
[21] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20071119_OTS0269/ehemaliges-imax-k… | |
[22] http://www.tourismuspresse.at | |
[23] https://www.diepresse.com/5294962/armer-christian-kern-arme-spoe | |
## AUTOREN | |
Paul Toetzke | |
## TAGS | |
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