# taz.de -- Neuer Verteidigungsminister Pistorius: SPD schweigt zu gekippter Pa… | |
> Mit Verteidigungsminister Boris Pistorius ist die Geschlechterbalance im | |
> Bundeskabinett passé. Den SPD-Abgeordneten fällt dazu nicht viel ein. | |
Bild: Die SPD-Fraktion nach der Bundestagswahl im September 2021 | |
Berlin taz | Wie reagieren, wenn man sein Wahlversprechen bricht, die | |
Bundesregierung mindestens zur Hälfte mit Frauen zu besetzen? Verdruckst. | |
Für diese Option hat sich zumindest die SPD entschieden. | |
Mit der [1][Ernennung von Boris Pistorius zum Verteidigungsminister] und | |
Nachfolger von Christine Lambrecht [2][ist die Parität in der Regierung | |
passé], es steht jetzt zehn (Männer) zu sieben (Frauen). Olaf Scholz, der | |
es einst anders versprochen hatte, hat sich bislang nicht zu diesem | |
Kollateralschaden der Personalie Pistorius geäußert und das Thema nach | |
Teilnehmer:innenangaben auch in der Fraktionssitzung am | |
Dienstagnachmittag nicht angesprochen. | |
Als einzige von 206 gewählten SPD-Abgeordneten meldete sich die Berliner | |
Genossin Annika Klose in der Sitzung zu diesem Tagesordnungspunkt zu Wort. | |
„Die Parität im Kabinett muss bei nächster Gelegenheit wieder hergestellt | |
werden“, so Klose gegenüber der taz. Das sei keine Kritik an Pistorius' | |
Person, sondern eine grundsätzliche Forderung. Dafür habe sie auch in der | |
Fraktion deutlichen Applaus erhalten. | |
Ihre Kritik wäre wohl schärfer ausgefallen, hieße es nicht aus | |
Fraktionskreisen, es sei auch mindestens eine Frau für das Amt der | |
Verteidigungsministerin angefragt worden. Diese habe aber abgesagt. | |
## SPD-Frauen plötzlich kleinlaut | |
Wer das sei wurde Klose aber nicht mitgeteilt. Es könnte die | |
Wehrbeauftragte Eva Högl gewesen sein, die als eine mögliche Favoritin für | |
die Lambrecht-Nachfolge galt. Ihre Sprecherin wollte sich nicht dazu | |
äußern. Auch Högl selbst blieb beim Thema schmallippig. Das Thema Parität | |
zu kommentieren sei nicht ihre Aufgabe als Wehrbeauftragt, sagte sie dem | |
ZDF. Sie freue sich über die Entscheidung für Pistorius, er sei für das Amt | |
geeignet. Das Geschlecht spiele nicht die ausschlaggebende Rolle. | |
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion Katja Mast betonte | |
am Mittwoch auf Nachfrage „Parität bleibt ein zentrales Thema für die SPD | |
und wird immer eine Rolle bei Personalfragen spielen.“ Doch wie zentral ist | |
die gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen in der Regierung tatsächlich, | |
wenn das Prinzip bei der ersten Gelegenheit über den Haufen geworfen wird? | |
Und kritische Stimmen kaum laut werden? | |
So wollte sich etwa die Juso-Vorsitzende Jessica Rosenthal auf Anfrage des | |
ARD-Morgenmagazins nicht zu dem Thema äußern. Auch die Vorsitzende der | |
Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen Maria Noichl reagierte am | |
Dienstag nicht auf eine Anfrage der taz und erteilte weiteren | |
Medienanfragen auch am Mittwoch eine Absage. | |
Dabei hatten sich die SPD-Frauen kurz zuvor noch weit aus dem Fenster | |
gelehnt: „Fifty-fifty muss weiter gelten. Dafür steht die SPD“, hatte | |
Noichl noch wenige Stunden vor der Bekanntgabe des neuen | |
Verteidigungsministers gefordert. Später schrieb sie auf Twitter, sie | |
respektiere die Entscheidung für Pistorius. Und fordert ähnlich wie Klose, | |
dass es bei nächster Gelegenheit wieder eine paritätisch besetzte Regierung | |
geben müsse. | |
## Kubicki frohlockt | |
Doch eine solche Gelegenheit ist in weiter Ferne. Dazu müsste Scholz einen | |
der männlichen SPD Minister – Arbeitsminister Hubertus Heil, | |
Gesundheitsminister Karl Lauterbach, oder Kanzleramtsminister Wolfgang | |
Schmidt – entlassen. Alles extrem unwahrscheinlich. | |
Mast verteidigt die Ausweichstrategie der SPD. Parität sei ein wichtiger, | |
aber eben nur ein Aspekt von Gleichstellung betonte Parlamentarische | |
Geschäftsführerin am Mittwoch. Und verweist auf sozialdemokratische Erfolge | |
– von der Einführung des Frauenwahlrechts bis zum Abbau von Alterarmut | |
mittels Grundrente. | |
Mast und Klose sehen aber auch die Koalitionspartner in der Pflicht Posten | |
paritätisch zu besetzen, konkret die FDP, die drei von vier | |
Minister:innenposten mit Männern besetzt hat. „Parität ist nicht | |
allein Aufgabe der SPD“, findet Klose. | |
Doch ob es gelingt, die FDP von diesem Ziel zu überzeugen ist fraglich. Der | |
stellvertetende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki, hat bereits frohlockt: | |
„Gott sei Dank hat sich die SPD von dem Unsinn verabschiedet, Positionen | |
zwingend nach Geschlecht oder regionalem Proporz als nach Kompetenz zu | |
besetzen.“ | |
Kritik kommt hingegen von den Grünen, von der Linkspartei und ausgerechnet | |
von CSU-Chef Markus Söder. Der lobte am Rande der CSU-Klausur die | |
Wehrbeauftragte Högl als erfahrene Kennerin der Truppe und meinte: „Klar | |
ist, dass Thema Parität ist für die Ampel abgehakt.“ Für Söder ist das | |
Thema schon länger abgehakt, in seiner Regierung steht es mittlerweile vier | |
(Ministerinnen) zu zehn (Minister). | |
Die SPD-Fraktion hatte am Dienstag denn auch noch Kontroverseres zu | |
besprechen. Die Wahlrechtsreform. Ein Gesetzentwurf der Ampel sieht | |
zunächst [3][die Verkleinerung des Bundestags] vor. In einem zweiten | |
Schritt könnte dann auch über die paritätische Besetzung von Listen | |
debattiert werden. Mast sprach sich für quotierte Wahllisten aus. „Wir | |
sollten langfristig auch überlegen, wie wir Parität bei Direktmandaten | |
erreichen.“ Doch ein solcher Vorschlag würde wohl auf erbitterten | |
Widerstand von CDU und CSU stoßen. | |
18 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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