# taz.de -- Neuausrichtung der Außenpolitik: SPD sucht Antworten | |
> Die SPD galt lange als russlandfreundlich und rüstungskritisch. Durch den | |
> Krieg in der Ukraine muss sie ihre Grundsätze ändern. Nun gibt es ein | |
> erstes Konzept. | |
Bild: Lars Klingbeil auf der Pressekonferenz im Willy-Brandt-Haus in Berlin | |
BERLIN dpa | Eine Führungsrolle Deutschlands in der Welt, Militär als | |
Mittel der Friedenspolitik und Kehrtwende im Verhältnis zu Russland: Die | |
[1][SPD will ihre Außen- und Sicherheitspolitik] auf dem Parteitag im | |
Dezember neu aufstellen. Die Kommission Internationale Politik der Partei | |
legte am Montag ein erstes Konzept dafür vor, in dem auch Fehler in den | |
letzten Jahrzehnten eingeräumt werden – gerade, was die Russland-Politik | |
angeht. Die Zeitenwende im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die | |
Ukraine zeige, „dass wir Entwicklungen der vergangenen Jahre nicht immer | |
richtig eingeschätzt haben“. | |
Das Konzept der Parteikommission mit dem Titel „Sozialdemokratische | |
Antworten auf eine Welt im Umbruch“ wurde am Montag von [2][Parteichef Lars | |
Klingbeil] im Parteipräsidium und auf einer Pressekonferenz vorgestellt. | |
Klingbeil hatte die Debatte über eine Neuausrichtung demokratischer | |
Außenpolitik bereits im vergangenen Jahr mit zwei Grundsatzreden | |
angestoßen. Darin hatte er gefordert, dass Deutschland den Anspruch einer | |
„Führungsmacht“ verfolgen und das Militär als ein Mittel der Politik | |
verstehen sollte. Außerdem räumte er eine Reihe von Fehlern der SPD in der | |
Russland-Politik ein. All das findet sich jetzt in dem 21-seitigen | |
Kommissionspapier wieder, wenn auch in veränderter Form. | |
## „Führungsrolle“ statt „Führungsmacht“ | |
Klingbeils Begriff der „Führungsmacht“ taucht in dem Papier nicht auf, er | |
war beim linken Flügel der Partei auf Vorbehalte gestoßen. Dafür ist nun | |
von einer deutschen „Führungsrolle“ die Rede. „Ein kooperativer | |
Führungsstil ist ein moderner Führungsstil und die Antwort auf eine Welt im | |
Umbruch“, heißt es. Führung bedeute nicht, dass sich Deutschland über | |
andere hinwegsetze, sondern mit Initiativen vorangehe um gemeinsame Ziele | |
zu erreichen. Für viele Staaten der Welt sei Deutschland ein wichtiger | |
Partner. „Und genau deshalb erwarten sie, dass Deutschland auf | |
internationaler Ebene mehr Initiative zeigt und eine Führungsrolle | |
einnimmt.“ | |
## Militär als Mittel der Friedenspolitik | |
Inwieweit Deutschland auch militärisch eine Führungsrolle übernehmen | |
sollte, ist in der SPD umstritten. Das wird auch aktuell in der Diskussion | |
über Waffenlieferungen in die Ukraine deutlich. Viele in der Partei setzen | |
auf einen zurückhaltenden Kurs, allen voran Fraktionschef Rolf Mützenich, | |
der sich mehr diplomatische Initiativen wünscht. Die Parteikommission | |
benennt nun das Militär als Mittel der Friedenspolitik: „Zu einer | |
wirkungsvollen Friedenspolitik gehören neben Diplomatie und einer | |
engagierten Entwicklungspolitik auch die militärischen Fähigkeiten unserer | |
Sicherheits- und Verteidigungsbündnisse.“ | |
Das Papier enthält ein klares Bekenntnis zum Nato-Ziel, zwei Prozent des | |
Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung zu investieren. Bis zum | |
Ukraine-Krieg war das noch undenkbar. Es ist gar nicht so lange her, dass | |
ein SPD-Außenminister Sigmar Gabriel das Ziel mit der Warnung vor einem | |
„Militärbullen“ in der Mitte Europas ablehnte. Diese Zeiten sind nun | |
endgültig vorbei. | |
## Sicherheit vor Russland statt mit Russland | |
Auch vorbei sind die Zeiten, in denen die SPD die Partnerschaft mit | |
Russland gepflegt hat. Im immer noch gültigen Grundsatzprogramm der Partei | |
von 2007 wird die strategische Partnerschaft mit Russland als | |
„unverzichtbar“ für Deutschland und die Europäische Union bezeichnet. Und | |
selbst im Wahlprogramm der SPD von 2021 heißt es noch: „Frieden in Europa | |
kann es nicht gegen, sondern nur mit Russland geben.“ Nun wird dieser Satz | |
ins Gegenteil gedreht: „Solange sich in Russland nichts fundamental ändert, | |
wird die Sicherheit Europas vor Russland organisiert werden müssen.“ | |
Die SPD-Kommission distanziert sich in dem Kommissions-Papier auch | |
grundsätzlich von der Russland-Strategie, die sie über viele Jahre verfolgt | |
hat. „Das Festhalten an der Annahme, mit immer stärkeren wirtschaftlichen | |
Verflechtungen langfristig zu einer Demokratisierung und Stabilisierung | |
Russlands beizutragen, war ein Fehler.“ | |
## Keine Abkopplung von China | |
Mit Blick auf China spricht sich die SPD in dem Papier gegen eine | |
Abkopplung aus. „Der Dialog mit China sollte gesucht und robust und | |
konstruktiv-kritisch geführt werden“, heißt es darin. | |
„Menschenrechtsverstöße oder Protektionismus gehören genauso angesprochen | |
wie unser Bekenntnis zur Ein-China-Politik und zu der Überzeugung, dass die | |
Taiwan-Frage nur einvernehmlich in einem friedlichen Verfahren geklärt | |
werden kann.“ | |
23 Jan 2023 | |
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[1] /Diskussion-um-Leopard-Kampfpanzer/!5910290 | |
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