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# taz.de -- Buch mit Kriegsbildern: Im Nebel des Krieges
> John Willheim fotografierte im Auftrag der CIA im Bürgerkrieg in Laos.
> Jetzt bringt er die lange geheimgehaltenen Bilder als Buch heraus.
Bild: Helikopter in Nebelschwaden, Ausschnitt aus einem Bild aus „War of Whis…
Hinter einem sichtbaren Krieg können andere Kriege verborgen sein. Der
Bürgerkrieg, der von 1953 bis 1975 Laos überzog, lag im Schatten des stark
mediatisierten Vietnamkrieges. Er blieb der westlichen Öffentlichkeit über
Jahrzehnte hinweg kaum bekannt.
Das Buch „War of Whispers – Inside the CIA’s Secret War“ macht nun Bild…
zugänglich von einem, der tief im Laos-Konflikt embedded war. Der
Anthropologe, autodidaktische Fotograf und illustre B-Movie-Filmer John
Willheim dokumentierte im Auftrag des amerikanischen Auslandsgeheimdienstes
CIA knapp zwei Jahre dieses „geheimen Krieges“. Bis zu seiner Freigabe und
Veröffentlichung im vergangenen Jahr in einem Buch auf Englisch sollen die
Aufnahmen nur hohe Offiziere der CIA und wenige Politiker gesehen haben.
„Dies sind die einzigen professionellen Bilder des geheimen Krieges der
CIA. Ein Moment in der Zeit, der in der Geschichte verschwinden wird. Ich
war der letzte Zeuge. Dies ist mein Vermächtnis“, schreibt Willheim. So
dramatisch würde wohl nur der von Willheim geschätzte deutsche Regisseur
Werner Herzog einsetzen.
## Militärmaschinen im Urwald
Eine filmisch anmutende Sequenz setzt in dem Fotobuch tatsächlich den
Anfang. Auf Doppelseiten sind Leuchtspuren zu sehen, Explosionen, später
abstrakte Lichtzeichen in der Nacht. Luftaufnahmen über malerischen Hügeln
– wären da nicht die Militärmaschinen. Sie landen auf eingeebneten Flächen
im Urwald. Ein großer, locker wirkender Mann im verschwitzten
Dschungellook: Es ist John Willheim, und er trägt ein Gewehr.
Der Laotische Bürgerkrieg zwischen der prokommunistischen Bewegung Pathet
Lao und den Truppen der Regierung des Königreichs Laos [1][gilt als
Stellvertreterkrieg im globalen Kalten Krieg]. Der Ho-Chi-Minh-Pfad, auf
dem nordvietnamesische Kommunisten Unterstützungslieferungen zum
kommunistischen Vietcong in Südvietnam transportierten, lief seit dem
Indochinakrieg über laotisches Gebiet.
Die CIA unterstützte und organisierte hiergegen in Laos eine Miliz,
vorwiegend rekrutiert aus bäuerlichen Menschen der Volksgruppe der Hmong.
Bis 1973 flog die US-Luftwaffe auch Bombenangriffe auf die Versorgungslinie
der kommunistischen Gegner. Die Region wurde zu einem der
meistbombardierten Gebiete der Welt. Im Krieg gegen die Kommunisten starben
laut Buch 20.000 Hmong-Soldaten. Die USA stritten ihre direkte Beteiligung
an den Kampfhandlungen ab.
## Zwischen Schaudern und Schönheit
„War of Whispers“ ist [2][eine ambivalente Publikation], ein ästhetisches
Produkt, das eine äußerst subjektive und am Krieg unmittelbar beteiligte
Position wiedergibt. Im Wechsel von Dia-Abzügen sowie körnigen,
bewegungsunscharfen Filmstills pendeln Willheims Aufnahmen zwischen
Reportage und Rapport, ethnografisch wirkender Beobachtung und der
Dokumentation des heftigen Kriegsgeschehens. Wunderschöne Berglandschaften
werden von Landepisten durchschnitten; Helikopter stehen geparkt vor
Basthütten und Vorgärten mit Nutzpflanzen. Das Dorf steht Schlange, als
wäre gerade der Onkel aus Amerika vorgefahren.
Fotos aus dem Helikopterblick markieren erkennbare Zielkreuze für die
informell eingerichteten Landeplätze der „Air America“. Angehörige der CIA
sollen teilweise Waffen gegen Opium eingetauscht haben. Sie versorgten ein
an und für sich fruchtbares Gebiet mit Reis aus der Luft. Laut Willheims
sparsamen Kommentaren glaubten die Kinder bald, Nahrung fiele aus
natürlichen Gründen vom Himmel.
Ins Blaue und Grüne fliegen Granaten, zum Nebel gesellt sich Pulverdampf.
Ein gefesselter Mann in Zivil wird verhört. „Ich sah ihn danach nie mehr“,
schreibt Willheim. Eine andere Doppelseite zeigt Leichen. Eine Frau mit
schwarzem Tuch vor den Augen trauert gegenüber einem Altar.
## Dramatisch komponiert
Das Buch zeigt auch ausgelassene Siegesfeiern. Willheim ist ein Bildprofi
im fog of war. Er hat in seinem schillernden Leben sogar die Kamera für
Orson Welles geführt. Gewollte Unschärfen, überraschende Anschnitte,
unterschiedliche Bildebenen zeigen, wie gut er mit Bildern operiert. Einige
Schwarz-Weiß-Aufnahmen punktieren die farbsatten Bildstrecken. Dazwischen
montierte Filmstills zoomen den Krieg bedrohlich nahe heran, weisen auf
Kampfsituationen in schlierigen Reißschwenks. Fallschirme schweben in der
Luft wie Quallen.
Der damalige Führungsoffizier William Colby, später Leiter des CIA, ließ
Willheim in die ansonsten nicht frei zugängliche Zone. „Ich wurde immer
weiter hineingezogen“, schreibt er. Von Mitte 1965 an bleibt er ein Jahr in
Laos. Später kehrte Willheim noch einmal 1971 für den PR-Film „Flying Men,
Flying Machines. A Portrait of Air America“ zurück.
Als der Krieg in Vietnam verloren ging, mussten auch aus Laos eine viertel
Million Hmong Richtung Thailand fliehen. Ihnen gilt Willheims Empathie. Das
kalifornische Fresno wurde zu einer Exilhauptstadt der geflohenen Hmong.
Das dortige Kunstmuseum will Willheim bald eine große Soloshow ausrichten.
Aus 1.400 Aufnahmen und zwei Filmen wählte das niederländische Grafikbüro
SYB die Bildstrecken des Buchs und rhythmisierte sie auf mattem Papier. Bei
genauer Betrachtung lassen sie schaudern. Gute Grafiker*innen, so John
Willheim in einem Telefonat, seien zugleich Psychoanalytiker. Ein irres
Buch.
12 Jan 2023
## LINKS
[1] /Familie-Phm-ueber-den-Vietnamkrieg/!5802757
[2] /Vortrag-von-Historikerin-Olga-Dror/!5902400
## AUTOREN
Jochen Becker
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