Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Alice Schwarzers 80. Geburtstag: Die Expertin, die wir nicht brauch…
> Alice Schwarzer hat im Kampf für Frauenrechte viel einstecken müssen. Das
> entschuldigt nicht, dass sie beim Thema Transrechte Polemik verbreitet.
Bild: Alice Schwarzer bei Maischberger
Alice Schwarzer kann machen, was sie will, ich werde immer Respekt vor ihr
haben. Alleine, dass sie sich jahrzehntelang in der Öffentlichkeit als
Blitzableiterin für frauenfeindliche Projektionen hergegeben hat, ist
erstaunlich. Das heißt jedoch nicht, dass ich Schwarzers Beiträge zum Thema
Transrechte hilfreich finde.
Am Dienstag saß Schwarzer bei Maischberger – [1][denn sie wird 80 und daher
dieser Tage medial gefeiert]. Kurz vor Schluss hob sie an zu einem Rant
gegen das geplante [2][Selbstbestimmungsgesetz] der Ampel. Dieses soll es
trans Menschen erleichtern, den amtlichen Geschlechtseintrag zu ändern.
Schwarzer sieht es kritisch. Das soll sie bitte. Aber sie sollte sich
argumentativ schon auch Mühe geben.
Schwarzer glaubt, dass Menschen mit einem tatsächlichen Bedarf an
Geschlechtsangleichung eine „extreme Minderheit“ seien. Sie befürchtet,
dass viele der Menschen, die in den letzten Jahren die Begriffe „trans“
oder „nonbinär“ für sich angenommen haben, bloß mit den gesellschaftlich…
Erwartungen an ihr Geschlecht haderten – nicht aber mit ihrem Körper.
[3][„Im gesamten Westen“], so Schwarzer im Ersten, gebe es eine „Welle von
Zehntausenden Jugendlichen – vor allem Mädchen“, die sagten, sie seien
trans. „Sind sie trans?“, fragte Schwarzer und äußerte den Verdacht, dass
diese Mädchen „sich unwohl fühlen nicht im Körper, sondern in der
Geschlechtsrolle“. Sie hebt ab auf eine vorgestellte junge cis-weibliche
Person, die ihre Genderheimat im Transspektrum sucht, während sie
eigentlich als cis Frau glücklicher wäre.
Diese mögliche Genderbiografie neben anderen im Blick zu haben ist
selbstverständlich nötig. Schwarzer jedoch holte nicht mal Luft, um diese
Sorge sogleich mit Pauschalkritik am Selbstbestimmungsgesetz zu verknüpfen.
Mit dem Gesetz könnten „schon 14-Jährige zum Standesamt gehen und sagen:
Und übrigens – heute bin ich ein Mann.“
## Ungenauigkeiten einer TV-Expertin
Faktencheck: Erstens behandelt das Selbstbestimmungsgesetz keine
körperlichen Transitionen, sondern nur den amtlichen Geschlechtseintrag.
Zu tun, als führe das eine unweigerlich zum andern, wird der Sache nicht
gerecht. Zweitens unterschlägt sie, dass „die 14-Jährigen“ laut
Gesetzentwurf nur mit Zustimmung der Eltern ihren Geschlechtseintrag ändern
können. Von einer TV-Expertin für Geschlechterverhältnisse erwarte ich
Genauigkeit.
Schwarzer verließ sich argumentativ auf das Performen von Autorität („Ich
habe mich schon für Transsexuelle eingesetzt, als noch niemand wusste, was
das ist“) und aufs Diskreditieren ihrer Kritiker*innen (die seien
„hetero“ und außerdem „ideologisch“).
Schwarzer kann gerne gegen das Gesetz in seiner jetzigen Form sein. Aber
diese Debatte hat genug Polemik. Sie braucht Ideen, wie Teenager*innen –
auch cis Mädchen – [4][eine offene geschlechtliche Entwicklung] ermöglicht
werden kann. Sie braucht Expert*innen, die ein Interesse an der Sache haben
– in all ihrer Komplexität. Alice Schwarzer ist das leider nicht.
3 Dec 2022
## LINKS
[1] /Dokumentarfilm-ueber-Alice-Schwarzer/!5877687
[2] /Aktionsplan-fuer-sexuelle-Vielfalt/!5896128
[3] https://youtu.be/8wsfj1BKgJE?t=1051
[4] /Transgender-Kinder-und-Jugendliche/!5798327
## AUTOREN
Peter Weissenburger
## TAGS
Alice Schwarzer
Transpersonen
Feminismus
GNS
Kolumne Unisex
Diskriminierung
Kolumne Unisex
Feminismus
Feminismus
Intellektuelle
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
## ARTIKEL ZUM THEMA
Antidiskriminierung an Universitäten: Erfolg für TIN-Studis
An der Humboldt Universitäten können trans, inter und nicht-binäre
Studierende nun ihren Vornamen frei wählen. Klage gegen Diskriminierung
läuft noch.
Debatten über Selbstbestimmungsgesetz: Wie eine gesprungene Platte
Seit Jahren verspricht die Regierung ein Selbstbestimmungsgesetz. Jedes
Mal, wenn es fast kommt, heißt es: „Aber was ist mit Frauensaunen?“
Alice Schwarzer wird 80: Feindbild und Ikone
Ein Biopic, eine Doku und ein Podcast beschäftigen sich mit dem Leben von
Schwarzer. Was erzählt wird, ist eine politische Entscheidung.
Dokumentarfilm über Alice Schwarzer: Unbeirrbar und unwidersprochen
Der Lebensleistung der feministischen Ikone Alice Schwarzer widmet sich ein
neuer Dokumentarfilm. Das Porträt ist allerdings zu unkritisch.
Offene Briefe zum Krieg in der Ukraine: Reden ist Gold
Angesichts des Ukrainekriegs üben sich deutsche Intellektuelle im Verfassen
offener Briefe. Schlecht ist das nicht, im Gegenteil.
Transfeindliche Feminist*innen: Nö danke, „Emma“
Nach einem Artikel über die Grünen-Politikerin Tessa Ganserer muss man sich
fragen: Ist das Magazin von Alice Schwarzer noch feministisch?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.