| # taz.de -- Transfeindliche Feminist*innen: Nö danke, „Emma“ | |
| > Nach einem Artikel über die Grünen-Politikerin Tessa Ganserer muss man | |
| > sich fragen: Ist das Magazin von Alice Schwarzer noch feministisch? | |
| Bild: Tessa Ganserer (Grüne) ist jedenfalls nicht der Grund für zu wenige Fra… | |
| Alice Schwarzer bringt demnächst [1][ein Buch über Transgeschlechtlichkeit] | |
| heraus. Zur Werbetrommel dafür kann man wahrscheinlich auch einen Artikel | |
| über die Grünen-Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer zählen, der vor | |
| einigen Tagen in Schwarzers Magazin Emma erschienen ist. Ohnehin kann man | |
| bei Emma regelmäßig Positionen finden, die tendenziell gegen | |
| geschlechtliche Selbstbestimmung sind oder gar alarmistisch bis hin zur | |
| Drohkulisse. | |
| Wer sich auf der Webseite das Dossier „Transsexualität“ durchliest, findet | |
| etwa die Behauptung, dass Transgeschlechtlichkeit ein Trend sei – belegt | |
| durch die steigenden Zahlen, die man genauso gut auf die Erfolge des | |
| politischen Aktivismus zurückführen könnte, die es mehr Menschen erlauben, | |
| sich zu outen. Außerdem wird suggeriert, dass trans Menschen eine Gefahr | |
| für cis Frauen und Mädchen seien, quasi eine Erfindung von mächtigen | |
| Lobbygruppen, die hinter verschlossenen Türen ihre misogynen Pläne | |
| schmiedeten. | |
| Nun also hat das Magazin einen Text veröffentlicht, in dem die bekannte | |
| [2][Grünenpolitikerin Tessa Ganserer] heftig diffamiert wird. In dem Text | |
| wird tatsächlich über Ganserers Genitalien spekuliert, sie wird als Mann in | |
| Frauenkleidung bezeichnet und mit ihrem abgelegten Geburtsnamen (oder | |
| „Deadname“) angesprochen. Diese gängige transfeindliche Praxis signalisiert | |
| trans Menschen, dass ihre Lebensrealität nicht zähle. Ganserer wird | |
| außerdem vorgeworfen, im Rahmen der Quotenregelung ihrer Partei einen Platz | |
| für Frauen unrechtmäßig zu besetzen. Es wird eine Initiative namens | |
| „Geschlecht zählt“ zitiert, die dagegen juristisch vorgehe. | |
| Natürlich kann ein Magazin berichten, wenn es eine derartige Klage gegen | |
| eine Bundestagsabgeordnete gibt. Mit dem Artikel verfolgt Emma allerdings | |
| offenbar eine andere Agenda. Der Text selbst scheint als transfeindlicher | |
| Angriff beabsichtigt zu sein. Schon im Teaser schreibt Emma von „der | |
| physische und juristische Mann … [es folgt Ganserers abgelegter Name]“, | |
| womit sie sich die transfeindliche Haltung der genannten Initiative zu | |
| eigen macht. Dies zieht sich durch den gesamten Text. Ergänzt wird mit der | |
| Frage: „Wie definieren wir künftig das Geschlecht?“ Emma schlägt offenbar | |
| vor, das Problem anhand öffentlicher Debatten über die vermeintlichen | |
| Genitalien und Chromosomen von Bundestagsabgeordneten zu lösen. | |
| ## Um den Anteil von Politikerinnen geht es wohl kaum | |
| Auf der Webseite der Initiative „Geschlecht zählt“ ist als Kontaktperson | |
| dieselbe Person genannt, die auch von Emma zitiert wird. Es ist unklar, wie | |
| groß und bedeutsam die Initiative ist. Laut Website jedenfalls hat sie sich | |
| gegründet, um das geplante [3][Selbstbestimmungsgesetz] zu verhindern. | |
| Dieses Selbstbestimmungsgesetz soll das bisher geltende | |
| Transsexuellengesetz ersetzen, trans Personen mehr Rechte geben, etwa | |
| unbürokratisch und ohne „Begutachtung“ ihren Geschlechtseintrag ändern | |
| zu können. Es geht also gar nicht primär um fehlende Plätze für | |
| Politikerinnen in Parteien. Und selbst wenn – die Grünen wären da mit dem | |
| höchsten Frauenanteil die letzte Partei, gegen die man vorgehen müsste. | |
| Dennoch wird die Partei als Erste verklagt – weil sie eine trans | |
| Politikerin ernst nimmt. Schwer zu glauben, dass es bei einem solchen | |
| Vorgehen um Gleichberechtigung von Frauen gehen soll oder um angemessene | |
| Repräsentation. | |
| Eher soll verhindert werden, dass trans Personen die Möglichkeit haben, | |
| politische Ämter einzunehmen. Soll verhindert werden, dass die Interessen | |
| von trans Menschen politisch repräsentiert werden. Das | |
| Selbstbestimmungsgesetz müsste insofern ein Anliegen aller | |
| Demokrat*innen sein. | |
| Stattdessen übt sich Emma in einer verschwörungsideologischen | |
| Dämonisierung, die vor allem dazu da ist, um transfeindliche Gewalt als | |
| feministische Selbstverteidigung verkaufen zu können. Trans Menschen | |
| hingegen wollen erst mal nichts weiter, als würdevoll zu existieren und | |
| sich ohne Gewalt entfalten zu können – eben ihre Menschenrechte | |
| wahrzunehmen. Das erste Prinzip von Feminismus ist die Selbstbestimmung. | |
| Wenn eine Bewegung gegen die Selbstbestimmung marginalisierter Gruppen in | |
| einer Gesellschaft vorgeht, ist diese Bewegung noch feministisch? | |
| Transfeindlichkeit ist ein trojanisches Pferd, das uns von innen zerstören | |
| wird. Es ist wichtig, sich auch gegen Gewalt und Diskriminierung im Namen | |
| des Feminismus zu stellen. | |
| 24 Jan 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Alice-Schwarzer-zu-Transsexualitaet/!5823052 | |
| [2] /Transsexualitaet-und-Politik/!5783177 | |
| [3] /Hetze-gegen-Selbstbestimmungsgesetz/!5818120 | |
| ## AUTOREN | |
| Sibel Schick | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Gender und Sexualitäten | |
| Bündnis 90/Die Grünen | |
| Alice Schwarzer | |
| Transgender | |
| Emma | |
| Transfeindlichkeit | |
| Tessa Ganserer | |
| Alice Schwarzer | |
| GNS | |
| Transgender | |
| IG | |
| Kolumne Unisex | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Alice Schwarzers 80. Geburtstag: Die Expertin, die wir nicht brauchen | |
| Alice Schwarzer hat im Kampf für Frauenrechte viel einstecken müssen. Das | |
| entschuldigt nicht, dass sie beim Thema Transrechte Polemik verbreitet. | |
| Basisdemokratie bei den Grünen: Grüne bald in Reih und Glied? | |
| Auf dem Parteitag will der Bundesvorstand die Hürden zur Mitbestimmung in | |
| der Basis erhöhen. Dagegen regt sich Widerstand. | |
| Alice Schwarzer zu Transsexualität: Agenda statt Authentizität | |
| Alice Schwarzer mal wieder: Die selbst ernannte Feministin hat ein Buch | |
| über Transsexualität geschrieben – und dabei nicht viel verstanden. | |
| Hetze gegen Selbstbestimmungsgesetz: Gruselgeschichten vom Mädchenklo | |
| Die Ampel verspricht trans-inklusive Gesetzesänderungen. Ein Anlass für | |
| Konservative Stimmung gegen eine systematisch bedrohte Minderheit zu | |
| machen. | |
| LGBTI-Rechte im Koalitionsvertrag: Dickes Fell für die Legislatur | |
| Viele der geplanten Ampel-Reformen verdienen Applaus. Für gute | |
| Lebensbedingungen von LGBTI ist aber auch ein starker Sozialstaat nötig. |