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# taz.de -- Fußball-WM in Katar: Mit Millionen gegen den Mangel
> In Katar läuft es so: Was fehlt, wird einfach mit viel Geld besorgt. Auch
> im Fußball handelt das Emirat so: beim Aufbau des eigenen Nationalteams.
Bild: Skyline in der Nacht mit Werbung für die Fussball-WM in Doha
Katar ist ein Land des Überflusses. Wenn mal etwas fehlt, wird es flugs
eingekauft. Als die Nachbarländer [1][eine Wirtschaftsblockade gegen das
kleine Emirat] verhängten, ließ man 2017 kurzerhand 4.000 Kühe einfliegen.
Und als man sich bei der Handball-WM 2015 im eigenen Land keine Blöße geben
wollte, lockte man eine erlesene Schar von Handballern an, die im
Eilverfahren eingebürgert wurden.
Weil ein Nationalitätswechsel beim Weltfußballverband aber kompliziert ist,
haben sich die Verantwortlichen vor der Weltmeisterschaft mit einem Problem
herumschlagen müssen, das ihnen bisher unbekannt war: mit dem Mangel in den
eigenen Landesgrenzen zurechtkommen zu müssen. Wie soll ein Land, in dem
nur 2,7 Millionen Menschen leben, von denen nur rund 10 Prozent
Staatsbürger sind, und das 2010, im Jahr der WM-Vergabe, auf der
Fifa-Weltranglistenposition 113 hing, außerhalb ernstzunehmender Konkurrenz
– wie soll ein solches Land nun mit den Besten mithalten?
## Streit um die Papiere von Torjäger Almoez Ali
Am Beispiel der Karriere von [2][Almoez Ali, dem torgefährlichsten Spieler
im WM-Kader von Katar] – im letzten WM-Test gegen Albanien erzielte er den
entscheidenden Treffer per Elfmeter –, lässt sich gut veranschaulichen,
welche Anstrengungen das Emirat unternommen hat. Bei der
[3][Asienmeisterschaft 2019] fiel Ali beim Überraschungssieger Katar nicht
nur auf, weil er mit neun Toren einen Rekord in der Geschichte des Turniers
aufstellte, sondern auch, weil die Vereinigten Arabischen Emirate Protest
gegen seine Teilnahme im Halbfinale einlegten. Sie bezweifelten die Angaben
von Almoez Ali, nach denen der damals 22-Jährige im Sudan geboren wurde,
seine Mutter aber in Katar. Der Protest wurde zurückgewiesen.
Mit Blick auf den Kader lässt sich grundsätzlich feststellen, dass das
eigentlich enge katarische Staatsbürgerschaftsdenken hier etwas lockerer
ausgelegt wird. Gebürtig stammt noch ein weiterer Spieler aus dem Sudan,
zwei kamen im Irak zur Welt, und jeweils einer in Portugal, Frankreich,
Bahrain, Algerien und Ghana. Wobei eingebürgerte Sportler:innen in Katar
nicht die „volle“ Staatsbürgerschaft, sondern einen sogenannten Mission
Passport erhalten. Und auch von den im Emirat gebürtigen Auswahlspielern
dieser WM haben einige nichtkatarische Wurzeln.
Als Almoez Ali neun Jahre alt war, trat er seine siebenjährige
fußballerische Grundausbildung in der Elite-Sportakademie von Doha an, der
Aspire Academy, die weltweit ihresgleichen sucht. Weit über eine Milliarde
Dollar mussten für die Errichtung und Unterhaltung dieses opulenten
Sportkomplexes, der 2004 eröffnet wurde, bereits aufgewendet werden. Allein
in der Startelf gegen Albanien standen jüngst fünf ehemalige
Academy-Sprösslinge.
Almoez Ali gelang der Sprung nach Europa. Möglich wurde das vor allem
dadurch, dass der katarische Staatsfonds 2012 den belgischen Zweitligisten
[4][KAS Eupen und dessen 4 Millionen Euro Schulden übernahm]. Kurz darauf
spielte der Klub dank jährlicher Millionenzuwendungen im einstelligen
Bereich wieder erstklassig. Nach einem Jahr im dortigen Juniorenteam zeigte
der damalige österreichische Zweitligist, der Linzer ASK, natürlich nicht
zufällig Interesse an dem katarischen Stürmer Almoez Ali. Ein halbes Jahr
zuvor hatte der Linzer Klub eine Kooperation mit der Aspire Academy
vereinbart und bereits ein Trainingslager in Doha absolviert.
Nach nur einem halben Jahr bei den Österreichern zog es Ali ins spanische
León. Der verschuldete CYD Leonesa, man ahnt es, wurde von der Aspire
Academy aufgekauft, spielte zum Zeitpunkt des Wechsels nur fünftklassig –
wurde nun aber von erstklassigem Personal betreut. Ein Angestellter aus
Doha passte darauf auf, dass sich die katarischen Talente vom europäischen
Lebenswandel nicht ablenken ließen.
## Die europäische Spitze als Vorbild
Die Stationen Eupen, Linz und León finden sich bei einigen katarischen
Nationalspielern im Lebenslauf. Sie stehen für den Versuch, sich auf
bescheidenem Niveau näher an die europäische Spitze heranzuarbeiten.
Wesentlich ambitionierter waren für Almoez Ali in den vergangenen Jahren
dann die Wettbewerbe, die er mit seinem Nationalteam bestritt. Katar
spielte als Gast bei der Ermittlung des Südamerikameisters, des Nord- und
Zentralamerikameisters (beides 2019) sowie in einer europäischen
WM-Qualifikationsgruppe mit. Selbst hier öffneten sich die Türen der
Verbände wundersam leicht.
Und auch wenn die Spieler des katarischen WM-Kaders im Zuge einer
nationalen Konzentration wieder ausschließlich bei Klubs in der Qatar Stars
League angestellt sind, ist ihr eigentlicher Verein das Nationalteam
geworden. Fünfeinhalb Monate bereitete es sich meist abgeschottet in
Österreich und Spanien auf das große Turnier vor. Achtungserfolge, wie
zuletzt im September gegen Chile (2:2), kann man mittlerweile mehrere
vorweisen. Die Investitionen Katars in die Veredelung ihres schmalen
Talentepools machen sich also durchaus bemerkbar. In der Fifa-Weltrangliste
steht das Emirat nun vor den WM-Mitbewerbern Saudi-Arabien und Ghana auf
dem 50. Rang.
20 Nov 2022
## LINKS
[1] /Abkommen-von-Katar-und-Golfnachbarn/!5738128
[2] /Katar-ist-Asienmeister/!5567307
[3] /Katar-im-Finale-der-Asienmeisterschaft/!5566998
[4] /Coach-von-KAS-Eupen/!5461109
## AUTOREN
Johannes Kopp
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