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# taz.de -- Ungetestet im WM-Land: Erster Klasse mit der Metro
> Tauben schwächeln in der schwülen Hitze und in der U-Bahn wird die
> Sitzplatzwahl zu einem aufmüpfigen Akt. Erste Beobachtungen in Doha.
Bild: Rolltreppe abwärts: Die Metro in Doha im Diversity-Look der Fifa
Eine fette Katze liegt wie tot im Schatten vorm „Mini-Mart“ im Stadtteil
al-Sadd in Katars Hauptstadt Doha. Fast wäre ich draufgetreten auf die
Mieze, die völlig fertig zu sein scheint von der Mittagshitze. Ist sie tot?
Wohl eher nicht. Die Sonne brennt grell vom Firmament, der Muezzin der
Al-Saad-Masjid-Moschee ruft, und ein paar Tauben schwingen sich in die
dunstige, schwüle Luft.
Das Apartment, das ich mit einem befreundeten Kollegen bewohne, hat wohl
ein Innenarchitekt aus Nordkorea arrangiert, sagt er. Die Unterkunft ist
hässlich, aber funktional, der Lärm der umliegenden Al-Rayyan-Straße dringt
auch nachts um drei noch durch die einfachen Fenster.
Über eine Stunde hat es gedauert, bis wir die Leute am Empfang,
Einsatzkräfte für das WM-Turnier aus Kenia und Uganda, davon überzeugen
konnten, hier einzuziehen. Ich stelle erst einmal die Klimaanlage ab. In
der U-Bahn läuft sie natürlich.
## Freie Fahrt
Ausländer können die Metro während der WM kostenlos benutzen, Fans mit der
sogenannten Hayya-Card, der Einreisegenehmigung auf dem Smartphone. Die
Journalisten zeigen ihre Fifa-Akkreditierung her. Wobei, die Tore sind
offen. Die Kontrolleurin aus Kenia nimmt es heute nicht so genau. „You are
welcome“, sagt sie.
Das Branding der Fifa ist allgegenwärtig, auch in der Metro, die, wie die
katarische Gesellschaft, drei Klassen hat. Während des World Cups aber
herrscht unter der Erde ausnahmsweise eine klassenlose Gesellschaft. Die
Trennung zwischen „Standard“, „Family“ und „Goldclub“ ist aufgehobe…
zur Freude von [1][ein paar Wanderarbeitern] aus Indien oder Bangladesch,
die sich mit einem billigen Ticket in die bequemen Sessel drücken, dort
Platz nehmen, wo sonst eher Katarer sitzen – wenn überhaupt. Denn die
blitzende Metro ist eigentlich nur etwas für Arme. Ein schlanker Mann im
Dischdascha, dem weißen Gewand der Katarer, schaut skeptisch auf die
Männer, die sich da empowern.
Ich kämpfe derweil mit dem U-Bahn-Wifi, ärgere mich, die Lesebrille im
Flugzeug liegen gelassen zu haben, und überlege hin und her, ob ich mir
eine katarische SIM-Karte kaufe. Wenn man diese Corona-Nachverfolgungs-App
Etheraz hätte installieren müssen, wäre das wohl obligatorisch gewesen,
aber seit dem 1. November ist das hinfällig. Personen, die sich [2][im
Fifa-Universum] bewegen, müssen keine Impfzertifikate oder
Corona-Testergebnisse bei der Einreise vorweisen, die fünftägige Quarantäne
für Menschen mit zweifelhaftem Impfstatus entfällt auch.
Es kann dann also losgehen.
21 Nov 2022
## LINKS
[1] /Arbeitsbedingungen-in-Katar/!5893489
[2] /Die-Wahrheit/!5628330
## AUTOREN
Markus Völker
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